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Indonesien: Flüchtlingskinder werden vernachlässigt und misshandelt

Kinder werden in heruntergekommenen Gefängnissen festgehalten und geschlagen oder sind auf sich allein gestellt

(Jakarta) – Indonesien lässt minderjährige Migranten und Asylsuchende einsperren und verwahrlosen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Jedes Jahr werden hunderte Kinder unter elenden Bedingungen festgehalten und oftmals auch geschlagen, ohne Zugang zu Anwälten. Andere sind auf sich allein gestellt und müssen sich ohne jegliche Hilfe um Essen und Unterkunft bemühen.

Der 86-seitige Bericht „Barely Surviving: Detention, Abuse, Neglect of Migrant Children in Indonesia” untersucht die miserable Behandlung, die minderjährige Migranten und Asylsuchende in Indonesien widerfährt. Sie erreichen Indonesien, nachdem sie vor Verfolgung, Gewalt und Armut in Somalia, Afghanistan, Pakistan, Burma oder anderen Ländern geflohen sind. Indonesien nimmt jedes Jahr Hunderte von Flüchtlingskinder fest, ohne ihnen eine Möglichkeit zu geben, ihre Inhaftierung anzufechten. Nach indonesischem Recht können illegale Einwanderer bis zu 10 Jahre inhaftiert werden.

„Minderjährige Migranten und Asylsuchende riskieren Leib und Leben, um aus ihren Heimatländern zu fliehen und nach Indonesien zu kommen“, so Alice Farmer, Kinderrechtsexpertin bei Human Rights Watch. „Doch der einzige Rettungsanker, den Indonesien bietet, sind heruntergekommene Gefängnisse, wo die Kinder Monate oder Jahre ohne Schulbildung oder Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbringen.“

Unbegleitete Flüchtlingskinder, die ohne Eltern oder andere Erwachsenen reisen, die ihnen Schutz bieten könnten, fallen in eine rechtliche Lücke. Da keine Regierungsbehörde für ihre Betreuung zuständig ist, kümmert sich niemand um ihre Bedürfnisse. Einige Kinder verwahrlosen im Gefängnis, während andere auf der Straße zurückgelassen werden, ohne den rechtlichen und materiellen Beistand, der ihnen nach dem Gesetz zusteht.

Interaktive Karte (bitte auf das Bild klicken): Migrationsstrecken nach Indonesien

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Aufgrund der mangelnden Zukunftsperspektive riskieren viele minderjährige Migranten – entweder allein oder mit ihren Familien – ihr Leben auf der gefährlichen Überfahrt nach Australien. Meist treten sie die Reise auf zerbrechlichen Booten an, die von Schmugglern organisiert werden und nicht genug Treibstoff mit sich führen. Nach Schätzungen sterben jedes Jahr hunderte Menschen auf diesem Wege.

Für den aktuellen Bericht führte Human Rights Watch 102 Interviews mit Migranten zwischen 5 und 66 Jahren durch. 42 der Interviewpartner waren noch minderjährig, als sie nach Indonesien kamen. Die Experten von Human Rights Watch trafen sich auch mit einer Reihe von Regierungsbeamten, die im Migrationssektor tätig sind, und befragten Mitarbeiter von zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen.

Sowohl Erwachsene als auch Kinder berichteten von Wachleuten, die sie oder andere Mithäftlinge traten und schlugen. Einige erzählten, dass die Wachleute Häftlinge festbanden oder knebelten, sie mit Stöcken schlugen, mit Zigaretten verbrannten und mit elektrischen Schocks quälten. In einem Fall erzählte ein Elternpaar, dass die Wärter des Immigrantengefängnisses ihre vier und sechs Jahre alten Kinder gezwungen hätte zuzusehen, wie sie andere Insassen verprügelten. Mehrere unbegleitete Jungen berichteten Human Rights Watch, die indonesischen Einwanderungswächter hätten sie während ihrer Inhaftierung geschlagen.

„An diesem Tag wurde ich heftig zusammengeschlagen“ so ein 15-jähriger Junge, der versucht hatte aus dem Gefängnis zu fliehen. „Acht oder neun Personen schlugen auf mich ein; die meisten waren Wärter und dazu kam noch eine Person von draußen.“

Die Haftbedingungen bleiben weit hinter den internationalen Standards zurück: Die Gebäude sind oft überfüllt, unhygienisch und stehen zeitweise unter Wasser. Kinder haben nahezu keinen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und nicht genug Zeit für Erholung. Einige Kinder berichteten, dass sie für mehrere Wochen am Stück kein Tageslicht gesehen hatten.

Im Jahr 2012 sind mehr als 1000 allein reisende Kinder in Indonesien angekommen. Viele wurden zusammen mit nicht verwandten Erwachsenen eingesperrt, sodass sie einem noch höheren Risiko für Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren.

Anfang März 2013 befanden sich fast minderjährige Migranten und Asylsuchende in Indonesien; eine Zahl, die in den letzten fünf Jahren stetig gewachsen ist. Indonesien verfügt über kein Asylrecht und delegiert daher seine Verantwortung, zu entscheiden wer als Flüchtling einen Anspruch auf Schutz hat, an das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR).

Doch selbst wenn das UNHCR Personen als Flüchtlinge anerkennt, weigert sich Indonesien oft, sie aus der Haft zu entlassen und ihr Aufenthaltsrecht in dem Land anzuerkennen. Auch im Falle einer Freilassung müssen Flüchtlinge und Asylbewerber, einschließlich Kindern, mit der ständigen Angst einer erneuten Festnahme und Inhaftierung leben.

Asylbewerber und Flüchtlinge, die freigelassen wurden, dürfen nach dem Gesetz keine Arbeit ausüben und können sich nicht frei im Land bewegen. Kinder haben kaum Aussicht auf einen Schulbesuch oder anderweitige Ausbildungsmöglichkeiten. Viele warten Monate oder Jahre, bis das UNHCR ihren Fall bearbeitet. Nur eine geringe Anzahl von Personen wird letztendlich in einem Drittstaat untergebracht.

Die indonesische Regierung soll die Festnahme von Einwanderungskindern beenden, seine Haftanstalten sanieren und einen fairen und transparenten Prozess für Asylbewerber einrichten, so die Forderung von Human Rights Watch.

„Minderjährige Migranten und Asylsuchende in Indonesien sind gefangen in einem ewigen Wartespiel ohne sicheres Ende“, so Farmer. „Auch in Zukunft werden verzweifelte Kinder nach Indonesien kommen und die Regierung soll die nötigen Schritte einleiten, um ihnen eine angemessene Versorgung zu bieten.&lduoq;

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