(New York, 30. März 2005) – Ein jemenitischer Geschäftsmann, der in Ägypten gefangen genommen und anschließend den amerikanischen Behörden übergeben wurde, war über eineinhalb Jahre lang „verschwunden“, bevor er in das Häftlingslager des kubanischen Marinestützpunkts an der Guantánamo-Bucht eingewiesen wurde.
In einem neuen Bericht hat Human Rights Watch Detailinformationen über den bisher noch nicht aufgegriffenen Fall von `Abd al-Salam `Ali al-Hila veröffentlicht. Al-Hila wurde als jemenitischer Terrorverdächtiger 2002 in Kairo von ägyptischen Behörden festgenommen und ist derzeit in Guantánamo inhaftiert.
In letzter Zeit wurde der Auslieferung von Verdächtigen durch die USA an Drittländer viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der al-Hila-Fall ist jedoch ein neuer Beweis für Auslieferungen, die in gegengesetzter Richtung stattfinden: Ausländische Behörden nehmen Verdächtige in Situationen fest, die keinen Zusammenhang zu Kampfhandlungen aufweisen, und händigen diese Verdächtigen den Vereinigten Staaten von Amerika aus, ohne Berücksichtigung grundlegender Schutzmaßnahmen, die sonst für verdächtige Kriminelle gelten.
„Al-Hila wurde praktisch auf den Straßen von Kairo entführt und ‚verschwand‘ anschließend in amerikanischem Gewahrsam“, erklärt John Sifton, ein Forscher von Human Rights Watch. „Unabhängig davon, welche Behauptungen gegen ihn geltend gemacht werden, Al-Hila hätte vor Gericht gestellt werden sollen und man hätte ihm die Möglichkeit geben müssen, rechtliche Schritte gegen seine Festnahme zu ergreifen.“
Im Human Rights Watch-Bericht „Cairo to Kabul to Guantanamo: the `Abd al-Salam `Ali al-Hila Case” (Von Kairo über Kabul nach Guantánamo: der Fall von `Abd al-Salam `Ali al-Hila) wird genau erklärt, wie al-Hila, ein jemenitischer Geheimdienstoberst und Geschäftsmann, der in den 90er-Jahren an der Unterstützung arabischer Islamisten beteiligt war, am 19. September 2002 von ägyptischen Behörden auf einer Geschäftsreise in Kairo festgenommen wurde. Nach Aussagen der Behörden in Jemen sowie des Bruders von al-Hila wurde al-Hila innerhalb von zehn Tagen nach Baku (Aserbaidschan) und anschließend zum Luftstützpunkt in Bagram (Afghanistan) gebracht. Mitte 2004 wurde al-Hila letztendlich in das amerikanische Häftlingslager an der Guantánamo-Bucht (Kuba) eingewiesen.
Vor seiner Festnahme in Kairo stand al-Hila, der Vater von drei Kindern ist, in täglichem Kontakt mit seiner Familie in Jemen. Nach seinem „Verschwinden“ im September 2002 erhielt seine Familie bis April 2004 kein Lebenszeichen von ihm. Es war nicht klar, wo sich al-Hila aufhielt, bis einer seiner Briefe aus Afghanistan herausgeschmuggelt wurde (der Bericht enthält die Übersetzung des gesamten Briefs). Der Brief wurde von den jemenitischen Behörden im April 2004 freigegeben. Al-Hila schickte aus Afghanistan über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz weitere Briefe an seine Familie und in letzter Zeit kamen Briefe aus Guantánamo.
Beim al-Hila-Fall handelt es sich um keinen Einzelfall. Mehrere Häftlinge wurden außerhalb Afghanistans, weit weg von jeglichen Kampfhandlungen, festgenommen und nach Guantánamo gebracht, ohne dass dabei die in der Strafgesetzgebung verankerten Schutzmaßnahmen berücksichtigt wurden. Laut Human Rights Watch wurden beispielsweise sechs in Bosnien festgenommene Algerier im Januar 2002 an die amerikanischen Behörden ausgeliefert (obwohl der oberste Gerichtshofs von Bosnien ihre Freilassung verfügt hatte) und anschließend nach Guantánamo gebracht. Weitere Verdächtige wurden außerhalb Afghanistans festgenommen und als „feindliche Kämpfer“ inhaftiert.
„Die Bush-Regierung ist weiterhin der Meinung, dass allein durch das Erwähnen des Worts „Terror“ Menschen an jedem beliebigen Ort dieser Erde und ohne Kontrollmaßnahmen festgenommen werden können“, kommentiert Sifton. „All diese Fälle lassen jedoch lediglich darauf schließen, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika nicht durch Rechtsgrundsätze gebunden fühlen. Terrorismus lässt sich nicht dadurch stoppen, dass man sich von Recht und Gesetz abwendet.“