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EU/Brasilien: Handelsvertrag von Amazonaskrise abhängig machen

Kriterien für Bekämpfung von Gewalt und Abholzung festsetzen

(São Paulo) – Das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Mercosur soll erst dann ratifiziert werden, wenn Brasilien gezeigt hat, dass es die in dem Vertrag enthaltenen Verpflichtungen für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes einhalten wird, so Human Rights Watch heute in einem Schreiben an Funktionäre, Mitgliedstaaten und Parlamentarier der Europäischen Union.

Das Handelsabkommen, dessen Grundzüge im Jahr 2019 vereinbart wurden, enthält Verpflichtungen zur Achtung des Pariser Klimaschutzabkommens und zur Bekämpfung der Abholzung. Die Politik von Präsident Jair Bolsonaro hat diese Verpflichtungen untergraben und zu einer Umwelt- und Menschenrechtskrise im Amazonasgebiet geführt.

„Präsident Bolsonaro setzt sich nicht nur über die Umweltschutzbestimmungen des Abkommens hinweg. Vielmehr sorgt er auch dafür, dass künftige Regierungen diese kaum noch einhalten können“, so Maria Laura Canieu, Brasilien-Direktorin von Human Rights Watch. „Wenn die EU all jenen zur Seite stehen will, die sich in Gefahr begeben, um ihren Regenwald zu retten, dann sollte sie handeln, bevor Bolsonaro weiteren Schaden anrichtet.“

Die illegale Abholzung in Brasilien wird hauptsächlich von gewalttätigen kriminellen Netzwerken vorangetrieben. Wie ein 2019 veröffentlichter Human Rights Watch-Bericht dokumentiert, gehen die Verbrecherbanden mit Drohungen, Übergriffen und Morden gegen Beamte der Umweltschutzbehörden, Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen und andere Personen vor, die den Regenwald schützen wollen. Die Mörder werden nur selten zur Rechenschaft gezogen.

Seit seinem Amtsantritt im Januar 2019 sabotiert Bolsonaro die brasilianischen Behörden zum Schutz der Umwelt sowie der indigenen Bevölkerung und versucht, Umweltschutzorganisationen kaltzustellen. Laut vorläufiger Daten auf Grundlage von Echtzeitmeldungen der brasilianischen Raumfahrtbehörde wurde im Jahr 2019 im Amazonasgebiet 80 Prozent mehr abgeholzt als im Vorjahr. Dieser Trend setzte sich auch im laufenden Jahr während der Covid-19-Pandemie fort. Es kam außerdem vermehrt zu Drohungen gegen Waldschützer.

Wissenschaftlern zufolge beschleunigt sich die Entwaldung in Richtung eines unumkehrbaren „Wendepunktes“, von dem ab das Amazonasgebiet nicht mehr als natürlicher Speicher für Kohlendioxid fungiert und stattdessen riesige Mengen Treibhausgase freisetzt.

„Die Auswirkungen der Angriffe auf Brasiliens Waldschützer reichen weit über das Amazonasgebiet hinaus“, so Canineu. „Solange das Land nicht gegen die Gewalt und Rechtlosigkeit vorgeht, die der illegalen Abholzung Vorschub leisten, wird der größte Regenwald der Erde weiter ungehindert zerstört.“

Damit das Abkommen zwischen der EU und Mercosur in Kraft treten kann, muss die EU-Kommission den endgültigen Text dem EU-Parlament und allen 27 Mitgliedstaaten zur Verabschiedung vorlegen.

Human Rights Watch fordert die Kommission, das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten auf, Präsident Bolsonaro deutlich und kategorisch klar zu machen, dass eine Ratifizierung erst in Frage kommt, wenn Brasilien sich bereit zeigt, die Umweltschutzbestimmung des Abkommens zu befolgen. Um zu beurteilen, inwieweit diese Bereitschaft vorliegt, soll die EU klare und überprüfbare Richtwerte festlegen, die sich auf konkrete Taten und Resultate stützen, nicht auf Pläne und Vorschläge. Die Zielmarken sollen den Zusammenhang zwischen Gewalt und der Abholzung im Rahmen der Amazonaskrise berücksichtigen.

Insbesondere sollten einfließen:

1)    Fortschritte bei der Beendigung der Straflosigkeit für Gewalt im Zusammenhang mit illegaler Abholzung, gemessen in der Zahl der strafrechtlich untersuchten, verfolgten und zum Prozess gebrachten Fälle;

2)    Fortschritte bei der Reduzierung der Abholzung im Amazonasgebiet, die ausreichend sind, um Brasilien die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu ermöglichen und die illegale Abholzung bis 2030 vollständig zu beenden.

Die EU soll zudem beobachten, ob die brasilianische Regierung Maßnahmen und Gesetze vorantriebt, die das illegale Eindringen in indigene Territorien fördern oder den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der Rechte seiner Bewohner untergraben.

Der Europäische Green Deal verpflichtet die EU, in ihrer Handelspolitik Abholzungen entlang der Lieferketten zu reduzieren und einen Beitrag zu den globalen Maßnahmen gegen den Klimawandel zu leisten.

„Sollte das Abkommen zwischen der EU und Mercosur ratifiziert werden, ohne dass die brasilianische Regierung echte Fortschritte bei der Lösung der Amazonaskrise vorweist, macht sich die EU unglaubwürdig, insbesondere wenn es um ihre Selbstverpflichtung zu klimagerechtem Handel im Rahmen des Green Deal geht“, so Human Rights Watch in dem Schreiben.

 

 

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