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Schweden missachtete Folterverbot bei Auslieferung an die CIA

Diplomatische Zusicherungen gegen Folter bieten keinen Schutz vor Misshandlung

Human Rights Watch gab heute bekannt, dass die Entscheidung der UN gegen Schweden ein wichtiger Schritt sei, europäische Regierungen in ihrer Komplizenschaft mit den USA bei illegalen Überführungen haftbar zu machen. Nach Aussage der UN habe Schweden durch seine Beteiligung bei der Auslieferung eines Asylsuchenden an Ägypten durch die CIA gegen das universale Folterverbot verstoßen.

In der heute von der UN Menschenrechtskommission veröffentlichten Entscheidung stellt die Kommission fest, dass diplomatische Zusicherungen im Hinblick auf das Folterverbot keinen effektiven Schutz gegen Misshandlungen im Falle eines von Schweden nach Ägypten überführten Asylsuchenden durch die CIA im Dezemer 2001 gewährten.

Die Kommission ist der Auffassung, dass Schweden durch sein Mitwirken bei der amerikanischen Überstellung von Mohammed al-Zari nach Ägypten gegen das absolute Folterverbot verstoßen habe, trotz der im Vorfeld der Auslieferung gegebenen diplomatischen Zusicherungen auf humane Behandlung durch die ägyptische Regierung.

Human Rights Watch veröffentlichte heute ein detailliertes Informationsblatt zu Fragen über sogenannte “diplomatische Zusicherungen”.

“Diese Entscheidung der UN zeigt, dass langsam aber sicher die Wahrheit über die europäische Verwicklung in illegale amerikanische Auslieferungen ans Licht kommt” stellt die Direktorin für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch, Holly Cartner, fest. “Die europäischen Parlamente und Staatsanwälte müssen ihre Untersuchungen in dieser Angelegenheit fortführen”.

Die schwedischen Behörden hatten al-Zari und einen weiteren Ägypter, Ahmed Agiza, am 18. Dezember 2001 an die CIA zur Überführung von Schweden nach Kairo übergeben.
Beide Männer waren Asylsuchende in Schweden und wegen terroristischer Aktivitäten in Ägypten verdächtigt. Folter ist im Falle eines Terrorverdachts in Ägypten üblich. Nach internationalem Recht sind Auslieferungen im Falle möglicher Folter verboten.

Um sich abzusichern hatte die schwedische Regierung von der ägyptischen Regierung das Versprechen erhalten, die beiden Männer nicht zu foltern oder der Todesstrafe auszusetzen und ihnen ein faires Verfahren zu gewähren. Trotz der Überwachung durch schwedische Diplomaten nach der Auslieferung wurden beide Männer in Ägypten gefoltert. Im Zuge eines von Human Rights Watch beobachteten schamlos unfairen Verfahrens wurde Agiza im April 2004 verurteilt. Al-Zari wurde im Oktober 2003 ohne Anklage oder Verfahren aus der Haft entlassen und steht weiterhin unter Polizeibeobachtung in Ägypten.

Die Entscheidung der Menschenrechtskommission hält fest, dass “Schweden nicht nachgewiesen habe, dass die gegebenen diplomatischen Zusicherungen im vorliegenden Fall tatsächlich ausreichend waren, um das Risiko von Mißhandlungen im Hinblick auf das Verbot von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Bestrafung auszuschließen“

“Die Kommission befand, dass die diplomatischen Versprechungen nicht dazu geführt haben, al-Zari vor Folter zu schützen“ so Cartner. “ Die westlichen Regierungen müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass sie nicht auf Versprechungen auf menschliche Behandlung seitens Länder vertrauen dürfen, die routinemäßig Folter anwenden “

In einer weiteren Entscheidung vom Mai 2005 zum Agiza Fall hatte die UN Anti-Folter Kommission entschieden, dass Schweden gegen die Konvention zum Schutz gegen Folter durch die illegale Auslieferung Agizas an Ägypten verstoßen habe. Des Weiteren kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die (von Ägypten) gegebenen diplomatischen Zusicherungen, die keinerlei Überwachungsmechanismen für deren Durchsetzung vorsahen, keinen ausreichenden Schutz gegen das vorliegende Risiko darstellten.

