Skip to main content

Es ist ein langes Tauziehen - aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Seit zwei Jahren werden in Guantanamo über 600 Gefangene ohne Anklage festgehalten - in völliger rechtlicher Ungewissheit.

Es ist ein langes Tauziehen - aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Seit zwei Jahren werden in Guantanamo über 600 Gefangene ohne Anklage festgehalten - in völliger rechtlicher Ungewissheit.

Dies stellt eine eklatante Verletzung der Genfer Konventionen dar. Zur Zeit trifft die Bush-Regierung letzte Vorbereitungen, um einige der Gefangenen von Guantanamo vor spezielle Militärkommissionen zu stellen. Doch diese Militärkommissionen würden nicht nur internationalen Recht, sondern auch amerikanisches Recht missachten. Deshalb wird sich jetzt auch der Oberste Gerichtshof mit den Gefangenen befassen.

In der Hoffnung, wenigstens für die zwei britischen Gefangenen faire Verfahren zu erwirken, war der britische Generalstaatsanwalt, Lord Goldsmith, in den letzten Monaten in zähe Verhandlungen mit Washington verstrickt. Die britischen Gefangenen befinden sich unter den ersten sechs Beschuldigten, die vor den Tribunalen verhandelt werden sollen. Die Bush-Regierung hat nun versprochen, dass die zwei Briten nicht hingerichtet würden. Dieses Zugeständnis wurde dem britischen Partner im Irak-Krieg gemacht und könnte möglicherweise auf einige andere ausgeweitet werden. Dank der erfolgreichen britischen Intervention, ist es außerdem wahrscheinlicher, dass alle Beschuldigten das Recht haben werden, sich vertraulich mit ihren Verteidigern zu unterhalten.

In anderen Punkten wurde Lord Goldsmith von der Bush-Regierung enttäuscht - was nichts Gutes für die mehr als 600 anderen Gefangenen, die vor die Kommissionen gebracht werden könnten, ahnen lässt. Da die Mittel "geheimer" Diplomatie offensichtlich ausgeschöpft wurden, hängt ihr Schicksal jetzt davon ab, ob die internationale Gemeinschaft gegen ihre Behandlung protestieren wird.

In Übereinstimmung mit der Vorliebe der Bush-Regierung für unilaterale Politik im Kampf gegen den Terrorismus, sind die geplanten Militärkommissionen so konzipiert, dass ein Angeklagter zu keinem Zeitpunkt vor einem unabhängigen Gericht erscheinen wird - nicht einmal im Rechtsmittelverfahren. Dies bedeutet praktisch, dass kein unabhängiger Richter ein Urteil abändern kann, welches unter anderem auf der Grundlage eines Geständnisses basieren könnte, das möglicherweise durch unrechtmäßige Vernehmungsmethoden erlangt wurde.

Diese Unrechtmäßigkeit der Militärkommissionen sollte von Regierungen weltweit verurteilt werden. Selbst gegen Urteile des amerikanischen Militärgerichtssystems kann ein Rechtsmittel vor einem Zivilgericht eingelegt werden. Wobei das Verfahren dann bis vor das höchste US-Gericht gebracht werden kann. Dagegen würde bei den geplanten Militärkommissionen ein Rechtsmittel nur an Präsident Bush, Verteidigungsminister Rumsfeld oder deren Vertreter gehen. Es erübrigt sich, sie als neutrale Schiedsrichter zu bezeichnen. Insbesondere da Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld die Guantanamo-Gefangenen bereits für schuldig erklärt haben, indem sie sie als "schlechte Menschen" und "das Schlimmste vom Schlimmsten" bezeichneten. Defacto hat die Bush-Regierung sich selbst als Ankläger, Richter und Jury ernannt.

Auf das Drängen des britischen Generalstaatsanwalts, Lord Goldsmith, hin, hat sich Washington nun bereit erklärt, einige Gefangene vor eine richterliche Berufungskommission zu stellen. Jedoch können diese Richter nach Belieben von Bush oder Rumsfeld ersetzt werden.

Im Bezug auf das Verfahren der Militärkommissionen, hat der Angeklagte kein Recht die ihn belastenden Beweise einzusehen. Dazu gehören alle Beweise, die von der Regierung als "geheim" qualifiziert wurden. Dem Angeklagten wird somit eine effektive Verteidigung unmöglich gemacht.

