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Human Rights Watch und amnesty international haben Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in einem Offenen Brief aufgefordert, die Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches in Deutschland zu überprüfen. Anlass ist die Entscheidung des Generalbundesanwalts Kay Nehm, nicht gegen den früheren usbekischen Innenminister Sakir Almatow wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ermitteln.

Nach Ansicht der beiden Menschenrechtsorganisationen ist Almatow dafür verantwortlich, dass die usbekischen Sicherheitskräfte am 13. Mai in der Stadt Andischan hunderte friedlicher Demonstranten, darunter wehrlose Frauen und Kinder, erschossen haben. Die usbekische Regierung spricht von 187 Toten, in Wirklichkeit wird die Zahl der Opfer aber viel höher geschätzt. Bis heute lässt die usbekische Regierung jedoch keine unabhängige Untersuchung des Massakers zu. Anstatt aufzuklären, unterdrückt sie Informationen und versucht, Zeugen zum Schweigen zu bringen. Seit Andischan wurden Repressionen gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die die Gräuel angeprangert haben, massiv verstärkt. Anstatt die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wurden viele der Demonstranten in regelrechten Schauprozessen abgeurteilt. Die Öffentlichkeit war von diesen Prozessen, die keineswegs rechtststaatlichen Prinzipien entsprachen, bis auf einen ausgeschlossen.

Als ehemaliger Innenminister ist Sakir Almatow auch verantwortlich für die systematische Anwendung von Folter in Gefängnissen und auf Polizeistationen, die der VN-Sonderberichterstatter für Folter schon 2003 in einem Bericht angeprangert hat. Human Rights Watch und usbekische Geschädigte hatten deshalb am 12. Dezember 2005 bei der Generalbundesanwaltschaft Stafanzeige gegen Almatow erstattet. Zu diesem Zeitpunkt hielt Almatow sich vermutlich noch für einen Krankenhausaufenthalt in Deutschland auf.

Der Generalbundesanwalt hatte unter Hinweis auf §153 Strafprozessordnung die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt, weil „ die Aufnahme von Ermittlungen keinen nennenswerten Aufklärungserfolg verspricht“.

„Die Entscheidung Nehms, dass deutsche Ermittlungsbehörden nicht tätig werden könnten, ist völlig unverständlich“, sagte Barbara Lochbihler. „Damit wird das neue Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) ausgehöhlt, denn es war genau für jene Fälle geschaffen worden, in denen Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land nicht verfolgt werden“. Als Folge des Massakers hatte die Europäische Union im letzten Jahr das Partnerschaftsabkommen mit Usbekistan teilweise ausgesetzt und ein Einreiseverbot für führende Mitglieder der usbekischen Regierung erlassen, darunter Almatow. Die Bundesregierung hatte Almatow jedoch aus humanitären Gründen zur medizinischen Behandlung die Einreise erlaubt. Unabhängig davon, ob er sich in Deutschland aufhielt oder nicht, die Aufnahme von Ermittlungen wäre auch nach seiner Abreise möglich gewesen. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass eine Strafverfolgung von vornherein nicht beabsichtigt war, obwohl sie rechtlich wie praktisch durchführbar gewesen wäre,“ sagte Marianne Heuwagen.

Die Entscheidung des Generalbundesanwalts ist um so unverständlicher, als hochrangige VN-Vertreter die Anzeige von Human Rights Watch ausdrücklich unterstützt und sich öffentlich für eine Strafverfolgung Almatows in Deutschland ausgesprochen haben. So hatten der ehemalige Präsident des ad hoc Tribunals der Vereinten Nationen zum ehemaligen Jugoslawien, Antonio Cassese, der ehemalige VN-Sonderberichterstatter für Folter, Theo van Boven, sowie der gegenwärtige VN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, die Anzeige von Human Rights Watch ausdrücklich unterstützt und sich öffentlich für eine Strafverfolgung Almatows in Deutschland ausgesprochen bzw. auf die ihnen vorliegenden Beweismaterialien hingewiesen. Die Generalbundesanwaltschaft hat offenbar nicht bei diesen Experten nachgefragt, um die Darstellungen der usbekischen Botschaft zu überprüfen.

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