Die Bewaffnung der Zivilbevölkerung im Osten des Kongos verstärkt die Chancen auf weitere Gewalttaten und die Bemühungen der UN, Stabilität in diese Gebiete zu bringen.
Zerstrittene Gruppierungen der kongolesischen Armee, die im Dezember gegeneinander gekämpft hatten, richteten Bürger hin und vergewaltigten Frauen und Mädchen in drei Städten in Nord-Kivu, einer instabilen Provinz in der Demokratischen Republik Kongo. Die Opfer wurden aufgrund ihrer ethnischen und politischen Loyalität angegriffen. Diese Gewalttaten wurden auch dadurch verschlimmert, dass die Bezirksregierung die Hutu Bevölkerung kurz davor mit Waffen ausgestattet hatte.
„Zivilisten während ethnischen Spannungen und anhaltenden Konflikten mit Waffen auszurüsten ist unverantwortlich“, so Alison Des Forges, leitende Beraterin von Human Rights Watch in Afrika. „Die kongolesische Regierung und die UN-Friedenstruppen sollten sofortige Schritte einleiten, um die Zivilisten zu entwaffnen und die Spannungen zu reduzieren.“
Der 34 seitige Bericht von Human Rights Watch „Civilians attacked in North Kivu” dokumentiert Kriegsverbrechen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die während der Kämpfe im Dezember stattfanden. Das Versagen, die früheren kriegsführenden Gruppen in eine Vereinte Nationale Armee zu integrieren, war Human Rights Watch zufolge der Ausgangspunkt für den Konflikt. Ein weiterer Grund würde in den vermehrten ethnischen Auseinandersetzungen in Nord-Kivu liegen. Auch bewaffnete Zivilisten sollen an den Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein.
Soldaten der Rassemblement Congolais pour la Démocratie-Goma („Kongolesische Vereinigung für Demokratie-Goma ) bzw. RCD-Goma – früher eine Rebellenbewegung – heute eine politischen Partei und Mitglied der kongolesischen Übergangsregierung, kämpften im Dezember gegen Gruppen der nationalen Armee um die Kontrolle des RCD-Goma Stützpunkts in Nord-Kivu. Der Hintergrund für die Auseinandersetzungen waren verstärkte Spannungen zwischen Kongo und Ruanda. Ruanda unterstützte die RCD-Goma während des Krieges, der mit dem offiziellen Rückzug der ausländischen Truppen im Jahre 2002 endete.
In den Monaten vor den Kämpfen, verteilten Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden, im Sinne von Nord-Kivus Gouverneur, Eugéne Serefuli, tausende von Waffen an Hutus. Serefuli ist ein hochrangiges Mitglied der von Ruanda unterstützten RCD-Goma. Die Beobachter vor Ort glauben, dass dies die Antwort von Gouverneur Serefuli auf die Vorhaben der nationalen Regierung in Kinshasa war. Die Regierung plant, den strategischen Bereich, der an Ruanda grenzt, zurückzuerobern.
Während der Waffenausgabe wurden einige Hutus bedroht und zumindest einer ermordet, als er sich gegen die Verteilung der Waffen stellte. Fünf ansässige kongolesische Menschenrechtsaktivisten, die die Verteilung der Waffen und die Misshandlungen im Dezember anprangerten, mussten die Provinzhauptstadt Goma verlassen.
Die Verteilung der Waffen an die Zivilbevölkerung im Norden Kivus würde laut Human Rights Watch das Problem der Verbreitung von kleinkalibrigen Waffen in Zentralafrika unterstreichen – ein Problem, das diese Woche in New York bei der UN-Besprechung zur Debatte stand. Aufgrund des brutalen Bürgerkrieges verhängte der UN-Sicherheitsrat 2003 ein Waffenembargo für den Osten der Demokratischen Republik Kongo, das seit kurzem für das gesamte Land gilt.
„Die kongolesische Regierung sollte alle Waffen von Zivilisten im instabilen Osten des Landes beschlagnahmen und vernichten“, forderte Des Forges. „Und alle Länder der Region sollten das UN-Waffenembargo für den DRC beachten.“
Soldaten und andere Gruppen vergewaltigten und töteten Zivilisten. Sie waren auch an den weit verbreiteten Plünderungen bei Kanyabayonga und anderen Regionen in Nord-Kivu beteiligt. Eine Frau erzählte Human Rights Watch, dass zwei ihrer Töchter getötet worden seien als RCD-Goma Soldaten auf Kirchenbesucher feuerten.
In der Nähe eines Hutu Dorfes, warfen Mayi-Mayi Kämpfer (örtlich ansässige Milizen, die gegen Ruanda und die RCD-Goma sind) eine Granate in eine Hochzeitsgesellschaft und töteten einige Gäste darunter ein dreijährigen Kindes. Wegen der Kämpfe und Plündereien bei Kanyabayonga und in der Stadt Nyabyondo mussten tausende von Einwohnern in den Wald fliehen, wo sie keinen Zugang mehr zu humanitärer Hilfe hatten.
In den letzten Monaten führte die UN-Friedensmission, bekannt als MONUC, und die kongolesische Armee eine Kampagne zur Entwaffnung von Milizen in Ituri, im Nordkongo. Es wurde aber keine Vorgehensweise für Nord-Kivu ausgearbeitet.
Seit den Dezemberkämpfen gab es weitere gewaltsame Vorfälle zwischen den verfeindeten Gruppen, wobei auch Zivilisten zu Tode kamen. Am 30. Juni führten Kämpfe in Goma zwischen Ex-Truppen der RCD-Goma und Mayi-Mayi zum Tode von drei Soldaten und vier Zivilisten. Am 2. Juli brannten Soldaten des Militärstützpunktes außerhalb Gomas Hütten in den nahe gelegenen Dörfern der Hutu und Tutsi nieder. Laut Militär war dies ein Racheakt für den Mord an einem Soldaten, der in der Nacht davor von einem bewaffneten Zivilisten verübt worden sein soll.
„Die Bevölkerung leidet unter den brutalen Auseinandersetzungen der Armee“, meinte Des Forges. „Soldaten und ihre Offiziere müssen dafür verantwortlich gemacht werden. Weitere Straffreiheit führt nur zu noch mehr Spannungen und Misshandlungen.“