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Kazakhstan police officers detain a protester during an opposition rally in Almaty, September 21, 2019. © 2019 AP Photo/Vladimir Tretyakov
Die EU ist stolz auf ihr weltweites Engagement für die Menschenrechte. Sie hat das mehrfach als Kernkomponente ihrer Außenpolitik bezeichnet. Leider sieht die Praxis oft anders aus – zum Beispiel in Zentralasien.

Seit Jahrzehnten bemüht sich die EU darum, die Menschenrechtslage in Zentralasien zu verbessern. Die Ergebnisse bleiben aber lückenhaft und wenig überzeugend. Dabei spielt die geographische Nähe zu Russland und China eine Rolle. Relevant sind aber auch die widerstreitenden Prioritäten der EU. Sie könnte mit existierenden Mechanismen mehr bewirken und sollte klarstellen, dass Menschenrechtsverletzungen gravierende politische Konsequenzen haben können.

80 Millionen Menschen leben in Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. In den zen­tralasiatischen Staaten sind viele politische Gefangene eingesperrt. Folter ist belegt. Rede- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt. Derweil ist Gewalt gegen Frauen weit verbreitet, auch innerhalb von Familien. Kirgisien ist die einzige parlamentarische Demokratie der Region; die anderen Länder haben autoritäre Regierungen, die aber wichtige Gesprächspartner der EU sind.

Ganz gewöhnliche Menschen werden misshandelt, wie die folgenden drei Beispiele zeigen: Akzam Turgunov ist ein usbekischer Menschenrechtsaktivist, der 2017 nach neun Jahren aus politischer Haft entlassen wurde. Unter einem neuen Präsidenten hat sich die Menschenrechtslage dort seit 2016 in gewisser Weise verbessert; Dutzende Gefangene kamen frei. Jedoch bleibt es fast unmöglich, eine unabhängige Menschenrechtsorganisation anzumelden, wie Turgunov das mehrfach versucht hat. Es ist gut, dass zu Unrecht Inhaftierte entlassen wurden. Engagement für Menschenrechte wird weiterhin nicht akzeptiert.

In Tadschikistan wurde Zebo Z. (Name geändert) von ihrem Mann verprügelt und wandte sich dann blutüberströmt an einen Staatsanwalt, der ihr aber Hilfe verweigerte und stattdessen ihren Mann herbeirief. Die Regierung hat Schritte unternommen, um häusliche Gewalt anzugehen, aber es muss noch viel mehr geschehen. Häusliche Gewalt muss zur Straftat werden, und Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Turkmenistan ist eines der repressivsten Länder der Welt. Die Regierung hat in zwei Jahrzehnten Dutzende ehemalige Beamte und vermutete Kritiker verschwinden lassen. Die Angehörigen leiden – und wissen nicht einmal, ob die Verschwundenen tot sind oder noch leben.

Die EU kann in solchen Fällen Einfluss nehmen und darauf hinzuwirken, dass die repressiven Strukturen reformiert werden. Seit die zentralasiatischen Republiken in den frühen 1990er Jahren unabhängig wurden, ist sie dort engagiert. Sie ist der wichtigste Geber und leistet zusammen mit den Mitgliedsländern in den Jahren 2014 bis 2020 Unterstützung im Wert von einer Milliarde Euro – unter anderem für Gesetzesreformen, Richterausbildung und die Förderung unabhängiger Medien. Das Europaparlament spielt eine wichtige Rolle bei der Menschenrechtsförderung in der Region. Es hat die Europäische Kommission mehrfach ermahnt, schweren Rechtsverstößen die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Seit 2019 hat die EU eine neue Zen­tralasien-Strategie, die gegenüber der vorherigen von 2007 deutliche Fortschritte aufweist. Die alte Strategie ging auf Menschenrechte kaum ein. Die neue fordert dagegen deren Einhaltung, damit politisch aktive Bürger, Journalisten und Gewerkschafter in Freiheit und Sicherheit agieren können und Folter abgeschafft wird.

Der Weg von Forderungen zu Ergebnissen ist allerdings lang – unter anderem wegen des geopolitischen Kontexts. Der russische Einfluss bleibt in dieser Region sowohl ökonomisch als auch politisch stark. Das chinesische Engagement ist gewachsen und äußert sich in Infrastrukturvorhaben und üppigen Darlehen für finanzschwache Regierungen. Im Vergleich zu diesen Akteuren, die systematisch Menschenrechtsnormen ignorieren, wirkt die europäische Politik schwerfällig.

