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USA: Gefangene aus geheimen CIA-Gefängnissen immer noch vermisst

Washington soll das Schicksal der von den USA verschleppten Personen aufklären

(New York, 27. Februar 2007) – Die US-Regierung soll über alle vermissten Gefangenen Rechenschaft ablegen, die vom amerikanischen Geheimdienst CIA gefangen gehalten worden sind, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

In dem 50-seitigen Bericht „Ghost Prisoner: Two Years in Secret CIA Detention” wird detailliert ein geheimes CIA-Gefängnis von einem ehemaligen palästinensischen Häftling beschrieben, der letztes Jahr freigelassen wurde. In einem offenen Brief forderte Human Rights Watch außerdem den Präsidenten der USA, George W. Bush, auf, Informationen über das Schicksal und das Verbleiben der vermissten Gefangenen offen zu legen.

„Präsident Bush teilte uns mit, dass die letzten 14 Gefangenen des Geheimdienstes nach Guantánamo verlegt worden sind, aber es gibt zahlreiche andere vom Geheimdienst „verschleppte“ Gefangene, deren Schicksal immer noch unbekannt ist“, so Joanne Mariner, Direktorin des Programms Terrorismus und Terrorismusbekämpfung von Human Rights Watch. „Die Frage ist: Was ist mit diesen Personen geschehen und wo sind sie jetzt?“

Anfang September waren 14 Gefangene von einem geheimen CIA-Gefängnis in Militärgewahrsam nach Guantánamo Bay gebracht worden. In einer Fernsehrede am
6. September teilte Präsident Bush mit, dass nach dieser Verlegung keine weiteren Gefangenen mehr in Gewahrsam des Geheimdienstes seien.

Der ehemalige CIA-Häftling Marwan Jabour hat Human Rights Watch von weiteren Personen berichtet, die sich in CIA-Gefangenschaft befanden, deren derzeitiges Verbleiben allerdings unbekannt sei. Jabour sah einen dieser Männer, den algerischen Terrorismusverdächtigen Yassir al-Jazeeri, noch im Juli 2006 in CIA-Gefangenschaft.

„Die Bush-Regierung muss vollständig Auskunft über jeden geben, der in CIA-Gefängnissen „verschwunden” ist, einschließlich der Namen, wo sie festgehalten wurden und wann sie die US-Gefangenschaft verlassen haben“, so Mariner.

Der Brief von Human Rights Watch an Bush enthält zwei Listen mit Namen vermisster Gefangener. Die erste Liste nennt 16 Personen, von denen Human Rights Watch annimmt, dass sie sich in CIA-Gefangenschaft befanden, deren derzeitiger Verbleib aber unbekannt ist. Die zweite Liste nennt 22 Personen, die eventuell in CIA-Gefängnissen gefangen gehalten wurden und deren derzeitiger Verbleib unbekannt ist.

Human Rights Watch ist besorgt darüber, was mit den vermissten Gefangenen passiert sein könnte. Eine Möglichkeit ist, dass die USA einige von ihnen in ausländische Gefängnisse verlegt hat, in denen sie weiterhin unter der Kontrolle der CIA sind.

Eine andere beunruhigende Möglichkeit ist, dass die Gefangenen an Orte verlegt wurden, wo sie gefoltert werden. Einige der vermissten Gefangenen könnten eventuell auch in ihre Heimatländer zurückgeschickt worden sein, unter anderem nach Algerien, Ägypten, Libyen und Syrien, wo ihnen Folter droht.

Der neue Bericht bietet die bisher umfangreichste Schilderung des Lebens in einem CIA-Gefängnis sowie neue Informationen über 38 mögliche Gefangene. Der Bericht macht deutlich, dass die Behandlung dieser Gefangenen durch die CIA „erzwungenes Verschwinden“ darstellt, was laut internationalem Recht verboten ist.

Marwan Jabour wurde im Mai 2004 von pakistanischen Behörden festgenommen und über einen Monat in einem geheimen Gefängnis in Islamabad festgehalten und schwer misshandelt. Dieses Gefängnis wurde von amerikanischem und pakistanischem Personal geführt. Im Juni wurde er in ein anderes geheimes Gefängnis geflogen, von dem er meint, es befinde sich in Afghanistan. Hier kam fast das gesamte Personal aus den USA.

Seine Kleidung wurde ihm bei seiner Ankunft weggenommen und er blieb für eineinhalb Monate nackt, auch während der Verhöre durch weibliches Personal und bei Filmaufnahmen. Er wurde so eng an die Wand seiner kleinen Zelle gekettet, dass er nicht aufstehen konnte. Er musste schmerzhafte Stresspositionen einnehmen, in denen er Atemschwierigkeiten hatte. Man sagte ihm, dass er in eine „Hunde-Box“ gesteckt würde, wenn er nicht mitarbeite.

Von den etwas mehr als zwei Jahren, die Jabour in diesem geheimen Gefängnis festgehalten wurde, verbrachte er die meiste Zeit allein in einer fensterlosen Zelle und hatte fast nur Kontakt zu den Wärtern. Obwohl er sich immer große Sorgen um seine Frau und seine drei jungen Töchter machte, erlaubte man ihm nicht einmal, ihnen einen Brief zu schicken, um ein Lebenszeichen von sich zu geben.

„Es war ein Grab”, teilte Jabour Human Rights Watch später mit. „Ich dachte mein Leben sei vorbei.“

Die Frau eines anderen ehemaligen CIA-Gefangenen, dessen Verbleib immer noch unbekannt ist, erzählte Human Rights Watch, dass sie ihre vier Kinder in Bezug auf das „Verschwinden“ ihres Mannes anlog. Sie sagte, sie könne es nicht übers Herz bringen, ihnen zu sagen, dass sie nichts über seinen Aufenthaltsort wisse.

„Ich hoffe, ich kann ihnen wenigstens sagen, wo und unter welchen Bedingungen ihr Vater festgehalten wird, falls sie eines Tages von seiner Gefangenschaft erfahren“, sagte sie.

Erzwungenes Verschwinden beinhaltet willkürliche, geheime und isolierte Inhaftierung und stellt ein ernstes Risiko für das Recht auf Leben und für Schutz vor Folter und anderen Misshandlungen dar. Wie diese Fälle deutlich machen, führt erzwungenes Verschwinden auch bei der Familie des „Verschwundenen“ zu erheblichem psychischen Schmerz und Schaden.

Human Rights Watch zeigte sich sehr besorgt über Präsident Bushs Aussage, dass der Military Commissions Act aus dem Jahr 2006 der Regierung erlaubt, das geheime Gefängnisprogramm der CIA wieder aufzunehmen. Human Rights Watch forderte die Bush-Regierung auf, geheime Inhaftierungen und Befragungen unter Gewaltandrohung im Kampf gegen den Terror abzulehnen. Inhaftierungen und Verhöre durch die CIA sollen endgültig beendet werden.

„Das CIA-Programm und seine Erfinder haben dem Ruf, der moralischen Stellung und Integrität der USA erheblichen Schaden zugefügt“, sagte Mariner. „Es ist Zeit für Präsident Bush, dieses Programm zu beenden und Schritte zu unternehmen, den angerichteten Schaden zu beheben.“

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