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Der oberste Gerichtshof Usbekistans hat heute alle 15 Angeklagten, die im Zusammenhang mit den Gewalttaten vom vergangenen Mai in Andischan vor Gericht standen, in einem nach internationalen Maßstäben unfairen Schauprozess für schuldig befunden.

"Das Ergebnis war absehbar," sagte Holly Cartner, Human Rights Watch's Direktorin für Europa und Zentralasien. "Die Angeklagten hatten keine richtige Möglichkeit, sich zu verteidigen, und das Gericht war in keiner Weise unabhängig."

Den 15 Angeklagten wurde vorgeworfen, dass sie die Vorgänge des 13. Mai organisiert hätten. An diesem Tag hatte eine Gruppe bewaffneter Männer Waffen aus einer Militärkaserne und einer Polizeistation geplündert, einen Sturm auf ein Gefängnis angeführt, um Geschäftsleute zu befreien, die dort zu unrecht als islamische Extremisten festgehalten worden waren, und Beamte im örtlichen Regierungsgebäude als Geiseln gehalten. Später wuchs der Protest zu einer Demonstration an, bei der Tausende von Menschen ihre Wut über die wachsende Armut und staatliche Unterdrückung kundgaben. Die usbekische Regierung reagierte mit unvorstellbarer Gewalt und richtete ein Blutbad unter den unbewaffneten Demonstranten an. Weitere Informationen dazu finden Sie im Bericht

Die Anklage gegen die 15 Männer umfasste mehr als 30 Vergehen aus dem Usbekischen Strafgesetzbuch, darunter Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation, Mord und Terrorismus. Die Männer bekannten sich gleich zu Anfang des Prozesses in allen Anklagepunkten schuldig und einige baten sogar, dass man sie zum Tode verurteile. Ihre Aussagen stimmten weitgehend mit der Anklageschrift überein – in einigen Geständnissen wurden lange Passagen der Anklageschrift wortgenau zitiert – und entsprachen auch der offiziellen Darstellung der Ereignisse in den usbekischen Medien.

"Wir sind sehr besorgt, dass die Geständnisse der Angeklagten unter Folter erzwungen wurden." sagte Cartner.

Human Rights Watch hat starke Zweifel, dass der Prozess den internationalen Grundsätzen für ein faires Verfahren entsprach. Die Angeklagten hatten keinen kompetenten und effektiven Rechtsbeistand und konnten mit ihren Pflichtverteidigern nicht vertraulich kommunizieren. Außerdem waren die Pflichtverteidiger eher damit bemüht, die Verteidigung ihrer Klienten zu untergraben, als sie zu unterstützen. So plädierte nicht ein einziger der Anwälte, dass sein Mandant unschuldig sei, keiner zog die Beweisführung der Anklage in Zweifel und alle wiesen darauf hin, dass ihre Mandanten sofort gestanden und den Präsidenten Usbekistans um Vergebung gebeten hätten.

Sechs dieser Anwälte sprachen am Anfang ihrer Ausführungen den Einwohnern Andischans ihr Beileid aus und gingen sogar so weit, sie um Vergebung zu bitten, dass sie solch "schuldhafte Personen" verteidigten. Dies ist eine grobe Beeinträchtigung des Rechts eines Angeklagten auf eine kompetente und effektive Verteidigung und verstößt gegen das grundlegende Prinzip, nach dem ein Anwalt alles in seiner Kraft stehende tun muss, um die Rechte und Interessen seines Mandanten zu wahren.

Während der Verhandlung präsentierte die Regierung eine lange Reihe von Zeugen und Opfern, deren Aussagen die offizielle Regierungsversion der Ereignisse des 13. Mai bestätigten. Allerdings trugen sie wenig dazu bei, um Licht in die Geschehnisse dieses Tages zu bringen, und es wurde fast fast nichts zutage gefördert, was die persönliche Schuld der 15 Angeklagten bewiesen hätte. Nur eine Zeugin, Mahbuba Zokirova, hatte den Mut, der offiziellen Darstellung zu widersprechen. Sie überraschte das Gericht mit einer erschütternden Schilderung des brutalen Vorgehens der Regierung in Andischan.

Am Ende der Beweisführung lagen nur die Aussagen der Angeklagten, Zeugen und Opfer, sowie vertrauliche Informationen der staatlichen Kriminaluntersuchung vor. Die Anklage reichte keine forensischen, ballistischen oder medizinischen Untersuchungsergebnisse ein, zeigte keine Beweisstücke und lud keine Sachverständigen als Zeugen vor. Keine Verwandten der Angeklagten waren bei der Verhandlung zugegen, was Anlass zur Sorge gab, dass ihnen die Teilnahme am Prozess nicht gestattet wurde oder sie eingeschüchtert wurden. Statt dessen war die Galerie des Gerichts mit Zeugen der Regierung und Zivilbeamten des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB) gefüllt.

Obwohl usbekische Sicherheitskräfte Hunderte von Demonstranten töteten, als diese versuchten, vom Ort der Kundgebung in Andischan zu fliehen, hat die Regierung noch immer nichts unternommen, um die Verantwortlichen für das Massaker zu finden oder zur Rechenschaft zu ziehen. Statt dessen hat sie jegliche Verantwortung von sich gewiesen und unterdrückt alle Stimmen, die eine unabhängige und transparente Untersuchung fordern.

Nach dem Massaker gingen die usbekischen Behörden aggressiv gegen Menschenrechtler, unabhängige Journalisten und politische Aktivisten vor, die versuchten, die Wahrheit über die Geschehnisse des 13. Mai und der folgenden Tage zu verbreiten. Diese Personen wurden unter vorgetäuschten Anklagen verhaftet, geschlagen, bedroht, überwacht oder praktisch unter Hausarrest gestellt. Sie wurden auch von Banden angegriffen und in Anprangerungen im Soviet-Stil gedemütigt.

"Im Prozess wurde nicht geklärt, welche Regierungskräfte auf die unbewaffneten Demonstranten schossen oder wer den Befehl dazu erteilte.", sagte Cartner. "Die usbekische Regierung sollte unverzüglich eine unabhängige und glaubwürdige internationale Untersuchung zulassen, damit diese Fragen endlich beantwortet werden können."

Die Verhandlung vor dem obersten Gericht begann am 20. September und ist bloß der erste von vielen Prozessen, die im Zusammenhang mit den Ereignissen von Andischan erwartet werden. Nach offiziellen Angaben befinden sich über 100 Menschen in Haft, gegen die wegen der Vorkommnisse in Andischan Anklage erhoben wurde. Es wird erwartet, dass deren Gerichtsverhandlungen demnächst beginnen werden.

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