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Regierungsvertreter und Journalisten nehmen an einer Pressekonferenz der Taliban im staatlichen Medien- und Informationszentrum teil, Kabul, Afghanistan, 12. Oktober 2025. © 2025 Siddiqullah Alizai/AP Photo
  • Seit der Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban die afghanische Medienlandschaft mittels Überwachung, Zensur und Bestrafung von Medienschaffenden wegen vermeintlicher Kritik fest unter ihre Kontrolle gebracht.
  • Angesichts der zunehmenden Repression durch die Taliban ist der Bedarf an unabhängigen Nachrichtenmedien in Afghanistan größer denn je. Medienschaffende berichten allerdings von äußerst schwierigen Arbeitsbedingungen im Land als auch von wachsenden Herausforderungen für jene, die im Exil leben.
  • Die Taliban sollten die willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen von Medienschaffenden, geschlechterdiskriminierende Einschränkungen der Tätigkeit von Journalistinnen und die Zensur beenden. Länder, in denen afghanische Journalist*innen im Exil leben, sollten ihre Zwangsrückführung nach Afghanistan beenden.

(New York) – Seit der Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban die Medienlandschaft in Afghanistan fest unter ihre Kontrolle gebracht, erklärte Human Rights Watch heute. Die verbliebenen Nachrichtenagenturen werden Überwachung und Zensur unterworfen und Journalist*innen und andere Medienschaffende für jede vermeintliche Kritik bestraft. Afghanische Journalist*innen im Exil, die vor der Verfolgung durch die Taliban geflohen sind, laufen nun zunehmend Gefahr, nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden, wo ihnen Vergeltungsmaßnahmen drohen.

Die Pressefreiheit hat in den letzten vier Jahren unter der Herrschaft der Taliban in ganz Afghanistan abgenommen. Nachrichtenagenturen berichten, dass der Geheimdienst der Taliban alle Inhalte überwacht und die „Sittenpolizei“ dafür sorgt, dass Mitarbeitende die vorgeschriebenen Kleidungsvorschriften und andere Regelungen einhalten. Die lokalen Behörden setzen die offiziellen Regeln willkürlich durch, was zu unterschiedlich starker Zensur in den verschiedenen Provinzen führt. Die strengen Einschränkungen der Taliban für Frauen haben zu einem starken Rückgang der Zahl von Journalistinnen im Land geführt. 

„Taliban-Beamte zwingen afghanische Journalisten zunehmend dazu, ‚sichere‘, vorab genehmigte Berichte zu verfassen, und bestrafen diejenigen, die sich nicht daran halten, mit willkürlicher Inhaftierung und Folter“, sagte Fereshta Abbasi, Afghanistan Researcherin bei Human Rights Watch. „Das gilt zwar für alle afghanischen Journalist*innen – und viele sind aus dem Land geflohen –, doch die Frauen unter ihnen sind am stärksten betroffen.“

Im August 2025 hat Human Rights Watch 18 fernmündliche Interviews mit afghanischen Journalist*innen in Afghanistan sowie 13 persönliche Interviews mit in der Türkei lebenden afghanischen Medienschaffenden und mit afghanischen Flüchtlingsorganisationen durchgeführt. Die Befragten beschrieben einerseits die sehr schwierigen Arbeitsbedingungen in Afghanistan und andererseits die wachsende Gefahr für all jene, die in EU-Ländern, der Türkei und den USA im Exil leben.

Reporter*innen, denen die Taliban vorwerfen, mit Exilmedien zusammenzuarbeiten oder Kontakte zur Oppositionsgruppen zu haben, drohen Haft, Gewalt und Morddrohungen. Ein inhaftierter Journalist berichtete, Taliban-Beamte hätten ihm gesagt: „Wir können dich einfach töten, und niemand kann uns dafür zur Rechenschaft ziehen.“

Das sogenannte Ministerium für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung des Lasters (PVPV) der Taliban inspiziert regelmäßig Medienbüros. Medienschaffende sind wegen Verstößen gegen das Gesetz des Ministeriums zur Trennung von Arbeitsbereichen für Männer und Frauen, gegen das Verbot der Ausstrahlung von Frauenstimmen und der Wiedergabe von Musik im Fernsehen und Radio inhaftiert worden. 

Bereits im September 2021 verkündete das Medien- und Informationszentrum der Taliban „11 Regeln“ für Medien. Dazu zählen das Verbot, etwas zu senden oder zu veröffentlichen, das „dem Islam widerspricht“, „nationale Persönlichkeiten beleidigt“ oder „die Privatsphäre verletzt“. Medienschaffende sind zu einer „ausgewogenen“ Berichterstattung verpflichtet und dürfen „nur die Wahrheit veröffentlichen“. Allerdings sind die Regeln mit keinerlei Kriterien für die Auslegung dieser Begriffe verknüpft. Die vage Formulierung öffnet damit Willkür Tür und Tor, und zwar auf allen Ebenen.

Die Taliban-Behörden überprüfen Berichte vor der Veröffentlichung und zensieren alles, was ihrer Meinung nach „einen negativen Einfluss auf öffentliche Meinung oder […] Moral hat“. „Sie sagen uns: ‚Stellt sicher, dass ihr uns mit euren Berichten nicht schadet‘“, sagte eine Medienperson. „Wenn ihr das tut, bekommt ihr Ärger.“

Die Taliban haben Medieninhalte, in denen Frauen eine Rolle spielen, eingeschränkt und Medien verboten, Soaps und Dramen zu senden, in denen Frauen auftauchen. Journalistinnen sind gezwungen, einen Hijab zu tragen.

Gemäß dem im August 2024 erlassenen Gesetz zur Verbreitung der Tugend und zur Verhinderung des Lasters überprüfen Inspektoren, ob Medieninhalte mit der Scharia (dem islamischen Recht) vereinbar sind und keine Bilder von Lebewesen enthalten.

Aufgrund dieser Einschränkungen üben sich Medienschaffende in Selbstzensur und beschränken ihre Berichterstattung auf offizielle Veranstaltungen wie Preisverleihungen, diplomatische Besuche und Entwicklungsprojekte. Aber auch die ausbleibende Berichterstattung über offizielle Veranstaltungen kann zu Verweisen, Drohungen und in einigen Fällen sogar zu Haftstrafen führen. Ein in Kabul ansässiger Journalist berichtete, dass er zweimal inhaftiert worden sei, weil er nicht über solche Veranstaltungen berichtet habe.

Ein anderer Journalist erklärte, dass der Sprecher der Provinzbehörden ihn angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass er bei einer Abschlussfeier der Polizeischule anwesend sein solle. „Ich bin nicht hingegangen, weil es nicht berichtenswert war“, sagte er. „Am nächsten Tag erfuhr ich, dass ich nicht mehr berichten darf.‘“

Medienschaffende, die aus Afghanistan in andere Länder geflohen sind, leben im Exil in Unsicherheit und müssen fürchten, nach Afghanistan abgeschoben und dort verfolgt zu werden.

Länder, die afghanische Geflüchtete aufnehmen, sollten daran festhalten, dass Afghanistan für Rückkehrende unsicher ist, und jederzeit die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung gewährleisten, der die Rückführung von Menschen in Gefahrensituationen verbietet. Schließlich hat sich die Menschenrechtslage in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban weiter verschlechtert.

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