Skip to main content

Die Schüsse der usbekischen Sicherheitsbehörden auf unbewaffnete Demonstranten in Andischan waren ungerechtfertig, erklärte Human Rights Watch am Dienstag. In der bisher eingehendsten Untersuchung der Tragödie bezeichnet die Menschenrechtsorganisation die Vorfälle im Osten Usbekistans als Massaker.

Der Bericht “Bullets Were Falling Like Rain”: The Andijan Massacre May 13, 2005” (Gewehrkugeln fielen wie Regen: Das Massaker von Andischan, 13. Mai 2005) stützt sich auf die Aussagen von 50 Opfern und Zeugen. Human Rights Watch beschreibt den Einsatz von tödlicher Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten, die Versuche der Regierung, Zeugen einzuschüchtern, und bringt die Vorfälle mit der sich verschlechternden Menschenrechtssituation in Usbekistan in Verbindung.

Der Einsatz der Gewalt durch die usbekische Regierung stand in keinem Verhältnis zur Gefahr, die von den bewaffneten Männern, die am Bobur Platz anwesend waren, ausging, so Human Rights Watch.

„Die usbekischen Behörden versuchen dieses Massaker zu vertuschen“, erklärte Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. „Unsere Arbeit ist ein erster Schritt, die Dinge richtig zu stellen. Aber nur eine internationale Untersuchung, die Zugang zu allen Dokumenten hat, kann die ganze Wahrheit über die tragischen Ereignisse in Andischan herausfinden.“

Tausende Menschen demonstrierten am 13. Mai dieses Jahres am Bobur Platz in Andischan. Der Protest ging von einigen Leuten aus, die davor Waffen in einem Wachzimmer und einem Militärstützpunkt in ihrem Besitz gebracht hatten. Sie befreiten lokale Geschäftsleute, die ungerechtfertigter Weise beschuldigt wurden, islamische Extremisten zu sein, aus dem Gefängnis und besetzten das Gebäude der Regionalregierung. Tausende Leute schlossen sich der Demonstration an, um ihren Unmut über die wachsende Armut und die Unterdrückung durch die Regierung auszudrücken.

„Die bewaffnete Gruppe beging schwere Vergehen“, so Roth, „und natürlich hatte die Regierung die Pflicht, sie zu stoppen. Aber das berechtigt nicht dazu, Menschen massenweise zu erschießen.“

Laut Roth lässt der Bericht von Human Rights Watch viele Fragen offen, wie zum Beispiel die genaue Anzahl der Toten. Eine vollständige Untersuchung müsse ballistische Experten, Gerichtsmediziner und Kriminologen miteinbeziehen und Zugang zu Kranken-, Leichenschauhäusern und amtlichen Aufzeichnungen haben.

Die Regierung in Taschkent lehnte eine internationale Untersuchungskommission ab. Vergangene Woche erklärte der usbekische Außenminister, dass ausländische Diplomaten die Untersuchung, die das usbekische Parlament durchführt, beobachten könnten.

„Die Regierung von Usbekistan ist bekannt für Zensur und Unterdrückung und bisherige Menschenrechtsverletzungen blieben ungestraft“, meinte Roth. „Die Behörden haben ganz klar versucht, das wahre Ausmaß und die Hintergründe der tödlichen Schüsse zu vertuschen. Eine parlamentarische Untersuchung wäre, selbst mit internationaler Teilnahme, nicht sehr glaubhaft.“

Zahlreiche Zeugen erklärten gegenüber Human Rights Watch, dass Sicherheitskräfte aus gepanzerten Fahrzeugen beliebig in die Menge feuerten, obwohl die Mehrzahl der Demonstranten unbewaffnet war. Sie beschrieben nur einen Fall, wo die Sicherheitskräfte zuerst in die Luft schossen. Sonst hätten sie ohne Warnung in die Menge gefeuert.

Nachdem die Einsatzkräfte das Gebiet um den Platz abgesperrt hatten, schossen sie laut Zeugenaussagen auch auf Menschen, die den Protest verlassen wollten. Eine Gruppe flüchtender Demonstranten sei einfach dahingemetzelt worden. Nur einige wenige der 400 Menschen hätten überlebt.

Nach dem Massaker verbannten die usbekischen Behörden Journalisten von Andischan und konfiszierten ihr Material. Der Zugang zur Stadt für Angehörige der Presse wurde untersagt.

Laut Human Rights Watch, befürchten die Einwohner von Andischan Sanktionen, wenn sie über die Vorfälle sprechen. Die Menschen seien von Sicherheitskräften eingeschüchtert worden und würden darauf bestehen, anonym zu bleiben.

Die usbekischen Behörden lehnen jede Verantwortung für das Massaker ab. Die Regierung spricht von 173 Toten. Dies inkludiere Sicherheitskräfte, Zivilisten, die von den Attentätern getötet wurden, und die Attentäter selbst. Laut der Regierung sind die Attentäter „islamische Extremisten“ mit Unterstützung aus dem Ausland.

Human Rights Watch fand keine Hinweise dafür, dass die Redner bei der Kundgebung islamische Ideen vertraten. Laut anderen Teilnehmern sprachen sie über Armut, Korruption und Unterdrückung durch die Regierung. Augenzeugenberichten zufolge liegt die Zahl der Toten bei weitem höher als die Regierung eingesteht.

Human Rights Watch forderte die USA auf, mit Usbekistan keine weiteren Gespräche über den permanenten Verbleib des US-Militärstützpunktes zu führen. Die Menschenrechtsorganisation appellierte auch an die Europäische Union, das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen so lange auszusetzen, bis die usbekische Regierung eine unabhängige internationale Untersuchung der Todesfälle vom 13. Mai zulässt.

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.