Einzig die vom Pentagon ernannten Verteidiger werden Zugang zu den "geheimen" Beweisen haben. Selbst wenn ein vom Militär berufener Verteidiger das Vertrauen seines Klienten gewinnen würde, dürfte er keine der vorliegenden Beweise mit seinem Klienten besprechen. Dem Beschuldigten wird es also so gut wie unmöglich sein, Gegenbeweise vorzulegen, die seine Unschuld beweisen könnten. Die gleiche Regelung gilt für den Fall, dass der Angeklagte kein Vertrauen zu dem vom Pentagon ernannten Anwalt haben sollte und einen eigenen Anwalt ernennen will. Auch dieser hätte keinen Einblick in die "geheimen" Beweise, obwohl er einem speziellen Sicherheitsverfahren unterzogen werden würde. Verfahren, die unter diesen Umständen geführt werden, stellen eine groteske Parodie der Justiz dar.

Die Bush-Regierung hat sich bereits eine Meinung über die bösartige und gefährliche Natur der Guantanamo-Gefangenen gemacht und ist wenig geneigt, Sympathien für diese zu zeigen. Auch ihre klare Tendenz zum Unilateralismus zeigt, dass sie sich wenig um die Regeln des internationalen Völkerrechts scheren. Der beste Weg, um die Bush-Regierung von den Vorteilen eines fairen Verfahrens zu überzeugen, ist an einen einfachen Pragmatismus zu appellieren.

Washington muss endlich begreifen, dass seine "Scheingerichte" schlecht für die Kampagne gegen den Terrorismus sind. Effektive Terrorismusbekämpfung geschieht nicht, indem verdächtige Personen eingesperrt oder sogar getötet werden. Vielmehr erfordert es globale Überzeugungsarbeit, um die Wichtigkeit des internationalen Rechts, dass das willkürliche Töten von Zivilisten verbietet, klarzustellen. Jedoch setzt sich die Bush-Regierung in Guantanamo genau über dieses Gesetz, das auf der anderen Seite genauso den Terrorismus verbietet, hinweg.

Dies ist nicht nur ein abstraktes rechtliches Argument. Wenn die Vereinigten Staaten - die Supermacht - sich gesetzlos benimmt, wird in den Teilen der Welt, wo die Kampagne gegen den Terrorismus zu gewinnen oder zu verlieren ist, der Unmut gegen Amerika wachsen. Bestenfalls wird dieser Unmut dazu führen, dass die Menschen weniger bereit sind, im Kampf gegen den Terrorismus mit den USA zu kooperieren und verdächtige Aktivitäten der Polizei zu berichten oder dem Nachbar oder einem Familienmitglied abzuraten, an einem terroristischen Akt teilzunehmen. Schlimmstenfalls wird der Unmut gegen die USA dazu führen, dass die al-Qaida an Mitgliedern gewinnt. Selbst wenn sich nur ein oder zwei Personen einer Terrororganisation anschließen, kann dies allein zu einem Desaster führen.

Bei dieser Überzeugungsarbeit hat Deutschland eine wichtige Rolle zu spielen. Wie bereits die führende Position bei der Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs zeigt, ist Deutschland eines der einflussreichsten und konsequentesten Verteidiger des internationalen Völkerrechts. Nun sollte diese Autorität zur Einhaltung des internationalen Rechts auf Guantanamo ausgeübt werden.

Die seit dem Irakkrieg immer noch gespannte Beziehung zwischen Berlin und Washington hat die Bundesregierung jedoch vorsichtig werden lassen. Doch es steht mehr auf dem Spiel als eine persönliche Beziehung zwischen dem deutschen Kanzler und dem amerikanischen Präsidenten. Die Lage in Guantanamo droht, das internationale Recht, das Deutschland so maßgeblich mit aufgebaut hat und den Kampf gegen gewalttätigen Extremismus, den Deutschland so erfolgreich mitbekämpft hat, zu Nichte zu machen. Diese Gründe sollten mehr als ausreichend sein, um Deutschland zu ermutigen, die Bush-Regierung in ihrem unrechtmäßigen und selbstzerstörerischen Verhalten in Guantanamo zu verurteilen.

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.