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Libanesische Behörden nehmen irakische Flüchtlinge ohne gültiges Visum auf unbestimmte Zeit fest, um sie zur Rückkehr in den Irak zu zwingen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

„Irakische Flüchtlinge im Libanon leben in ständiger Angst vor einer Festnahme”, so Bill Frelick, Direktor der Abteilung Flüchtlinge bei Human Rights Watch. „Festgenommene Flüchtlinge sitzen solange im Gefängnis, bis sie zustimmen, in den Irak zurückzukehren und den Gefahren dort ausgeliefert zu sein.“

Der 66-seitige Bericht „Rot Here or Die There: Bleak Choices for Iraqi Refugees in Lebanon” dokumentiert das Versagen der libanesischen Regierung, irakischen Flüchtlingen im Libanon einen legalen Status zuzusprechen. Zudem wird beschreiben, wie sich diese Politik auf das Leben der Flüchtlinge auswirkt.

Die Weigerung der libanesischen Regierung, den Aufenthalt irakischer Flüchtlinge zu legalisieren, betrifft nicht nur die relative geringe Anzahl der festgenommenen und gefangen gehaltenen irakischen Flüchtlinge. Deshalb leben die meisten irakischen Flüchtlinge in ständiger Angst vor einer Festnahme. Ohne einen legalen Status im Libanon sind sie Ausbeutung und Misshandlung durch Arbeitgeber und Vermieter ausgeliefert.

Human Rights Watch fordert die libanesische Regierung auf, irakischen Flüchtlingen einen vorläufigen legalen Status zu gewähren, der es ihnen wenigstens ermöglicht, ihre Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis zu verlängern. Abgesehen von den wenigen Irakern, die ihren Status gesetzlich regeln konnten, dürfen die meisten irakischen Flüchtlinge nicht arbeiten, und viele haben ihre Ersparnisse verbraucht. Obwohl irakische Kinder öffentliche Schulen besuchen dürfen, sind wenige tatsächlich angemeldet, da ihre Eltern Transport, Kleidung und Bücher nicht bezahlen können und die Kinder arbeiten müssen, um das Familieneinkommen zu sichern.

Alle Flüchtlinge aus dem Süden und dem Zentrum des Irak, die im Libanon oder in anderen Ländern des Nahen Ostens Zuflucht suchen, sind vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) als Flüchtlinge anerkannt. Doch der Libanon hat die Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet und erkennt Iraker nicht als Flüchtlinge an. Stattdessen betrachten die libanesischen Behörden alle Iraker als illegal, die widerrechtlich in den Libanon einreisen oder legal einreisen, dann aber die Frist ihres Visums überschreiten. Diese Vorgehensweise ist unabhängig davon, ob die Flüchtlinge einen Asylantrag stellen wollen. Irakische Flüchtlinge werden dann von den libanesischen Behörden festgenommen und müssen Bußgelder bezahlen.

Flüchtlinge zur Rückkehr in ein Land zu zwingen, in dem Leben und Freiheit in Gefahr sind, verstößt gegen den Grundsatz des „non-refoulement“. Er bezeichnet das absolute Verbot, eine Person an einen Ort zurückzuschicken, an dem ihr Verfolgung oder Folter droht.

„Die libanesische Regierung missachtet den Grundsatz des internationalen Flüchtlingsrechts, indem sie irakischen Flüchtlingen keine andere Wahl lässt, als auf unbegrenzte Zeit im Gefängnis zu bleiben oder in den Irak zurückzukehren“, so Frelick.

Von den 2,2 Millionen irakischen Flüchtlinge im Nahen Osten leben nur etwa 50.000 im Libanon. Zurzeit sitzen ungefähr 580 Iraker in libanesischer Haft. Der Libanon, ein Land mit nur 4 Millionen Einwohnern, darunter 250.000 bis 300.000 palästinensischen Flüchtlingen, muss diese Belastung fast ohne internationale Unterstützung tragen.

„Der Libanon ist nicht der Grund für die irakische Flüchtlingskrise, und die Libanesen wollen verständlicherweise nicht einem weiteren Flüchtlingsstrom in ihrem Land ausgesetzt sein“, so Nadim Houry, der in Beirut lebende Researcher für den Libanon von Human Rights Watch. „Die USA und andere Länder, die an der US-geführten Invasion im Irak teilgenommen haben, sollen sich daran beteiligen, für irakische Flüchtlinge im Libanon zu sorgen und dauerhafte Lösungen für sie zu finden.“

Der Bericht fordert Geberländer und Aufnahmeländer, besonders die an der Invasion im Irak beteiligten Staaten, dazu auf, schnell und großzügig auf die finanziellen Bitten des UNHCR zu reagieren. Zudem sollen diejenigen Flüchtlinge aufgenommen werden, die ihnen vom UNHCR zugewiesen worden sind. Die Aufnahmeländer sollen besonders diejenigen irakischen Flüchtlinge aufnehmen, die zurzeit in Haft sind und für die eine Umsiedlung der einzige Schutz gegen eine Zwangsrückkehr in den Irak sein könnte

Ausgewählte Zeugenaussagen aus dem Bericht von irakischen Flüchtlingen im Libanon:

„Niemand sagt mir, wie lange ich im Gefängnis bleiben muss. Ich sehe Menschen, die seit acht Monaten hier sind. Wenn ich meinen Status nicht legalisieren kann, werde ich zurück in den Irak gehen. Wenn ich zurück in den Irak gehe, werde ich getötet. Ich will nicht zurück gehen, aber es ist für mich besser zurückzugehen, als einen Tag länger mit Kriminellen eingesperrt zu sein.“
- Ein irakischer Flüchtling, der auf unbestimmte Zeit im Gefängnis Roumieh im Großraum Beirut sitzt.

„Wenn wir rausgehen, wissen wir nicht, ob wir wiederkommen werden. Wenn ich einen Polizisten oder einen Regierungsbeamten sehe, habe ich große Angst, auch wenn ich alt und krank bin. An jedem Kontrollpunkt können wir erwischt werden.“
- Ein irakischer Flüchtling, der illegal mit seiner Familie im Großraum Beirut lebt.

„Ich will nicht zurück in den Irak. Ich will im Libanon bleiben, auch wenn sie mir hier alle Knochen brechen, auch wenn ich mich hier nicht sicher fühle, weil wir illegal sind.“
- Ein irakischer Vater berichtete, wie er und sein Sohn von der libanesischen Regierung festgenommen worden waren, weil sie 2005 illegal ins Land gekommen sind. Nach einigen Monaten im Gefängnis Roumieh stimmten sie zu, in den Irak zurückzukehren, wenn sie dafür freigelassen würden. Als sie wieder im Irak waren, wurde der Sohn entführt. Nachdem der Sohn nach einer Lösegeldzahlung freigekommen war, flohen sie wieder in den Libanon, wo sie zurzeit illegal leben.

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