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Jemen: Anstrengungen der Internationalen Justiz nötig

Pandemie und Behinderung humanitärer Hilfe werfen Schlaglicht auf zerstörtes Gesundheitssystem

Frauen und Kinder in einem Flüchtlingslager für Menschen, die durch die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Houthis in der nördlichen Provinz al-Jawf im Jemen vertrieben wurden, in Marib, Jemen, 8. März 2020. © 2020 Reuters/Ali Owidha © 2020 Reuters/Ali Owidha

(Beirut) – Die Konfliktparteien im Jemen haben im vergangenen Jahr erneut das Kriegsvölkerrecht verletzt und offenbar weitere Kriegsverbrechen verübt, so Human Rights Watch im heute veröffentlichten World Report 2021. Die UN-Expertengruppe zum Jemen forderte im vergangenen Jahr die Schaffung eines internationalen Rechenschaftsmechanismus und empfahl dem UN-Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof mit der Lage im Jemen zu befassen.

Die humanitäre Krise im Jemen, die sich in mehr als fünf Jahren Krieg immer weiter zugespitzt hat, fordert angesichts der zunehmenden Behinderung humanitärer Hilfe, des Zusammenbruchs der jemenitischen Wirtschaft und der Covid-19-Pandemie immer mehr Todesopfer. Das tatsächliche Ausmaß der Ausbreitung von Covid-19 im Jemen ist angesichts zerstörter Gesundheitseinrichtungen, begrenzter Testkapazitäten und der Tatsache, dass viele Menschen aus Furcht vor sozialer Stigmatisierung keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, unbekannt. Mehrere Länder haben ihre humanitäre Hilfe für die Gebiete, die unter der Kontrolle der Huthi stehen, gekürzt oder beendet, offenbar aufgrund von Behinderungen durch die Huthi-Behörden.

„Solange es keine reale Möglichkeit gibt, dass die Konfliktparteien im Jemen für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, besteht für sie kaum ein Anreiz, diese zu beenden. Dies haben die jahrelangen Menschenrechtsverletzungen gezeigt“, so Afrah Nasser, Jemen-Researcher bei Human Rights Watch. „Betroffene Regierungen sollten sich den Rufen nach einem internationalen Rechenschaftsmechanismus anschließen.“

Im 761-seitigen World Report 2021, der 31. Ausgabe, prüft Human Rights Watch die Menschenrechtslage in über 100 Ländern. In seinem einleitenden Essay argumentiert Exekutivdirektor Kenneth Roth, dass die neue US-Regierung die Achtung der Menschenrechte so in ihrer Innen- und Außenpolitik verankern sollte, dass sie künftige Administrationen überleben wird, die sich möglicherweise weniger dafür einsetzen. Roth betont, dass selbst als die Trump-Administration den Schutz der Menschenrechte größtenteils aufgegeben hat, andere Regierungen vorgetreten sind, um sich für sie einzusetzen. Die Biden-Administration sollte versuchen, sich diesen neuen kollektiven Bemühungen anzuschließen, anstatt sie zu verdrängen.

Das Yemen Data Project schätzt, dass seit Beginn des Kriegs mindestens 18.400 Menschen verletzt oder getötet wurden und mehr als 20 Millionen – fast zwei Drittel der Gesamtbevölkerung – auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen sind. Die UN-Expertengruppe zum Jemen beklagte im September eine „akute Verantwortlichkeitslücke“ und verwies auf straflos verübte Menschenrechtsverletzungen durch die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) angeführte Koalition, die Huthi-Milizen, die jemenitische Regierung und den Südlichen Übergangsrat in Aden.

Sowohl die von Saudi-Arabien und den VAE geführte Koalition als auch die Huthi-Truppen beschossen bewohnte Gebiete mit Mörsern, Raketen und Lenkflugkörpern, unter anderem in Marib, Taizz und Hodeidah. Die Koalition flog weitere rechtswidrige Luftangriffe auf Zivilisten und zivile Gebäude. Dabei setzte sie Munition aus den USA, Frankreich, und anderen Staaten ein. Trotz des Truppenabzugs aus Aden Ende 2019 setzten die VAE ihre Militäroperationen und ihre Unterstützung für völkerrechtswidrig agierende lokale Kräfte im Jemen fort.

Ungeachtet der wiederholten Völkerrechtsverletzungen der VAE im Jemen teilte die Trump-Regierung dem US-Kongress im November mit, dass die USA den Golfstaat mit Waffen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar beliefern würden, darunter F-35-Kampfflugzeuge und bewaffnete Drohnen.

„Die antretende Biden-Regierung sollte die Chance nutzen, positiv auf die Lage im Jemen einzuwirken, indem sie die Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und die VAE stoppt, zumindest bis diese ihre völkerrechtswidrigen Angriffe beenden und zurückliegende Verstöße glaubwürdig untersuchen“, so Nasser.

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