(Moskau, 15. Januar 2008) - Die österreichische Regierung soll umgehend handeln, um die Verantwortlichen für den Mord an einem Exil-Tschetschenen vor Gericht zu stellen, so Human Rights Watch, Amnesty International und das Memorial Human Rights Centre. Das Opfer hatte behauptet, von dem tschetschenischen Präsidenten, Ramsan Kadyrow, gefoltert worden zu sein.
Nach Presseberichten erschossen die Angreifer den 27-jährigen Umar Israilow am 13. Januar 2009, als der Exil-Tschetschene aus einem Lebensmittelgeschäft in Wien kam. Israilow hatte zuvor öffentlich geäußert, dass er von Kadyrow gefoltert worden war und hatte Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte(EGMR) eingelegt. Einige Tage vor dem Mord hatte Israilow sich bei der Polizei beklagt, dass Unbekannte ihn verfolgten.
„Wir sind zutiefst erschüttert über einen erneuten politisch motivierten Mord an einem Kritiker der russischen Regierung", sagte Oleg Orlow, Direktor des Memorial Human Rights Centre. „Mit Blick auf die brutalen Vergeltungsschläge gegen Personen, die über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sprechen, waren die Taten Israilows sehr mutig; deshalb sollen seine Mörder und ihre Verbündeten schnellstens verurteilt werden."
Laut einem Artikel über den Mordfall in der New York Times wurde Israilow als Rebellenkämpfer 2003 inhaftiert, später begnadigt und diente dann kurzzeitig Kadyrow als Leibwächter. In dem Artikel wurde aus einem Interview mit Israilow zitiert, in dem dieser sagte, dass er während seiner Haft von Kadyrow gefoltert worden war, unter anderem durch Elektroschocks. Zudem habe er beobachtet, wie andere Häftlinge von Kadyrow und seinen Untergebenen geschlagen und getreten wurden sowie anderen Foltermethoden ausgesetzt waren. Schließlich floh Israilow nach Österreich, wo ihm Asyl gewährt wurde.
„Der Fall ist uns bekannt und wir finden Israilows Anschuldigungen wegen Folter sehr glaubwürdig", sagte Rachel Denber, Direktorin der Abeilung Europa und Zentalasien von Human Rights Watch. „Folter ist ein dauerhaftes Problem in Tschetschenien, das russische Behörden nicht stoppen, selbst nicht mit Hinblick auf glaubwürdige Beweise von Opfern wie Umar Israilow".
Human Rights Watch und Amnesty International dokumentierten ständige Misshandlung und Folter in Tschetschenien seitens der russischen Armee und moskaufreundlichen tschetschenischen Sicherheitskräften unter dem Kommando von Kadyrow.
„Wir haben glaubwürdige Berichte von Menschen in Tschetschenien, die wegen Einreichens einer Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bedroht oder getötet wurden", berichtet Nicola Duckworth, Direktorin des Europa und Zentralasien-Programms von Amnesty International. „Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Umar Israilow getötet wurde, weil er Gerechtigkeit forderte."
In Nachrichtenmeldungen wurde zudem berichtet, dass nach Israilows Flucht aus Russland sein Vater entführt, von Kadyrow gefoltert und über zehn Monate illegal festgehalten worden war, um seinen Sohn zur Rückkehr zu zwingen. Eine Person, die sich als Bote Kadyrows bezeichnete, besuchte letztes Jahr Umar Israilow in Österreich und versuchte, diesen zum Widerruf seiner Anklage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu drängen und ihn zur Rückkehr nach Tschetschenien zu bewegen.
Im August 2008 wurde ein anderes mutmaßliches Folteropfer, Mokhmadsalakh Masaew, in Tschetschenien für einige Wochen verhaftet, nachdem ein Interview veröffentlicht wurde, in dem dieser beschrieb, wie er in einem illegalen Gefangenenlager gefoltert worden war. In diesem Interview sagte Masaew, dass er im Jahr 2006 für mehr als vier Monate unter unmenschlichen Bedingungen in einem geheimen Gefängnis in Kadyrows Heimatdorf festgehalten sowie entwürdigenden Behandlungen ausgesetzt worden war. Er hatte mehrmals bei der Staatsanwaltschaft der Tschetschenischen Republik Klage eingereicht. Darin hatte er angegeben, dass seine Verhaftung auf dem Einverständnis Kadyrows beruhte. Sechs Monate nach seiner Entführung ist Masaews Aufenthaltsort weiter unbekannt.