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German Chancellor Angela Merkel talks to Russia's President Vladimir Putin at the start of the first working session of the G20 meeting in Hamburg, Germany, July 7 2017.  © 2017 REUTERS/Kay Nietfeld, Pool
(Berlin) – Das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 18. Mai 2018 in Sotschi ist eine entscheidende Gelegenheit, um auf die Freilassung eines zu Unrecht inhaftierten russischen Menschenrechtsaktivisten zu drängen und andere wichtige Menschenrechtsfragen anzusprechen, so Human Rights Watch heute.

Der Menschenrechtsaktivist Ojub Titijew, Direktor der führenden russischen Menschenrechtsorganisation Memorial in Grosny, Tschetschenien, sitzt seit dem 9. Januar in Haft.

„Mit nur einem Anruf in Tschetschenien könnte Präsident Putin die Freilassung von Ojub Titijew veranlassen“, so Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch. „Angela Merkel sollte Putin auffordern, Titijew noch vor Beginn der Weltmeisterschaft freizulassen."

Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft in Russland beginnt am 14. Juni. Grosny wird Trainingslager für die ägyptische Nationalmannschaft während des gesamten Turniers sein.  

Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi wurden mehrere namhafte Gefangene begnadigt, darunter der ehemalige Öl-Magnat Michail Chodorkowski und Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot.

Am 9. Januar wurde Titijew von der tschetschenischen Polizei verhaftet. Marihuana wurde in seinem Auto platziert, woraufhin fingierte Vorwürfe wegen Drogenbesitzes gegen ihn erhoben wurden. Seit seiner Verhaftung befindet sich Titijew in Untersuchungshaft. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren.

Titijews Festnahme ist politisch motiviert und zielt darauf ab, der Arbeit von Memorial ein Ende zu setzen. Seit den 1990er Jahren dokumentiert Memorial Fälle von Folter, Verschwindenlassen, außergerichtlichen Tötungen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien.

Ramsan Kadyrow, Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, ist Chef der Sicherheitskräfte, die diese Übergriffe durchführen. Dies geschieht mit dem stillen Segen des Kremls, da Kadyrow Putins politischer Zögling ist. Kadyrow hat wiederholt öffentliche und explizite Drohungen gegen Menschenrechtsaktivisten, investigative Journalisten und andere Kritiker ausgesprochen.

Merkel hat bereits öfter gegenüber Putin große Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtslage in Russland geäußert, auch in Bezug auf schwere Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin im Jahr 2017 sprach Merkel die brutale Verfolgung von Schwulen in Tschetschenien an und forderte Putin dazu auf, „seinen Einfluss zum Schutz der Rechte dieser Minderheiten zu nutzen“.

Am 10. Mai hat Human Rights Watch den Fall Titijew bei einem Treffen mit Außenminister Heiko Maas in Moskau angesprochen.

Seit der Sowjetzeit hat es in Russland keine Regierung gegeben, die so repressiv gegen mögliche Kritiker vorgeht. Sie hat Menschenrechtsorganisationen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich öffentlich engagieren, gezwungen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, sofern sie auch nur geringste Beträge aus dem Ausland zur Finanzierung akzeptieren. Dies hat viele Organisationen dazu veranlasst, ihre Arbeit einzustellen, oder sie an den Rand des Bankrotts getrieben.

In den vergangenen 18 Monaten hat die Polizei Tausende friedliche Demonstranten verhaftet und viele von ihnen verprügelt, darunter auch jene, die am Vorabend von Putins Amtsantritt am 7. Mai demonstriert hatten. Behörden schränken zunehmend und ungerechtfertigt den Zugang zu Informationen ein und zensieren diese, wenn sie von der Regierung als „extremistisch“, nicht im Einklang mit „traditionellen Werten“ stehend oder anderweitig schädlich für die Öffentlichkeit eingestuft wurden.

Fünf Zeugen Jehovas befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Ihnen drohen eine Verurteilung und Haftstrafen aufgrund von „Extremismus“-Vorwürfen, nur weil sie ihre Religion ausgeübt haben. In den letzten Jahren haben die russischen Behörden Dutzende von Menschen aufgrund von Social-Media-Beiträgen, Online-Videos, Medienartikeln und Interviews strafrechtlich verfolgt. Hunderte von Websites wurden entweder gesperrt oder der Zugang zu ihnen wurde blockiert. Blogger, Aktivisten in sozialen Medien, Journalisten und andere werden belästigt, eingeschüchtert, aufgrund von fingierten Vorwürfen angeklagt und in manchen Fällen auch körperlich angegriffen.

Neue Gesetze zur Datenspeicherung schränken den Zugang der Nutzer zu Informationen ungerechtfertigt ein. Sie führen dazu, dass eine Fülle von Daten, einschließlich vertraulicher Benutzerinformationen und Kommunikationsinhalten, den Behörden zur Verfügung steht, oft ohne gerichtliche Aufsicht.

Die neuen Gesetze und andere Maßnahmen bedeuten einen großangelegten Angriff auf die Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung im Internet, so Human Rights Watch.

Im April blockierten die russischen Behörden die Messenger-App Telegram. Auch wurden Millionen IP-Adressen blockiert, um Telegram daran zu hindern, diese zu nutzen. Dieses Vorgehen unterbrach auch andere Online-Dienste, einschließlich Suchmaschinen, Shopping- und Reisebuchungsdiensten und dergleichen. Die Behörden haben wiederholt damit gedroht, Facebook, YouTube und Twitter zu blockieren, weil diese die Anforderungen zur Speicherung der Benutzerdaten russischer Bürger in Russland nicht erfüllen.

„Merkels prinzipientreue Stimme wurde nie dringender gebraucht als jetzt", sagte Michalski. „Sie kann sich jetzt dafür einsetzen, dass Ojub Titijew freigelassen wird. Auch sollte sie klarzustellen, dass das neue Ausmaß der Unterdrückung in Russland niemals als ‚neuer Standard‘ akzeptiert wird."

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