Jüngsten offiziellen Daten zufolge hat die Inflation in Deutschland im Januar und Februar 2023 8,7 Prozent erreicht. Die Energiepreise stiegen im Januar um 23,1 Prozent und die Lebensmittelpreise im Februar um 21,8 Prozent. Diese drastischen Steigerungen führen dazu, dass sich viele Haushalte, insbesondere solche mit Kindern, keinen angemessenen und würdigen Lebensstandard mehr leisten können.
Die stark steigenden Preise für Waren und Dienstleistungen, die für ein menschenwürdiges Leben unerlässlich sind, haben im Alltag eindeutig geschlechtsspezifische Auswirkungen. Familien mit alleinerziehenden Eltern in Deutschland, von denen 88 Prozent von Frauen geführt werden, sind unter den Haushalten mit niedrigem Einkommen überrepräsentiert.
In den vergangenen Wochen befragte Human Rights Watch elf berufstätige alleinerziehende Mütter in Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Alle bis auf eine berichteten, dass sie weniger eiweißhaltige und frische Produkte konsumieren und ganze Mahlzeiten auslassen, damit ihre Kinder etwas zu essen haben, oder nur einen Raum in ihrer Wohnung heizen (das Schlafzimmer der Kinder oder das Wohnzimmer, das als gemeinsamer Schlafplatz genutzt wird).
„Maggie“, eine 36-jährige Angestellte im Pflegewesen und alleinerziehende Mutter mit geringem Einkommen, sprach mit uns an ihrem Küchentisch über ihre monatlichen Ausgaben und ihre finanzielle Situation, während ihr 4-jähriges Kind im Nebenzimmer schlief. Maggie erzählte von ihrer Situation als Alleinerziehende mit geringem Einkommen:
„Das macht etwas mit deinem Kopf. Es ist eine permanente Existenzangst. [...] Man geht eigentlich jeden Tag mit allem über seine Grenzen. Und ich als Mensch existiere nicht mehr im Moment.“
Maggie ist mit ihrer Situation nicht allein. Zehn der elf von uns befragten Frauen erzählten uns, dass sie im vergangenen Jahr beim Heizen, bei Lebensmitteln oder bei beidem gespart haben, um ihre Kinder zu versorgen. Unsere umfangreiche Online-Umfrage zeichnet ein ähnliches Bild. Dieser Trend hat sich mit einer erschreckenden Geschwindigkeit normalisiert.
Menschen in Europas größter Volkswirtschaft sollten nicht um ihre gesetzlich garantierten sozialen und wirtschaftlichen Rechte kämpfen müssen, einschließlich ihres Rechts auf Nahrung, Wohnraum und einen angemessenen Lebensstandard. Dennoch höen wir während unserer Recherche immer wieder, dass Menschen sich keinen angemessenen Lebensstandard mehr leisten können. Deutschland hat ein Armutsproblem, das besonders Frauen und Kinder betrifft: Es ist Zeit, das Problem anzuerkennen und im Rahmen eines rechtebasierten Ansatzes langfristige politische Lösungen zu entwickeln.