Der Konflikt zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen eskaliert weiter. Damit verbunden sind grausame Verbrechen mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Die Straflosigkeit für vergangene Vergehen hat eindeutig zu den heutigen Menschenrechtsverletzungen beigetragen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese aufhören. Trotz dieser Umstände haben Regierungen die entscheidende Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), der einzigen internationalen Instanz, die für unparteiische Gerechtigkeit sorgen soll, weitgehend ignoriert.
Nicht alle Staaten sind Mitglieder des IstGH, und bei Krisen, die von schweren Rechtsverletzungen geprägt sind, ist er oft nicht zuständig. Israel ist zwar kein Mitglied, der Staat Palästina aber schon. Die Anklagebehörde des IStGH untersucht dort seit 2021 mutmaßliche gravierende Verbrechen.
Am 10. Oktober stellte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete fest, dass es "eindeutige Beweise" für Kriegsverbrechen in Israel und im Gazastreifen gibt und dass sie Informationen mit den zuständigen Justizbehörden, insbesondere dem IStGH, teilen werde.
Allerdings sind Human Rights Watch nur drei Mitgliedsländer des IStGH bekannt - Liechtenstein, die Schweiz und Südafrika -, die sich eindeutig zum IStGH und den aktuellen Kampfhandlungen geäußert haben. Der irische Außenminister hat in Medienberichten auf die Rolle des Strafgerichtshofs verwiesen. Für andere scheint der IStGH der juristische Elefant im Raum zu sein.
Alle IStGH-Mitglieder sollten dringend ihre Unterstützung für die Rolle des Gerichtshofs zum Ausdruck bringen.
Die bisherige Reaktion steht in krassem Gegensatz zu anderen Krisen, einschließlich der Ukraine, einem Nicht-IStGH-Mitgliedstaat. Nach der russischen Generalinvasion im Februar 2022 wies der Ankläger des IStGH auf die wichtige Rolle des Gerichts hin. Eine noch nie dagewesene Anzahl von meist europäischen IStGH-Mitgliedsländern forderte ihn auf, eine Untersuchung gegen die Ukraine einzuleiten. Sogar die Vereinigten Staaten, die auch kein Vertragsstaat sind, haben sich nachdrücklich für die Rolle des Gerichts in der Ukraine ausgesprochen.
Der Chefankläger des IStGH hat bsi jetzt keine öffentliche Erklärung abgegeben, in der er Israel und die bewaffneten palästinensischen Gruppen an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen und an das Mandat des Gerichtshofs zur Untersuchung ihrer Taten erinnert. Die Stimme des Gerichtshofs wird dringend benötigt, um weitere Massengräueltaten zu verhindern.
Doppelstandards beim Anspruch der Opfer auf Rechenschaftspflicht sind inakzeptabel. Nach dem Veto der USA gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats wird die UN-Generalversammlung am 26. Oktober eine Sondersitzung einberufen, um sich mit den aktuellen Kampfhandlungen zu befassen. Werden die Staaten diesen Moment nutzen, um ihre Stimme für Gerechtigkeit zu erheben?