(New York, 21. Juli 2009) - Iranische Behörden zwingen verhaftete Anhänger oppositioneller Präsidentschaftskandidaten, führende Reformer mit illegalen Handlungen in Verbindung zu bringen, so Human Rights Watch. Sicherheitskräfte haben auch den Druck auf die Familien der Inhaftierten erhöht, damit sie über deren Festnahme schweigen.
Familienmitglieder und kürzlich entlassene Gefangene berichteten Human Rights Watch, dass sie zu Geständnissen gezwungen wurden. Am 15. Juli 2009 sagte Irans Minister für den Geheimdienst, Gholamhussein Mohseni Ejeie, dass die Geständnisse der Gefangenen öffentlich gemacht werden könnten, falls die Justiz dies entscheidet.“
„Es ist erschreckend, dass der Minister für den Geheimdienst es tatsächlich in Erwägung zieht, Geständnisse zu veröffentlichen, die von Menschen gemacht wurden, die wochenlang gefangen waren und keinen Zugang zu einem Anwalt hatten“, sagte Joe Stork, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten und Nord-Afrika von Human Rights Watch. „Die Aussage des Ministers unterstreicht unsere Befürchtungen, dass die so genannten Geständnisse erzwungen wurden.“
Nach den umstrittenen Wahlen vom 12. Juli ließ die Regierung Hunderte politische Dissidenten und Anhänger der reformorientierten Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mousavi und Mehdi Karrubi verhaften. In vielen Fällen weigerten sich die Behörden, Informationen über die Haftbedingungen preiszugeben. Einige der festgenommenen Regimekritiker, einschließlich Mostafa Tajzadeh, Behzad Nabavi und Hamzeh Ghalebi, hatten seit ihrer Verhaftung vor über einem Monat keinen Kontakt mehr mit ihren Familien.
Ein kürzlich aus Teherans Evin-Gefängnis entlassener Häftling beschrieb die Situation dort als „schrecklich“. Er berichtete Human Rights Watch, wie Gefängniswächter die Aussage eines Gefangenen auf Video aufgenommen hatten. Der Gefangene, der Koordinator von Mousavis Wahlkampagne war, „gestand“, dass Tajzadeh und andere Oppositionelle für die „Aufstände“ nach den Wahlen verantwortlich waren.
Ein weiterer ehemaliger Gefangener, der mehrere Wochen im Evin-Gefängnis war, berichtete Human Rights Watch ebenfalls, wie Behörden junge Anhänger der Opposition gezwungen haben, führende Reformisten in ihre „Geständnisse“ einzubeziehen.
„Ich habe Gefangene gesehen, die Gipsverbände an ihren Armen und Beinen hatten oder blauen Flecken auf ihrem Körper“, so der ehemalige Häftling. „Einige junge Unterstützer von Mousavis Wahlkampagne wurden gezwungen, Geständnisse gegen angesehene Reformer abzulegen.“
Der Vater eines ehemaligen Gefangenen, der angeblich ein solches Geständnis abgelegt hatte, erzählte Human Rights Watch, wie sein Sohn während eines kurzen Telefongesprächs sagte, es gehe ihm „gut“. Als sein Vater ihm mitteilte, dass ein Anwalt seinen Fall übernehmen werde, meinte er, „er brauche keinen Anwalt, da ihm niemand helfen könne“. „Er fing daraufhin an zu weinen und die Verbindung wurde unterbrochen“, erzählte der Vater. „Seine Familie kennt seinen starken Charakter, und wir waren sehr besorgt über seinen Tonfall und seine Tränen.“
Ein dritter, kürzlich entlassener Häftling berichtete Human Right Watch, dass Telefongespräche von Insassen mit ihren Familien nur in Anwesenheit von Gefängniswärtern möglich sind, die ihnen vorschreiben, was sie erzählen dürfen. Gefangene wissen, dass sie Misshandlungen zu befürchten haben, wenn sie die Bedingungen in den Gefängnissen beschreiben oder darüber berichten, wie die Insassen behandelt werden.
Der ehemaliger stellvertretende Innenminister unter Präsident Mohamed Khatami, Tajzadeh, war in der Vergangenheit bereits selbst das Ziel eines erzwungenen Geständnisses. Im Jahr 2004 „gestanden“ vier inhaftierte Journalisten, dass Tajzadeh und andere Reformer sie „betrogen“ hätten, damit sie Berichte über Irans Nationalen Sicherheitsapparat veröffentlichten und den Namen des Landes in den Dreck zögen.
Wenige Tage nachdem die Behörden die Geständnisse im Fernsehen gezeigt hatten, berichteten zwei der Journalisten einem Untersuchungsausschuss, dass ihre Geständnisse durch psychische und physische Folter erzwungen worden waren. Einer der Journalisten erklärte gegenüber Human Rights Watch damals, wie ein Gefängniswärter ihm sagte, dass Tajzadeh zu den Reformern gehöre, die „früher oder später im Gefängnis landen werden“.
Die Ehefrau eines in Evin inhaftierten Reformers sagte Human Rights Watch, dass die Behörden sie dazu gedrängt hätten, nicht mit den Medien zu sprechen. Sie willigte ein, aber nur unter der Bedingung, dass ihr Mann das Gefängnis gesund verließe.
„Wenn sie ihn verletzen oder sonstige Dinge mit ihm tun, werden wir nicht schweigen“, sagte sie. „Uns wurde befohlen, nichts zu sagen, anderen zu erzählen, wie gut die Haftbedingungen sind und dass sie nichts zu bemängeln hätten. Das widerspricht jedoch allem, was wir wissen. Die Verhöre sind besonders schrecklich. Es werden nicht nur Fragen zu politischen Themen gestellt. Die Fragen betreffen das Privatleben, sie suchen nach Schwächen, die sie gegen den Gefangenen einsetzen können, um ihn anzuklagen.“