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Flüchtlinge mit ihren Kinder gehen zu einem Schlauchboot, um von Cesme in der Türkei auf die griechische Insel Chios zu segeln. © 2015 Reuters

(Brüssel) – Der EU-Deal mit der Türkei ist eine mangelhafte und potentiell gefährliche Reaktion auf die Flüchtlingsströme, die die Ägäis überqueren, so Human Rights Watch. Führende Politiker der EU und der Türkei werden am 7. März 2016 in Brüssel zusammenkommen, um die Umsetzung eines gemeinsamen Aktionsplans zu besprechen. Die EU hofft, dass mithilfe dieses Plans die Zahl der Flüchtlinge, die von der Türkei nach Griechenland kommen, begrenzt wird.

Human Rights Watch hat heute ein Dokument mit Fragen und Antworten zum Thema herausgegeben, darunter auch eine detaillierte Begründung, warum die Türkei nicht als sicheres Asylland angesehen werden soll.

„Die EU-Regierungschefs geraten in Panik und wollen noch vor dem Frühling den Flüchtlingsstrom stoppen. Hierfür sind sie anscheinend auch bereit, die Menschenrechte über Bord zu werfen“, so Judith Sunderland, stellvertretende Leiterin der Abteilung Europa von Human Rights Watch. „Zu sagen, bei der Türkei handele es sich um ein sicheres Asylland ist reines Eigeninteresse und Wunschdenken. Die Türkei ist kein sicheres Asylland und die Vereinbarung könnte weit mehr Schaden anrichten, als dass sie Gutes bewirkt.”

Im November 2015 haben die EU und die Türkei das umstrittene Abkommen unterzeichnet. Hierbei sicherte die EU der Türkei Zahlungen in Höhe von 3 Milliarden Euro zu, ebenso wie politische Zugeständnisse. Im Gegenzug soll die Türkei sich stärker bemühen, die Migrations- und Flüchtlingsströme nach Europa zu reduzieren. Die EU hat ein großes Interesse daran, dass die Türkei weitestgehend verhindert, dass Menschen sich von der türkischen Küste aus in Booten auf den Weg in die EU machen. Seit die Vereinbarung getroffen wurde, haben im Durchschnitt 2.500 Menschen täglich auf diese Weise die Ägäis überquert. Die drei Milliarden Euro sollen genutzt werden, um den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, Bildung und anderen Leistungen der Grundversorgung für die mehr als zwei Millionen Syrer zu verbessern, die bereits in der Türkei sind. 

Die Türkei erfüllt die zwei wichtigsten Bedingungen nicht, um als sicheres Asylland eingestuft zu werden, so Human Rights Watch. Es bietet Flüchtlingen keinen effektiven Schutz und hat Asylsuchende wiederholt zurück nach Syrien abgeschoben. Die Türkei hat 1951 die Flüchtlingskonvention ratifiziert. Sie ist jedoch das einzige Land, das die Konvention geographisch begrenzt anwendet, so dass nur Europäer in der Türkei einen Flüchtlingsstatus erhalten können.

Zwar ist die Türkei großzügig mit Syrern umgegangen und hat mehr als 2 Millionen Flüchtlingen vorübergehen Schutz geboten, jedoch wird den Flüchtlingen der Zugang zu Arbeit und Bildung erheblich erschwert. Vor Kurzem hat die Türkei Syrern mit einem vorläufigen Schutzstatus das Recht eingeräumt, unter bestimmten Bedingungen zu arbeiten. Die meisten anderen Flüchtlingsgruppen, darunter Menschen aus dem Irak, Afghanistan und Iran, sind in der Türkei sind rechtlich sogar noch schlechter gestellt.

Eine stärkere Umsiedlungen von Flüchtlingen aus der Türkei könnte eine glaubhafte Alternative zu Schleusern und tödlichen Bootsüberfahrten sein, so Human Rights Watch. Verschiedene Vorschläge hierzu wurden jedoch nicht umgesetzt. Die Zahl derer, die auf diesem Weg in der EU aufgenommen wird, ist mehr als dürftig. 2015 hatten sich EU-Regierungen verpflichtet, innerhalb der folgenden zwei Jahre 22.500 Flüchtlinge aus verschiedenen Gebieten aufzunehmen. Bis Mitte Januar 2016 kamen jedoch weniger als 800 Menschen auf diesem Weg nach Europa.

Der EU-Türkei-Gipfel findet zu einer Zeit statt, in der die Spannungen an den EU-Grenzen und den Grenzen des westlichen Balkans sich verschärfen. Etwa 11.000 Migranten werden an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien festgehalten. Grund hierfür sind diskriminierende Grenzbeschränkungen. Weitere Tausende sitzen in Athen oder auf griechischen Inseln fest, wo sich die humanitäre Krise immer weiter zuspitzt. Als späte, aber positive Reaktion schlug die Europäische Kommission vor, Griechenland und andere Länder mit 700 Millionen Euro zu unterstützen. So soll den betroffenen Ländern geholfen werden, den Zustrom an Flüchtlingen über die nächsten drei Jahre zu bewältigen.

Mehr als eine Million Migranten erreichten 2015 die EU-Küsten; 2016 haben bereits mehr als 130.000 Flüchtlinge das Mittelmeer überquert. Die große Mehrzahl kam hierbei über die Ägäis von der Türkei nach Griechenland. Seit dem 1. Januar 2016 sind mehr als 400 Frauen, Männer und Kinder ums Leben gekommen oder gelten als vermisst. Laut dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen stammen mehr als 90 Prozent der Menschen, die seit Anfang 2016 angekommen sind, aus einem der drei Länder mit den höchsten Flüchtlingsquoten: Syrien, Afghanistan und Irak.

„Die EU soll eine globale Führungsrolle übernehmen. Sie soll gemeinsam handeln und sich solidarisch mit den Flüchtlingen zeigen”, so Sunderland. „Die Kapazitäten von Ländern wie der Türkei zu verbessern, so dass die Flüchtlinge dort effektiv geschützt werden können ist ein lobenswertes Ziel für die Zukunft. Es ist jedoch kein Ersatz für die gemeinsame Verantwortung, Asylsuchende in Zeiten einer globalen Flüchtlingskrise anständig aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen.“

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