Dieses Problem ist den EU-Verantwortlichen wohl auch bewusst. Jedenfalls witzelte Peter Burian, der EU-Sonderbeauftragte für Zentralasien, neulich bei einer Konferenz, China komme mit einem Angebot, das niemand ablehnen könne, während Europa Angebote mache, die niemand verstehe.

Allerdings wissen zentralasiatische Spitzenbeamte, wie wichtig westliche Investitionen, Technik und Innovationen für die Zukunft ihrer Region sind. Ihnen ist ebenfalls klar, dass die Bereitschaft westlicher Firmen zu langfristigen Kapitalanlagen von Rechtssicherheit abhängt.

Das, was die Wirksamkeit der EU-Politik vor allem begrenzt, ist mangelnder Wille angesichts einer Vielzahl widerstreitender Interessen. Abgewogen werden Fragen der Sicherheits-, Außen-, Handels- und Energiepolitik. Um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, muss die EU aber darauf achten, dass die Menschenrechte immer auf der Tagesordnung weit oben stehen.

Sie könnte existierende Strukturen besser nutzen. Die EU veranstaltet zum Beispiel mit jedem zentralasiatischen Land einen jährlichen Menschenrechtsdialog. Besser als einfacher Austausch wäre aber ein strukturierter Prozess mit Zielmarken für wichtige Menschenrechtsaspekte, und von einschlägigen Fortschritten sollten Fortschritte auf anderen Feldern der Zusammenarbeit abhängig gemacht werden.

Handelspolitischer Hebel

Seit langem wünschen sich zentralasiatische Regierungen Abkommen, um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu regeln und zu stärken. Die EU knüpft Handelspräferenzen nach dem System GSP+ (GSP steht für „generalised scheme of preferences“) an die Verpflichtung zur Einhaltung internationaler Menschenrechte und Arbeitsnormen. Kirgisien gehört seit 2016 zu den GSP+-Ländern. Wenn die EU die Ergebnisse evaluiert, könnte sie strenger darauf achten, dass Kirgisien allen Zusagen gerecht wird. Das sollte sie auch tun, bevor sie anderen Ländern der Region diesen Status gewährt.

Menschenrechte sind Bestandteil der breiter angelegten Partnerschaften der EU mit zentralasiatischen Staaten. Die EU sollte bei der Aushandlung von Kooperationsabkommen ihren Einfluss stärker zugunsten der Menschenrechte geltend machen. Zudem sollte dieses Thema bei routinemäßigen Überprüfungen der Abkommen hohe Priorität haben. Die EU hätte mehr Druck auf Kasachstan machen sollen, bevor sie den Kooperationsvertrag unterschrieb, um beispielsweise die Freilassung von Maks Bokaev, der sich für Landreformen engagiert hatte, zu bewirken. Sie sollte auch alles tun, damit der Menschenrechtsverteidiger Azimjon Askarov in Kirgisien aus der Haft entlassen wird, bevor sie mit diesem Land das nächste Abkommen schließt.

Die EU sollte auch nicht zögern, andere Instrumente zu nutzen, um schwere Rechtsverletzungen zu stoppen. Ein Mittel wäre gemeinsames Handeln im Rahmen der UN oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. So könnte mehr Druck auf Turkmenistan gemacht werden, damit die Praxis des Verschwindenlassens aufhört. Um diejenigen, die in Ta­dschikistan für die ungerechtfertigte Inhaftierung von Journalisten, Oppositionellen und Rechtsanwälten in der Repressionswelle der vergangenen vier Jahre verantwortlich waren, zu treffen, wären auch Reisebeschränkungen oder das gezielte Einfrieren von Vermögensanlagen zu erwägen.

Die Berufung der neuen Europäischen Kommission und die Wahl des neuen Europaparlaments bieten Chancen, das Agieren der EU in Zentralasien stärker zu fokussieren und selbstbewusster aufzutreten. Wenn die Bevölkerung dieser Region in den Genuss der Menschenrechte kommen soll, muss die EU sich so wirkungsvoll wie möglich dafür einsetzen.

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