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Das Urteil im Dudschail-Prozess gegen Saddam Hussein weist schwerwiegende vom irakischen Hohen Strafgericht begangene sachliche und rechtliche Fehler auf, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Hintergrundpapier. Human Rights Watch lies das 300-seitige Urteil übersetzten, und nun liegt eine Analyse vor. Das zweite Urteil des Gerichts, das das Anfal-Verfahren betrifft, wird bald erwartet.

Im Dudschail-Prozess, der am 27. Juli 2006 abgeschlossen wurde, ging es um die Folgen eines Attentatsversuchs auf den damaligen Präsidenten Saddam Hussein im Juli 1982 in Dudschail. Saddam Hussein und drei weitere Männer wurden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und hingerichtet, nachdem das Urteil des Strafgerichts im Dezember 2006 auch im Berufungsverfahren bestätigt worden war. Das 34-seitige Hintergrundpapier "The Poisoned Chalice” dokumentiert sachliche und rechtliche Fehler in dem Urteil. „Wenn man das Urteil liest, wird klar, dass es sich mehr auf Annahmen stützt als auf Tatsachen auf der Grundlage von Beweisen“, so Richard Dicker, Leiter der Abteilung für Internationale Justiz von Human Rights Watch. „Wir haben untersucht, ob das Urteil von höherer Qualität war als der Prozessverlauf. Dies war aber nicht der Fall.“

Human Rights Watch dokumentierte fundamentale verfahrensrechtliche Mängel in dem Prozess. Festgestellt wurden unter anderem, dass der Gerichtshof nicht politisch unabhängig agierte und dass Beweise der Anklage der Verteidigung nicht zugänglich gemacht wurden, wodurch der Prozess internationale Standards nicht erfüllte. Die Analyse der Gerichtentscheidung vom 22. November 2006 durch Human Rights Watch belegt, dass die Mängel des Verfahrens auch die rechtliche Argumentation des Urteils betreffen.

Die wichtigsten von Human Rights Watch identifizierten sachlichen und rechtlichen Fehler im Urteilsspruch des Dudschail-Prozesses umfassen folgende Punkte:

• Es wurde lediglich die Regierungsverantwortung der Angeklagten herangezogen, um ihr Wissen und ihre Absicht zu bestimmen, Verbrechen begangen zu haben.
• Die tatsächlichen Befehlsstrukturen, um die Verantwortlichkeit der Vorgesetzten für ihre Untergeordneten festzustellen, wurden nicht aufgezeigt.
• Im Falle von Angeklagten niedrigeren Ranges wurde die Mitgliedschaft in der Baath-Partei als Beweis dafür angeführt, dass sie Verbrechen begehen wollten. Es wurden keine Beweise über die Beschaffenheit der Baath-Partei geliefert, sondern die Anklage stütze sich allein auf „Allgemeinwissen“, um die Absicht der einzelnen Angeklagten zu beweisen.
• In einer Vielzahl von Fällen wurden der Verteidigung Beweise der Anklage erst am Tag des Prozesses oder zu spät vorgelegt.

Die 17-seitige Entscheidung des Berufungsgerichts vom 26. Dezember 2006 verschärfte noch einmal die Fehler des ordentlichen Gerichts, indem es falsche rechtliche Schlüsse zog und Behauptungen als wahr annahm, die weit über die vom Gericht gefundenen Beweise hinausgingen.

„Die Analyse der Gerichtsurteile sowohl des ordentlichen Gerichts als auch des Berufungsgerichts zeigt deutliche Mängel in der Anwendung von grundlegenden internationalen strafrechtlichen Prinzipien“, so Dicker. „So wächst die Befürchtung, dass solche Mängel auch in dem Anfal-Urteil auftreten werden und es somit einer genauen Überprüfung nicht standhalten kann.“

In dem Anfal-Prozess sind sechs hochrangige Offiziere des ehemaligen irakischen Regimes angeklagt. Ihnen werden Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen aufgrund ihrer Rolle während der Anfal-Kampagne zur Ausrottung der kurdischen Bevölkerung im Nordirak vorgeworfen. Human Rights Watch führte 1992 intensive Untersuchungen im Nordirak durch und stellte fest, dass 1988 mindestens 50000 oder eventuell sogar 100 000 Kurden vorsätzlich und systematisch in einem Zeitraum von sechs Monaten getötet wurden, womit man von Völkermord sprechen kann. (https://www.hrw.org/reports/1993/iraqanfal/.)

Der Anfal-Prozess ist durch verfahrensrechtliche Mängel gefährdet. Unter anderem kam es zu politischer Einflussnahme, als etwa der vorsitzende Richter am 19. September 2006 durch den irakischen Premierminister und die Regierung entlassen wurde, weil seine Verhandlungsführung als zu vorteilhaft für die Angeklagten interpretiert wurde.

Human Rights Watch äußerte zudem Bedenken über Ungenauigkeiten in der Anklageschrift. Dies erschwerte es den Verteidigern, ihre Fälle vorzubereiten und Zeugen zu laden, die um ihre Sicherheit fürchteten. Der Anfal-Prozess endete am 10. Mai 2007, und ein Urteil wird bald erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert für fünf der sechs Angeklagten die Todesstrafe.

„Das Gericht hat das Recht der Angeklagten auf eine angemessene Verteidigung untergraben, indem die Staatsanwaltschaft ihre Anklagepunkte vage formulieren konnte und Zeugen der Verteidigung abgelehnt wurden“, sagte Dicker. „Das Gericht weigerte sich auch, Zeugenaussagen aus dem Ausland per Videoübertragung anzuhören.“

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