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Russland: Merkel und Rutte sollen Putin zur Einhaltung der Menschenrechte drängen

„Inspektionen“ Teil der schlimmsten Unterdrückungskampagne seit 20 Jahren

(Berlin) - Die Bundeskanzlerin und der niederländische Ministerpräsident sollen den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem bevorstehenden Besuch dazu drängen, der staatlichen Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der Aushöhlung der Menschenrechte Einhalt zu gebieten, so Human Rights Watch heute.

Am 7. April 2013 wird Putin in Hannover die weltweit größte Industrie- und Technikmesse eröffnen und zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentreffen. Russland ist in diesem Jahr das Partnerland der Messe. Am 8. April wird Putin in Amsterdam auf den Ministerpräsidenten der Niederlande, Mark Rutte, treffen und das Niederländisch-Russische Jahr 2013 eröffnen, in dessen Rahmen gemeinsame Veranstaltungen in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden.

„Bei Handelsmessen geht es ums Geschäft. Aber Merkel muss gegenüber Putin klarstellen, dass es zwischen Deutschland und Russland kein ‚business as usual‘ geben kann, solange die Angriffe auf die Zivilgesellschaft weitergehen“, so Hugh Williamson, Leiter der Abteilung Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. „Wir erleben gerade die schlimmste Unterdrückungswelle in Russland seit 20 Jahren. Die – an sich begrüßenswerte – deutsch-niederländische Verständigung wird zur Farce, solange wesentliche Teile der russischen Gesellschaft sich nicht frei äußern können.“

Merkel und Rutte sollen Putin auffordern, die unangekündigten Durchsuchungen der Büros Phase von Nichtregierungsorganisationen in Russland unverzüglich zu beenden. Diese dienen ganz offensichtlich zur Einschüchterung von Aktivisten. Im März inspizierten Einsatzgruppen die Räumlichkeiten von mehr als 200 zivilgesellschaftliche Gruppierungen in mehr als 40 Regionen Russlands. Dies war die jüngste Phase der Einschüchterungskampagne, die seit Putins Wiederwahl zum Präsidenten im Mai 2012 andauert.

Seit Putins Wiederwahl hat das russische Parlament eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die öffentliche Versammlungen noch stärker reglementieren und die Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten auf das für Straftaten übliche Maß erhöhen. Zudem wurde der problematische Straftatbestand der Verleumdung wieder eingeführt und neue Einschränkungen für Internetinhalte verabschiedet. Ein diskriminierendes Gesetzesvorhaben zum Verbot „homosexueller Propaganda“ gegenüber Minderjährigen hat bereits die erste parlamentarische Lesung auf föderaler Ebene passiert. In 10 russischen Provinzen sind bereits ähnliche Gesetze in Kraft.

Im Juni hat das Parlament ein besonders problematisches Gesetzes verabschiedet, demzufolge Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisation als „ausländische Agenten“ registriert werden, wenn sie Lobbyarbeit betreiben und finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Dadurch werden Nichtregierungsorganisationen öffentlich als Spione und Verräter gebrandmarkt. Ein anderes, im November verabschiedetes Gesetz erweitert die Definition von „Hochverrat“ so sehr, dass internationale Lobbyarbeit für die Menschenrechte als Straftat geahndet werden kann. Im Dezember wurde zudem ein Gesetz verabschiedet, mit dessen Hilfe Organisationen, welche „russische Interessen gefährden“, verboten werden können.

Vor diesem Hintergrund gerieten mehr als 200 russische Gruppierungen und ausländische Organisationen wie Amnesty International, Transparency International spwie einige deutsche politische Stiftungen ins Visier der behördlichen Inspektionen. Am 27. März wurde auch das Russland-Büro von Human Rights Watch durchsucht.

Deutschland unterhält in vielen Bereichen wie Wirtschaft, Handel, Auslandsinvestition, Energiesicherheit und Kultur enge Beziehungen zu Russland. Bundeskanzlerin Merkel hat gut daran getan, gegenüber Russland die zentrale Bedeutung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu betonen. Dieser Botschaft sollte sie in Hannover erneut Nachdruck verleihen. Am 27. März kündigte Merkels Pressesprecher an, die Kanzlerin werde die Durchsuchungswelle auch bei den Gesprächen mit Putin ansprechen.

Die Achtung der Menschenrechte sollte auch im Zentrum der niederländisch-russischen Beziehungen stehen. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans äußerte sich bei seinem Moskau-Besuch im Februar besorgt über Gesetze zum Verbot von „Propaganda von Homosexualität“. Bei seinem Treffen mit Putin sollte Rutte diese Bedenken bekräftigen und die auch die Unterdrückung der Menschenrechte auch im größeren Zusammenhang ansprechen. Insbesondere sollte er dies auch öffentlich tun. Im Vorfeld von Putins Besuch trat das niederländische Parlament am 3. April zu einer Sondersitzung zu Russland zusammen, bei der auch über Menschenrechtsfragen debattiert wurde.

Zahlreiche internationale Verträge, etwa zur Mitgliedschaft im Europarat, verpflichten Russland zur Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards. Ende März schloss sich auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton der Kritik Deutschlands, Großbritanniens und anderer europäischer Regierungen an den Durchsuchungen bei Nichtregierungsorganisationen an.

„Die Einschüchterung der Zivilgesellschaft unterminiert die Rechtsstaatlichkeit in Russland und sollte in Deutschland und den Niederlande auf schwere Bedenken treffen“, so Williamson. „Die Repressalien gegen Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Stimmen gefährden auch die Grundlagen der Beziehungen beider Länder zu Russland. Entsprechend müssen sie in der kommenden Woche ganz oben auf der Agenda stehen.“

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