Der Sturz der ehemaligen Regierung in Syrien war eine der vielversprechendsten Entwicklungen des letzten Jahres.
Als die grausame Regierung von Baschar al-Assad im vergangenen Dezember gestürzt und entmachtet wurde, öffnete sich die Tür für eine neue Richtung. Es bot sich die Gelegenheit, Gerechtigkeit für vergangene Verbrechen durchzusetzen, die Hoffnung, dass die Menschenrechte respektiert werden, und die Chance, das Land wieder aufzubauen.
Einige Regierungen verhalten sich jedoch so, als wäre das alles nie passiert. Sie haben ihre Sanktionen aus der Assad-Ära beibehalten, obwohl diese Regierung nicht mehr existiert. Und sie legen der syrischen Übergangsregierung nicht einmal einen klaren Fahrplan vor, welche Schritte sie unternehmen kann, um die Sanktionen aufgehoben zu bekommen.
Während der Krieg in Syrien mehr als 13 Jahre lang tobte und sich die entsetzlichen Missbräuche, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Assad-Regierung häuften, verhängten die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, das Vereinigte Königreich und andere Regierungen umfassende Sanktionen gegen die syrische Regierung.
Dazu gehörten sinnvolle Maßnahmen wie das gezielte Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote für wichtige Regierungsbeamt*innen. Es gab auch einige Schritte, die sich auf die wirtschaftliche Situation der syrischen Bevölkerung im weiteren Sinne auswirkten, wie Beschränkungen des Handels, der Finanztransaktionen und wichtiger Industrien.
Jetzt ist Assad weg, aber die meisten dieser Sanktionen bleiben bestehen, auch solche, die die Bevölkerung betreffen.
Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht nur um das peinliche Versagen dieser Regierungen, mit der Realität vor Ort Schritt zu halten. Diese Sanktionen verhindern jetzt den Fortschritt in Syrien und schaden Millionen von Menschen.
Über 90 Prozent der syrischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Mindestens 13 Millionen Menschen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – haben keinen Zugang zu oder können sich keine qualitativ hochwertigen Lebensmittel leisten. Mindestens 16,5 Millionen Syrer*innen benötigen irgendeine Form von humanitärer Hilfe, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
Die anhaltenden Sanktionen verschlimmern das Leid der syrischen Bevölkerung, indem sie die Wiederherstellung der Grundversorgung erheblich erschweren und die Wiederaufbaubemühungen bremsen.
Regierungen sollten alle Sanktionen aufheben, die sich negativ auf die sozialen und wirtschaftlichen Rechte von Syrer*innen auswirken. Bei anderen Sanktionen sollten sie den Interimsbehörden klar mitteilen, welche Schritte sie unternehmen können, damit diese aufgehoben werden.
Andere Staaten sollten Syrien wieder Zugang zu den globalen Finanzsystemen gewähren und die Handelsbeschränkungen für lebenswichtige Güter aufheben. Sie sollten auch Energiesanktionen ansprechen, um sicherzustellen, dass die Menschen Zugang zu Brennstoffen und Strom haben.
Seit dem Sturz der Assad-Regierung haben einige Regierungen ihre Sanktionspolitik in begrenztem Umfang angepasst. Aber das reicht bei Weitem nicht aus.
Der durch dreizehn Jahre Krieg und Jahrzehnte autoritärer Herrschaft und Gewalt verursachte Schaden ist enorm. Jetzt gibt es die Chance auf Veränderung.
Die Menschen in Syrien sollten beim Wiederaufbau ihres Landes von der Welt mehr erwarten können als Hindernisse.