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(Hargeisa, Somaliland) - Die Regierung von Somaliland missachtet das Gesetz sowie demokratische Regeln und gefährdet dadurch die Demokratisierung des Territoriums, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Regierung unter Präsident Dahir Riyale Kahin ist für Menschenrechtsverletzungen und die wiederholte Verschiebung der Wahlen verantwortlich.

Laut des 56-seitigen Berichts „‘Hostages to Peace': Threats to Human Rights and Democracy in Somaliland" ist es der Regierung von Somaliland gelungen, ein gewisses Maß an Stabilität und Demokratie herzustellen, während der Rest Somalias weiterhin von bewaffneten Konflikten geplagt wird. Diese Fortschritte sind jedoch noch zerbrechlich und momentan bedroht. Die Regierung von Präsident Riyale missachtet regelmäßig die Gesetze Somalilands und hat die für April 2008 angesetzten Wahlen bereits zweimal auf rechtlich fragwürdige Weise verschoben. Eine weitere Verzögerung der nun für September 2009 anberaumten Wahlen könnte sich als verhängnisvoll für die Demokratie in Somaliland erweisen.

„Somaliland strebt seit 18 Jahren nach Stabilität und Demokratie, doch alles Erreichte steht auf dem Spiel, wenn die Regierung den Rechtsstaat weiter aushöhlt", so Georgette Gagnon, Direktorin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Die Verzögerung der Wahlen zeigt die Notwendigkeit, funktionierende Behörden aufzubauen, die die Menschenrechte achten."

Der Bericht basiert auf Recherchen, die Mitarbeiter von Human Rights Watch während eines zweiwöchigen Aufenthalts in Somaliland im März 2009 durchführten. Sie befragten Regierungsbeamte, Oppositionelle, Vertreter der Zivilgesellschaft, örtliche Beobachter und Opfer von Menschenrechtsverletzungen.

Somaliland erklärte 1991 seine Unabhängigkeit von Somalia, nachdem die letzte funktionierende Regierung abgetreten war. Die Souveränität Somalilands wurde bislang von keinem anderen Staat anerkannt. Human Rights Watch äußert sich dazu nicht, fordert die internationalen Akteure jedoch auf, ihre Beziehungen mit Somaliland zu vertiefen, und die Regierung anzuhalten, die Menschenrechte und die sich entwickelnden demokratischen Regeln zu achten. Ferner sollen sie Somaliland Hilfsmaßnahmen anbieten, um die Medien, die Zivilgesellschaft und für die Demokratisierung zentrale Institutionen zu stärken.

Laut Human Rights Watch verstoßen Maßnahmen der Regierung häufig gegen nationales und internationales Recht und verletzen direkt die Rechte der Bürger. Der Regierung Riyale ist das von der Opposition kontrollierte Parlament seit Jahren ein Dorn im Auge und sie weigert sich, seine Funktion im Gesetzgebungsverfahren und bei der Überwachung des undurchsichtigen Regierungshaushalts anzuerkennen. Es wurde wenig unternommen, um die nominell unabhängige Justiz effizienter zu gestalten; die unteren Gerichte können die geltenden Gesetze nicht durchzusetzen, während das Oberste Gericht sich offenbar nur dem Präsidenten verpflichtet fühlt.

Durch den Einsatz von „Sicherheitskomitees", die vollständig unter Kontrolle der Exekutive stehen und keine rechtliche Grundlage besitzen, hat die Regierung Riyale die regulären Gerichte umgangen und die Rechte der Angeklagten missachtet. Die Sicherheitskomitees verhängen Haftbefehle und verurteilen Angeklagte, auch Jugendliche oder wegen Alltagsdelikten Beschuldigte, und achten die Verfahrensrechte noch nicht einmal zum Schein. Die Tribunale verhängen regelmäßig Massenurteile auf der Grundlage weniger oder überhaupt keiner Beweise und nach verkürzten Verfahren, in denen die Angeklagten nicht zu Wort kommen. Bei einem Besuch des Mandhera-Gefängnisses außerhalb von Hargeisa im März stellten Mitarbeiter von Human Rights Watch fest, dass mehr als die Hälfte der dort Inhaftierten von Sicherheitskomitees verurteilt worden war.

Die Regierung wendet auch andere in der Region gängige, in Somaliland jedoch relativ seltene Repressalien an. Ein ehemaliger Fahrer der Präsidentenfamilie wurde inhaftiert, nachdem er die Familie öffentlich der Korruption beschuldigt hatte. Er wurde erst entlassen, als Fotos veröffentlicht wurden, die ihn schwer krank und ans Bett gefesselt zeigten. Die Vorsitzenden der regimekritischen politischen Gruppierung „Qaran" wurden zu Haftstrafen verurteilt und ihnen wurde verboten, sich politisch zu engagieren, nachdem sie kritisiert hatten, das sich gemäß der Verfassung nur drei Parteien an den Wahlen beteiligen dürfen. Die Männer kamen jedoch vorzeitig wieder frei. Die führende Menschenrechtsorganisation in Somaliland löste sich nach einem Führungsstreit auf, bei dem die Regierung offenkundig eingegriffen hatte.

Am häufigsten sind Schikanen jedoch auf unteren Ebenen, etwa gegen Journalisten und Oppositionelle. In zahlreichen Fällen wurden Personen, meist für kurze Zeit, inhaftiert, die die Regierung öffentlich kritisiert oder in den Medien nachteilig über sie berichtet hatten.

Der schwierige Stand Somalilands in der Region schreckt viele Einwohner von öffentlichen Protesten gegen Menschenrechtsverletzungen ab, weil sie fürchten, die hart erkämpfte Stabilität ihres Landes und sein Streben nach internationaler Anerkennung zu gefährden. Mehrere Befragte bezeichneten sich gegenüber Human Rights Watch als „Geiseln der Friedens". Die Angst, das labile Gleichgewicht zu stören, das Somaliland bislang vor dem Schicksal Somalias und anderer Staaten in der Region bewahrt hat, mache sie unfähig, den schlimmsten Problemen des Landes entgegenzutreten.

Die wiederholte Verzögerung der Präsidentschaftswahlen in Somaliland bedroht die Grundlagen der entstehenden Demokratie. Der nicht gewählte „Ältestenrat" gewährte Präsident Riyale zweimal eine großzügige Verlängerung seiner Amtszeit. Derzeit sind die Wahlen auf den 29. September angesetzt, doch es bleibt fraglich, ob und unter welchen Bedingungen sie stattfinden werden.

„Somaliland steht am Scheideweg", so Gagnon. „Die Fortschritte der letzten 18 Jahre und die allgemeine Achtung der Menschenrechte stehen bei den nächsten Entscheidungen von Präsident Riyale auf dem Spiel."

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