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Usbekistan/Deutschland: Menschenrechte in den Mittelpunkt der Gespräche stellen

Anstehenden Besuch als Chance, Usbekistans Präsidenten zur Umsetzung seiner Reformagenda zu bewegen

Der Präsident der Republik Usbekistan Shavkat Mirziyoyev hält eine Rede auf der 46. Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen am 22. Februar 2021. © Government of Uzbekistan

(Berlin, 28. April 2023) – Deutsche Regierungsvertreter*innen sollten sicherstellen, dass bei den Gesprächen mit dem usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev Anfang Mai dieses Jahres Menschenrechte eine zentrale Rolle einnehmen, so Human Rights Watch heute.

Der Besuch des usbekischen Präsidenten in Deutschland findet nur wenige Tage nach dem Referendum über eine neue Verfassung am 30. April statt, die usbekischen Regierungsvertreter*innen zufolge ein „neues Usbekistan“ hervorbringen wird. Der usbekische Präsident wird am 3. Mai Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und weitere hochrangige deutsche Regierungsvertreter*innen treffen.

„Deutschland wird dem usbekischen Präsidenten einen warmen Empfang bereiten, was einem offenen Austausch zu Menschenrechtsfragen jedoch nicht im Weg stehen sollte“, sagte Hugh Williamson, Direktor für Europa und Asien im Berlin-Büro von Human Rights Watch. „Vor dem Hintergrund der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Usbekistan kommt der deutschen Seite eine bedeutende Rolle dabei zu, Präsident Mirziyoyev zur Umsetzung seiner vielen Reformversprechen anzuhalten.“

Im Mittelpunkt der Gespräche werden voraussichtlich die Themen Handel und Investitionen stehen. In der letzten Zeit war im bilateralen Handel zwischen Deutschland und Usbekistan ein „dynamisches Wachstum“ zu verzeichnen. Der gesamte Umsatz betrug 2022 schätzungsweise 1,3 Mrd. Euro. Darüber hinaus ist die Bundesregierung angesichts der Unterstützung der Ukraine nach der russischen Invasion daran interessiert, auch die politischen Beziehungen zu Usbekistan zu stärken. Zu diesem Zweck besuchte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock das Land im Oktober 2022.

An der Menschenrechtsentwicklung in Usbekistan im letzten Jahr zeigt sich allerdings, wie dringlich es ist, dass Präsident Mirziyoyev seine Reformagenda erneut zum Schwerpunkt seiner Politik macht und dass die Bundesregierung den Präsidenten und andere Regierungsvertreter*innen dazu anhält, ihre Menschenrechtsversprechen tatsächlich einzuhalten, so Human Rights Watch.

Schließlich müssen usbekische Behörden noch immer dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für 21 tote und mehr als 270 verletzte Demonstrant*innen zur Rechenschaft gezogen werden. Zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen war es bei Straßenprotesten in der autonomen Region Karakalpakstan im Juli 2022 gekommen. Die Proteste richteten sich gegen vorgeschlagene Änderungen der Verfassung, in der der Autonomiestatus der Region Karakalpakstan nicht mehr erwähnt war, und mit der die Region das Recht verloren hätte, in einem Referendum über eine mögliche Unabhängigkeit von Usbekistan abzustimmen. Die Änderungsvorschläge wurden später zurückgenommen.

Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass usbekische Sicherheitskräfte übermäßige und tödliche Gewalt eingesetzt hatten, um vornehmlich friedliche Protestversammlungen aufzulösen. Während usbekische Behörden mehr als 60 Personen wegen angeblicher Beteiligung an den Protesten angeklagt haben, darunter auch Anwält*innen und Journalist*innen, wurde bislang kein einziger Sicherheitsbeamter für den Tod oder die Verletzung der Demonstrant*innen zur Verantwortung gezogen.

Das Gericht, vor dem die Fälle gegen die Demonstrant*innen aus Karakalpakstan verhandelt wurden, ignorierte die Vorwürfe des Hauptangeklagten, Dauletmurat Tajimuratov, über Folter und Misshandlungen und verurteilte ihn zu 16 Jahren Haft. Am 19. April veröffentlichte Tajimuratovs Anwalt eine Videobotschaft, in der dieser beklagt, sein Mandant leide in Haft weiterhin unter Misshandlungen und Schlägen. In Usbekistan bleibt Straffreiheit in Fällen von Folter und Misshandlung weiterhin die Norm.