Die Fälle von al-Zari und Agiza belegen, dass diplomatische Zusicherungen gegen Folter, die von Regierungen mit nachweisbarer Foltervergangenheit gegeben werden, wertlos sind. Die Tatsache, dass solche Regierungen routinemäßig gegen ihre Verpflichtung auf humane Behandlung von Gefangenen verstoßen, macht es sehr unwahrscheinlich, dass sie einen Einzelnen vor Mißhandlung schützen werden. Darüber hinaus leugnen Regierungen, die regelmäßig Folter anwenden, dass sie Mißhandlungen durchführen und weigern sich, solche Anschuldigen zu untersuchen.

Die Fälle zeigen auch, dass die Überwachung von Gefangenen nach der Überstellung keinen Schutz bietet. Folter ist eine schwerwiegende kriminelle Handlung, die im Geheimen vorgenommen wird und Techniken verwendet, die nur schwer nachzuweisen sind, wie beispielsweise Pseudo-Ertränkung, sexuelle Mißhandlung und Elektroschocks, die dem Körper intern zugeführt werden. In vielen Ländern werden die Misshandlungen in Gefängnissen von medizinisch geschultem Personal überwacht, um sicher zu gehen, dass die Folter nicht leicht nachzuweisen ist.

Oft schrecken Folteropfer in Gefangenschaft aus Angst vor Repressalien gegen sich oder gegen Familienangehörige davor zurück, die Mißhandlung anzuzeigen. Selbst im unwahrscheinlichen Falle, dass die Folter nachgewiesen werden kann, hat weder die entsendene noch die empfangene Regierung einen Anreiz, den Verstoß gegen die Zusicherung zu untersuchen, da die Untersuchung eine Art Eingeständnis eigener Verstrickung in die Folter darstellt.

Schweden wurde kürzlich von zwei wichtigen europäischen Institutionen hervorgehoben, die die illegalen CIA Auslieferungen und Gefangennahmen utersuchen. Der schweizer Abgeordnete Dick Marty, der von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates beauftragt worden war, die Beteiligung der europäischen Staaten bei den vermuteten geheimen Gefangenentransporten und Gefangenenlagern zu untersuchen, hob im Juni in seinem Bericht die Fälle von al-Zari und Agiza hervor. Marty zog daraus die Schlussfolgerung, dass es “schlicht feige und verlogen ist, auf das Vertrauensprinzip und auf diplomatische Zusicherungen, die von undemokratischen Staaten mit bekannten Menschenrechtsverletzungen gegeben werden, zu bauen.“

Eine extra vom Europäischen Parlament eingesetzte Kommission zur Untersuchung der europäischen Beteiligung an geheimen Gefangenentransporten und der rechtswidrigen Inhaftierung von Terrorverdächtigen durch die amerikanische Regierung beschuldigt ebenfalls Schweden der Mitwirkung bei der Übergabe der beiden Männer zur Folter. Im Juni hat diese Kommission alle (EU) Mitgliedstaaten aufgefordert, jegliche diplomatische Zusicherungen gegen Folter abzulehnen.

Die Schwedische Regierung muss nun die Entscheidung der Menschenrechtskommission im al-Zari Fall umsetzen. Die Kommission hat vorgegeben, dass eine finanzielle Entschädigung für den Antragssteller eine angemessene Kompensation darstellt. Im Zuge der Agiza Entscheidung hat Human Rights Watch der schwedischen Regierung eine detaillierte Liste mit Maßnahmen übergeben, wie die Entscheidung umgesetzt werden kann, einschließlich finanzieller Entschädigung, der Erlaubnis eines erneuten Asylantrags in Schweden und Gesetzesänderungen, die den Gebrauch von diplomatischen Zusicherungen verbieten. Bis heute hat Schweden diese Empfehlungen nicht umgesetzt. .

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