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Die deutsche Bundesregierung soll auf die Forderung verzichten, bestimmte Waffen vom neuen Vertrag zur Ächtung von Streumunition auszuschließen, so Human Rights Watch. Die Regierung versucht den Vertrag, der im nächsten Monat verabschiedet werden soll, auch in anderen Bereichen abzuschwächen.

Die abschließenden Vertragsverhandlungen werden von 19. bis 30. Mai unter Beteiligung von mehr als 100 Staaten einschließlich Deutschlands in Dublin stattfinden. Durch den Vertrag sollen Einsatz, Herstellung, Lagerung und Transport von Streumunition geächtet werden. Zudem sollen Blindgänger geräumt und betroffene Zivilisten unterstützt werden.

Deutschland ist ein Hersteller von Streumunition und lagert derzeit verschiedene Typen dieser Waffe.

„Deutschlands Unterstützung für den Vertrag ist sehr wichtig“, sagte Steve Goose, Leiter der Abteilung Waffen bei Human Rights Watch. „Aber der Versuch, einige der wichtigen Vertragsbestimmungen zu verwässern, könnte sich am Ende als sehr schädlich erweisen.“

Streubomben sind Waffen, die sich in der Luft öffnen und Dutzende oder Hunderte von kleineren Submunitionen freisetzen. Entweder aus der Luft abgeworfen oder von Artilleriegeschützen abgefeuert, stellen sie aus zwei Gründen eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar. Erstens werden durch die über weite Gebiete verteilte Submunition zivile Verluste geradezu sichergestellt, wenn die Waffe in der Nähe von bewohnten Gebieten eingesetzt wird. Zweitens explodieren viele dieser Submunitionen beim Einschlag nicht, sondern liegen als Blindgänger wie Landminen am Boden und verursachen zivile Verluste noch Monate und Jahre nach dem Abwurf.

Die Bundesregierung unterstützt den Vertrag zur Ächtung von Streumunition zwar, doch versucht sie Ausnahmen für DM-642 und DM-652 155mm Artillerie-Projektile zu erreichen, wovon jedes 63 bzw. 49 Submunitionen trägt. Deutschland besitzt insgesamt 130.894 dieser Projektile, die zusammen 8 Millionen Submunitionen enthalten.

Es war ein positiver Schritt, dass Deutschland Streumunition per Vertrag ausdrücklich ächten will. Aber es besteht auf einer Übergangsphase von sieben Jahren, in welcher der Einsatz dieser Waffen weiterhin möglich wäre.

„Wie kann man weiterhin Waffen einsetzen, deren schreckliche Wirkung für Zivilisten man bereits eingestanden hat?“ fragte Goose. „Deutschlands Position ist weder moralisch noch intellektuell zu rechtfertigen.“

Die deutschen Waffen sind den von Israel 2006 im südlichen Libanon von der Artillerie eingesetzten Streubomben sehr ähnlich. Sie hatten eine hohe Blindgängerrate und waren nach Kriegsende für fast 200 Opfer unter der Zivilbevölkerung verantwortlich. Während die negativen humanitären Auswirkungen dieser Waffe auf der Hand liegen, konnte Deutschland nicht ein einziges überzeugendes Szenario schildern, in dem diese Waffe – die noch niemals von deutscher Seite als Kampfmittel eingesetzt worden ist – grundlegend für die zukünftige Kampffähigkeit sind.

Die deutschen Verhandlungsteilnehmer wollen auch eine Bestimmung aus dem vorläufigen Vertragstext streichen oder massiv abschwächen, die es einem Vertragsstaat verbieten soll, andere Regierungen beim Einsatz von Streumunition während gemeinsamer Militäroperation zu unterstützen. Obwohl die USA nicht an den Vertragsverhandlungen teilgenommen haben, haben sie versucht, andere Regierungen durch aggressives Lobbying für die Aufnahme von so genannten „Interoperabilitätsbestimmungen“ in den Vertrag zu gewinnen. Diese sollen dafür sorgen, dass der Einsatz von Streumunition seitens der USA auch in Einsätzen der NATO und mit anderen Koalitionspartnern nicht verhindert werden kann.

„Fast alle europäischen Regierungen unterstützen den Vertrag, weil er Waffen ächtet, die großes menschliches Leid verursachen“, sagte Goose. „Wenn die europäischen Regierungen wirklich davon überzeugt sind, dann darf auch die NATO keine Streubomben einsetzen. Die deutsche Regierung darf dem Druck Washingtons nicht nachgeben.“

Deutschland hat angedeutet, dass es die Bestimmung des vorläufigen Vertragstextes ablehnt, die den Nutzern der Waffe eine besondere Verantwortung bei der Räumung bombardierter Gebiete überträgt. Zudem besteht Deutschland darauf, dass eine Klausel hinzugefügt wird, wodurch eine bestimmte Anzahl an Streumunition zu Trainings- und Forschungszwecken erlaubt sein soll.

Vor etwas mehr als einem Jahr verständigten sich in Oslo 46 Staaten darüber, einen Vertrag zur Ächtung von Streumunition, „die inakzeptables Leid in der Zivilbevölkerung verursacht“, bis Ende 2008 zu verabschieden. Der Vertrag wurde dann auf internationalen Konferenzen in Peru, Österreich und Neuseeland und regionalen Treffen in Kambodscha, Costa Rica, Serbien, Belgien, Sambia und kürzlich in Mexiko (16./17.April) weiterentwickelt und diskutiert.

Nach dem Abschluss der Verhandlungen in Dublin wird der Vertrag am 2. und 3. Dezember 2008 in Oslo zur Unterzeichnung vorliegen.

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