Die Regierung von Usbekistan versucht Informationen über das Massaker in Andischan abzublocken, berichtet Human Rights Watch. Ein Mitarbeiter von Human Rights Watch fand neue Beweise, dass die Regierung die Tötungen und den Gewalteinsatz am 13. Mai vor der Öffentlichkeit vertuschen will.
Human Rights Watch forderte die USA auf, mit Usbekistan keine weiteren Gespräche über den permanenten Verbleib des US-Militärstützpunktes zu führen. Die Menschenrechtsorganisation appellierte auch an die Europäische Union, ein Handelsabkommen so lange auszusetzen, bis die usbekische Regierung eine unabhängige internationale Untersuchung der Todesfälle zulässt.
“Die usbekischen Behörden versuchen Andischan von der Außenwelt abzuriegeln“, erklärte Holly Cartner, Leiterin der Abteilung für Europa- und Zentralasien von Human Rights Watch. „Sie werden damit auch Erfolg haben, wenn nicht andere Regierungen auf eine internationale Untersuchung bestehen und zwar bald.“
Laut Human Rights Watch wollen die Bewohner von Andischan nicht über die Ereignisse vom 13. Mai sprechen, aus Angst vor Sanktionen durch die Behörden. Eine Frau, die selbst verwundet wurde und zwei Angehörige verlor, meinte: Ich habe solche Angst, ich will überhaupt nichts, ich will nicht, dass die Täter vor Gericht gebracht werden. Verraten sie niemandem unsere Namen oder dass sie in unserem Haus waren. Sagen sie, dass sie von anderen Leuten erfahren haben, was mit uns passiert ist.“
Mehrere Leute sagten gegenüber Human Rights Watch, dass die Polizei sie davor gewarnt habe, mit Journalisten oder anderen Fremden zu sprechen.
Ein Bewohner von Andischan erzählte:
“Vergangene Nacht gab es in der Nachbarschaft Ausweiskontrollen. Polizisten überprüften in allen Häusern die Dokumente. Sie drohten uns, ‚wenn Journalisten oder Korrespondenten kommen, dürft ihr ihnen nichts sagen, sonst kommen wir wieder’.“
Die gleiche Person warnte auch davor, zum Friedhof zu gehen, wo es frische Gräber gäbe. „Ein Informant beobachtet den Eingang und hält nach Fremden Ausschau.“
Andischan ist für Journalisten und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen praktisch unzugänglich. Die Polizei zwang ausländische Medienvertreter, die Stadt zu verlassen, und bedrohte sie. Auch Taxifahrern wurde geraten, keine Fremden nach Andischan zu bringen. Alle Besucher der Stadt müssen zahlreiche Kontrollen und Durchsuchungen über sich ergehen lassen.
Vergangene Woche lehnte der Präsident der zentralasiatischen Republik Islam Karimow den Vorschlag von Un-Generalsekretär, Kofi Annan, ab, eine internationale Untersuchung zuzulassen. Karimow meinte, dass eine zweistündige Tour, die am 18. Mai für Diplomaten und Journalisten stattfand, ausreichend sei. Diesen Montag versprach das usbekische Parlament, eine eigene Kommission zur Untersuchung der Vorgänge in der Stadt Andischan zu schaffen. Human Rights Watch begrüßte diesen Schritt, aber betonte wie wichtig eine wirklich unabhängige internationale Untersuchung sei.
„Nachdem bereits so viel Druck auf die Menschen ausgeübt wird, nicht über die Geschehnisse zu sprechen, erscheint es logisch, die Unabhängigkeit einer parlamentarischen Kommission in Frage zu stellen“, erläuterte Cartner. „Man braucht dafür ein Untersuchungsteam, das nicht beeinflussbar ist. Die EU und die USA müssen das der usbekischen Regierung begreifbar machen.“
Zwischen Washington und Usbekistan laufen seit längerem Gespräche darüber, den amerikanischen Militärstützpunkt im Süden des Landes vertraglich zu fixieren. Die Vereinigten Staaten zahlen für den Stützpunkt derzeit keine Miete. Ein Vertrag würde Usbekistan wesentliche finanzielle Vorteile bringen. Nachdem Menschenrechtsvergehen in Usbekistan bekannt geworden waren, stellte die US-Regierung in 2004 jegliche direkte Unterstützung ein. Vom amerikanischen Verteidigungsministerium gibt es jedoch sogenannte Anti-Terror-Gelder für Usbekistan. Nach amerikanischem Gesetz sind diese Unterstützungen nur dann einzustellen, wenn die Einheiten, die davon profitieren, an Menschenrechtsverbrechen beteiligt waren – wie im Fall der Gewaltanwendungen in Andischan.
Das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der EU bringt Usbekistan 16 Millionen Euro an indirekter Unterstützung.
“Die EU und die USA müssen deutlich machen, dass es Konsequenzen hat, wenn es keine unabhängige Untersuchung gibt“ bekräftigte Cartner. „Es muss ganz klar gesagt werden, wann die Kommission tätig werden soll und dass eine Vertuschung nicht akzeptiert wird.“