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Members of the Parliamentary Assembly of the Council of Europe take part in a debate on the functioning of democratic institutions in Turkey, at the Council of Europe in Strasbourg, France, April 25, 2017. © 2017 Reuters
Der Europarat, Europas führendes Menschenrechtsorgan, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Wirkliche Feierstimmung mag derzeit jedoch nicht aufkommen. Krisen überschatten das Jubiläumstreffen der Außenminister aus den 47 Mitgliedstaaten in Helsinki.

Russland hat seine Finanzierung eingefroren und droht in einem langjährigen Streit mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) damit, die Organisation zu verlassen. Auslöser dieses Streits war die russische Besetzung der Krim im Jahr 2014. Auch die Türkei hat ihre Mittel gekürzt, aus Missmut über die Prüfung der Menschenrechtslage in dem Land durch die Versammlung. Zudem hat sich die Versammlung noch nicht vollständig von einem großen Korruptionsskandal erholt, als Aserbaidschan die PACE-Mitglieder dafür bezahlte, Kritik an der schlechten Menschenrechtsbilanz des Landes abzuschwächen. Die regierende konservative Partei Großbritanniens hat wiederum offen erwogen, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verlassen - was bedeuten würde, dass Großbritannien auch den Europarat verließe, sobald der Brexit durch ist.

Aber der Europarat hat eine größere Geschichte, die es verdient, gehört zu werden. Es ist die Geschichte einer Institution, die ursprünglich von Winston Churchill vorangetrieben wurde und die dann mit der Europäischen Menschenrechtskonvention die rechtlichen Grundlagen der Menschenrechte in der Region gelegt hat. Heute bietet die Konvention 830 Millionen Menschen von Lissabon bis Wladiwostok Schutz für ihre Menschenrechte und einen Rechtsbehelf gegen Verstöße durch die Regierungen. Einige Konventionen des Europarates, z.B. zur Beendigung häuslicher Gewalt gegen Frauen und zum Datenschutz, haben weltweit Standards gesetzt.

Ziel der Organisation ist es, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ganz Europa zu wahren. Die große Bandbreite der Mitgliedsländer, darunter alle Mitglieder der Europäischen Union, sechs postsowjetische Staaten, Balkanländer und die Türkei, verlangt, dass die Kerninstitutionen der Organisation die Haupttreiber für dieses Ziel sind. Dazu gehören der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der stärkste Menschenrechtsgerichtshof der Welt und wohl das Juwel in der Krone des Europarates, die Venedig-Kommission (Europas bestes Expertengremium für Verfassungsrecht) und der Menschenrechtskommissar. Diese und andere wie die Parlamentarische Versammlung spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Bedenken hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen genau zu bestimmen und zu formulieren, bei Gesetzesänderungen zu beraten und Opfern in dieser heterogenen Region Rechtsbehelfe anzubieten.

Hier ein paar Einblicke in die jüngste Arbeit des Unternehmens.

Trotz schwerwiegender Angriffe auf die Menschenrechte in Russland hat die Regierung in Moskau kürzlich auf Anordnung des EGMR 30.000 EUR Entschädigung an zwei Aktivistinnen der Protest-Band Pussy Riot gezahlt. Grundlage hierfür waren die Menschenrechtsverletzungen, die sie 2012 in Haft erlitten hatten. In den letzten zwei Jahren hat Russland 23,3 Millionen Euro an russische Bürger gezahlt, nachdem das Gericht jeweils ein entsprechendes Urteil gesprochen hatte. Unter den Betroffenen waren Demonstranten, Häftlinge, lesbische und schwule Aktivisten. Angesichts einer fehlenden unabhängigen Justiz in Russland ist der EGMR für viele Menschen zu einem wichtigen Gericht der letzten Instanz geworden.

In diesem Monat hat das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter, ein weiteres wichtiges Organ des Europarates, geprüft, wie Deutschland abgewiesene Asylbewerber abschiebt und die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlicht. Das Komitee überwachte einen von der deutschen Polizei im vergangenen Jahr organisierten Flug von München nach Kabul und kritisierte, dass Rückkehrpflichtige oft erst in letzter Minute über ihre unmittelbar bevorstehende Abschiebung informiert wurden. Ebenso kritisierte es die Misshandlung eines Rückkehrpflichtigen durch die Polizei. Dieser hatte sich seiner Abschiebung widersetzt. Deutschland hat viele der Empfehlungen des Komitees akzeptiert.

Und im vergangenen August hat Aserbaidschan Ilgar Mammadov, einen politischen Aktivisten, aus Willkür-Haft entlassen. Das Ministerkomitee des Europarates, das durch die amtierenden Außenminister der Mitgliedstaaten gebildet wird, hatte die Inhaftierung von Mammadow wiederholt verurteilt. In einem beispiellosen Schritt hatte das Ministerkomitee schließlich ein Gerichtsverfahren gegen Baku wegen seiner Inhaftierung erwirkt. Der Europarat hat zwar oft Schwierigkeiten, seine Autorität durchzusetzen, hier ist es ihm jedoch gelungen.

„Die modernen Demokratien Europas können nicht ohne eine wirklich unabhängige Justiz funktionieren.“ Diese Worte von Dunja Mijatović, der Menschenrechtskommissarin des Europarates, waren im März eine Botschaft an die polnische Regierung, die damit aufgefordert wurde, sich nicht mehr in die Arbeitsweise der Justiz einzumischen. Mijatovićs Standpunkt war nach einem fünftägigen Besuch bei hochrangigen Beamten in Warschau nicht beliebt, spiegelte aber ihren Ansatz sowie den ihrer Vorgänger wider: Berechtigte Kritik muss offen ausgesprochen werden.

Der Europarat steht vor großen Herausforderungen. Die Krise wegen Russland hat zu schweren finanziellen Problemen geführt. Der EGMR ist Opfer seines eigenen Erfolgs mit einem Rückstand von Tausenden von Fällen und Staaten, die bisweilen bereit sind, Entschädigungen zu zahlen, ohne die substanziellen Menschenrechtsverletzungen anzugehen. Die Parlamentarische Versammlung kämpft darum, ihre Legitimität als geeinte und mächtige Stimme für Demokratie und Menschenrechte auf dem gesamten Kontinent zu behaupten.

Dennoch verdienen der Rat und seine Expertengremien die uneingeschränkte politische Unterstützung seiner Mitglieder. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in allen Mitgliedstaaten tatsächlich umgesetzt wird. Das sollte die Botschaft der Jubiläumsfeiern in Helsinki diese Woche sein.

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