Deutsche Regierungsvertreter*innen sollten zudem darauf drängen, dass der usbekische Präsident mehr als nur Lippenbekenntnisse zur Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit abgibt, so Human Rights Watch. Usbekische Behörden haben in den letzten Jahren verstärkt streitbare und kritische Blogger*innen ins Visier genommen und sie unter fadenscheinigen Begründungen angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt. Anfang März unterzeichneten beinahe 50 Journalist*innen und Aktivist*innen in Usbekistan einen offenen Brief an Präsident Mirziyoyev, in dem sie auf „die ernsthaften Hindernisse, den Druck und die Einschüchterung“ hinwiesen, denen Medienschaffende in Usbekistan heute ausgesetzt sind.

Verleumdung und Beleidigung, einschließlich der Beleidigung des Präsidenten, bleiben strafbare Handlungen – trotz eines Versprechens von Präsident Mirziyoyev von 2020, beide Straftatbestände zu entkriminalisieren. Ein Mitte Dezember 2022 veröffentlichter Entwurf für ein Informationsgesetz enthält Bestimmungen, die bei einer Verabschiedung des Gesetzes die Meinungsfreiheit einschränken würden.

Die usbekische Generalstaatsanwaltschaft veröffentlichte im Februar 2021 den Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch. Der Überarbeitungsprozess ist seitdem jedoch nicht weiter fortgeschritten. Der Entwurf enthält zahlreiche problematische Artikel, die den internationalen Menschenrechtsnormen widersprechen, etwa viel zu weitreichende Bestimmungen zu Extremismus und Aufstachelung sowie die Kriminalisierung einvernehmlicher sexueller Beziehungen zwischen Männern.

Nicht zuletzt haben usbekische Behörden in den vergangenen Jahren keine Anstalten gemacht, den blockierten Entwurf für ein NGO-Gesetz weiter zu bearbeiten. Im Juni 2022 wurde allerdings ein Dekret erlassen, das von lokalen Nichtregierungsorganisationen, die Geldmittel aus dem Ausland erhalten, erfordert, mit einem staatlich bestimmten inländischen Partner zu kooperieren, wodurch die Regierung die Kontrolle über ihre Aktivitäten erlangt.

Die Bundesregierung sollte darauf drängen, dass Präsident Mirziyoyev sicherstellt, dass sich unabhängige Organisationen registrieren und ohne Einmischung der Regierung aktiv werden können und dass im neuen Strafgesetzbuch alle Bestimmungen, die Rechte verletzen, entweder entfernt oder abgeändert werden, sagte Human Rights Watch.

Am 30. April stimmen die usbekischen Bürger*innen in einem Referendum über eine neue Verfassung ab. Neben anderen Fortschritten sieht der Vorschlag vor, dass Bürger*innen die Möglichkeit haben, bei einer Verletzung ihrer verfassungsgemäßen Rechte und Freiheiten vor das Verfassungsgericht zu ziehen (Art. 54). Zudem garantiert die neue Verfassung die Gleichstellung von Männern und Frauen (Art. 44) und sie würde die Todesstrafe abschaffen (Art. 25). Sollte die neue Verfassung tatsächlich angenommen werden, würde sich die Amtszeit des Präsidenten allerdings von 5 auf 7 Jahre verlängern und würde Präsident Mirziyoyev die Möglichkeit geben, zwei weitere Amtszeiten zu bestreiten.

„Angesichts einer Verfassungsreform, die Präsident Mirziyoyev den Weg für einen langjährigen Machterhalt ebnet, ist es von herausragender Bedeutung, dass Deutschland den Menschenrechtsbedenken eine ebenso zentrale Rolle zumisst wie den anderen Punkten auf seiner bilateralen Agenda mit Usbekistan“, sagte Williamson. „Präsident Mirziyoyev sollte laut und klar zu hören bekommen, dass in seinem ‚neuen Usbekistan‘ umgehend Menschenrechtsreformen vonnöten sind.“

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