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Der Krieg im Kongo wird fälschlicherweise als lokale ethnische Rivalität beschrieben; tatsächlich jedoch handelt es sich bei diesem Konflikt um einen nationalen und internationalen Machtkampf, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Hintergrund:

Kongo: Krieg ist international, nicht lokal

Neuer Bericht dokumentiert Hintergründe der Stammeskonflikte

(New York, 8. Juli 2003) - Der Krieg im Kongo wird fälschlicherweise als lokale ethnische Rivalität beschrieben; tatsächlich jedoch handelt es sich bei diesem Konflikt um einen nationalen und internationalen Machtkampf, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 57-seitige Bericht: ‚Covered in Blood': Ethnically Targeted Violence in Northern DR Congo belegt, dass Kombattanten in der Ituri Region im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) im letzten Jahr über fünf tausend Zivilisten aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit grausam ermordet haben. Diese Kombattanten sind von den Regierungen der DRK, Ruandas und Ugandas mit Waffen ausgestattet worden und handelten oft auf deren Befehl.

Eine Reihe von Verträgen und Waffenstillstandsvereinbarungen - zuletzt unterzeichnet am 19. Juni in Burundi - haben angeblich den Konflikt zwischen den Regierungen von Uganda, Ruanda und der DRK beendet. Wobei die kongolesische Rebellenbewegung nun ihre Macht mit der Regierung in Kinshasa teilt. Jedoch setzten die kleinen Parteien - oft Stellvertreter der Hauptakteure - ihre Kriegshandlungen fort.

"Vereinbarungen zwischen den Regierungen bewirken nichts, wenn die Regierungstruppen ihre Waffen geradewegs an örtliche Milizen weiterleiten", sagte Alison Des Forges, Senior Beraterin der Afrika Abteilung von Human Rights Watch. "Die Krise im Kongo kann nicht gelöst werden, ohne den Konflikt auf allen Ebenen anzugehen."

Die Mehrheit der Bevölkerung in Ituri gehört weder zu der Bevölkerungsgruppe der Hema noch zu der, der Lendu, deren Milizen hauptsächlich für die derzeitige Gewalt verantwortlich sind. Dennoch wurden alle Bewohner Ituris gezwungen, sich zu einer Seite zu bekennen, was zu Attacken gegen sie führte, weil sie entweder als Angehörige der Hema oder der Lendu angesehen wurden.

In den letzten Monaten hatten Menschenrechtler keinen Zugang zu ländlichen Gegenden in Ituri oder zu Informationen bezüglich spezifischer Massaker an der Zivilbevölkerung. Der Bericht von Human Rights Watch dokumentiert die Ereignisse der letzten 12 Monate und legt unter anderem Beweise für ein Massaker Anfang September 2002 vor, bei dem Lendu-Kämpfer in Nyakunde ungefähr 1200 Menschen abschlachteten, die den Hema oder verwandten Gruppen angehört haben sollen. Über zehn Tage hin zerrten die Killer ihre Opfer aus deren Häusern und ermordeten Patienten, die sie in den Betten eines Missionskrankenhauses fanden. Human Rights Watch Nachforschungen zufolge, forderte das Nyakunde- Massaker wesentlich mehr Todesopfer als zunächst vermutet.

1998 besetzten ugandische Truppen Ituri, eine Gegend reich an mineralischen Rohstoffen und eine mögliche Hauptölquelle. Nach starkem internationalen Druck musste Uganda im Mai 2003 seine Truppen aus Ituri zurückziehen. Während der Okkupation stellten ugandische Truppen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen Waffen und militärisches Training zur Verfügung und förderten damit die Ausbreitung des zunächst nur begrenzt bestehenden Konflikts zwischen Hema und Lendu.

Die Regierung der DRK unterstützt die kongolesische Rally for Democracy-Liberation Movement (RCD-ML), die oft in Kämpfe mit Milizen der Lendu und deren verwandte Ngiti-Gruppe beteiligt ist. Ruanda unterstützt die RCD-Goma, eine von der RCD-ML abgespaltene Bewegung, die der Union of Patriotic Congolese (UPC) - einer Hema-Miliz, die bis vor kurzem die Ortschaft Bunia in Ituri kontrolliert hat - Hilfe leistet.

Der Human Rights Watch Report berichtet im Detail wie Kombattanten Menschen folterten und verstümmelten, willkürlich politische Gegner hinrichteten und Frauen rivalisierender ethnischer Gruppen vergewaltigen.

"Gewaltsame Tötung ist eine alltägliche Erscheinung in Ituri", sagte Des Forges. "Die Killer sind zum Kannibalismus übergegangen, um Menschen, über die sie Kontrolle ausüben wollen, zu terrorisieren."

Der Bericht bezeugt weiterhin, dass alle Gruppen Kinder zum Militärdienst rekrutieren, einige davon nicht älter als sieben Jahre. Lokale Beobachter beschreiben die kämpfenden Einheiten als "Kinderarmeen".

Die Milizen haben über eine halbe Million Menschen aus ihren Häusern vertrieben und diese geplündert und verbrannt. Um ihre Feinde zu schwächen, haben viele Milizen die Lieferung von Nahrungsmitteln oder anderen Formen von humanitärer Hilfe, die für Vertriebene oder andere Menschen in Not gedacht war, behindert und damit die Anzahl der zivilen Todesopfer des Krieges ins unermessliche gesteigert. In den letzten Monaten haben die Milizen in etwa 30 Fällen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bedroht, geschlagen und vertrieben.

Die im Kongo stationierte United Nations Observer Mission to the Democratic Republic of Congo (MONUC) ist vor Ort, um die Waffenstillstandsvereinbarungen zu überwachen. Sie hatten weder das Mandat noch die Truppen oder die Ausrüstung um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Nachdem Anfang Mai die Hema-Miliz Hunderte von Menschen in Bunia ermordet hatte, autorisierte der UN-Sicherheitsrat eine multinationale Notfalltruppe, um die öffentliche Ordnung in der Ortschaft wiederherzustellen. Das multinationale, hauptsächlich aus französischen Soldaten bestehende Einsatzkommando, war das erste überhaupt, das von der Europäischen Union aufgestellt worden war. Diese Mission konnte das Töten innerhalb Bunias zwar stoppen, wird jedoch im September beendet sein.

Im September wird die UN-Truppe, verstärkt durch mehrere tausend Soldaten, die einzige internationale Truppe in der DRK sein. Der Sicherheitsrat wird in Kürze über die Größe und das Mandat dieser Truppe beraten.

"Der Sicherheitsrat muss sicherstellen, dass die Zivilbevölkerung in Bunia und dem übrigen Land auch nach dem Abzug der Übergangstruppe geschützt wird", sagte Des Forges. "Sie müssen Friedenstruppen bereitstellen und ein entsprechendes Mandat erteilen, um weitere ethnische Tötungen zu verhindern."

*Alison Des Forges ist Senior Beraterin der Afrika Abteilung von Human Rights Watch.

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