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(New York, 11. November 2011) – Die systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten durch Sicherheitskräfte der syrischen Regierung in Homs sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Vergehen umfassen Folter und rechtswidrige Tötungen. Die Arabische Liga soll Syriens Mitgliedschaft auf ihrer Versammlung am 12. November 2011 in Kairo suspendieren. Sie soll den UN-Sicherheitsrat auffordern, ein Waffenembargo und Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, und den Internationalen Strafgerichtshof beauftragen, Ermittlungen zu Syrien einzuleiten.

Der 63-seitige Bericht „‘We Live as in War‘: Crackdown on Protesters in the Governorate of Homs“ basiert auf mehr als 110 Interviews mit Opfern und Zeugen aus der Stadt Homs und der gleichnamigen Provinz. Die Region ist ein Zentrum des Protests gegen die Regierung von Präsident Bashar al-Assad. Der Bericht konzentriert sich auf Menschenrechtsverletzungen durch syrische Sicherheitskräfte von Mitte April bis Ende August 2011. In diesem Zeitraum töteten Angehörige der Sicherheitskräfte mindestens 587 Zivilisten, mehr als in allen anderen Provinzen.

Nachdem die syrische Regierung am 2. November mit der Arabischen Liga vereinbarte, eine politische Lösung zu finden, töteten Sicherheitskräfte in Homs mindestens 104 Menschen. Da Syrien sich nicht an die Vereinbarungen hält, haben die Außenminister der arabischen Staaten eine Krisensitzung am 12. November einberufen.

„Homs ist ein Mikrokosmos, in dem die Brutalität der syrischen Regierung sichtbar wird“, sagt Sarah Leah Whitson, Direktorin der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch. „Die Arabische Liga muss Präsident Assad klarmachen, dass die Missachtung ihres Übereinkommens Konsequenzen hat und dass sie nun den Sicherheitsrat darin unterstützt, das Blutbad zu beenden.“

Homs hat sich seit dem Beginn der regierungskritischen Proteste im März 2011 zu einem Unruheherd entwickelt. Human Rights Watch hat Dutzende Vorfälle dokumentiert, in denen Sicherheitskräfte und regierungsnahe Milizen überwiegend friedliche Proteste brutal angegriffen und zerschlagen haben. Eine Frau, die am 15. August mit ihrem dreijährigen Sohn an einem Protest in Bab Dreib nahe Homs teilnahm, beschreibt, wie sie angegriffen wurde:

Wir sind mit der ganzen Familie gegen 10:30 oder 11:00 Uhr zu einer friedlichen Demonstration gegangen. Es war ruhig, alles schien in Ordnung zu sein. Plötzlich sind zwei Autos aufgetaucht und haben das Feuer auf uns eröffnet. Sie haben auf Menschen gezielt, die versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, oder schon am Boden lagen. Es waren weiße Kia Ceratos mit gefärbten Scheiben, wie die, die vom Nachrichtendienst der Luftwaffe gefahren werden. Sie haben mit Maschinenpistolen geschossen. Mein Mann hat versucht, unseren Sohn zu beschützen, aber er hat eine Kugel in den Bauch bekommen. Die Ärzte haben zwar geschafft, die Kugel zu entfernen, aber er ist schwer verletzt.

Darüber hinaus haben Sicherheitskräfte großangelegte Militäroperationen in einigen Provinzstädten durchgeführt, in deren Verlauf zahllose Menschen verletzt und getötet wurden, unter anderem in Tal Kalakh, Talbiseh und der Hauptstadt Homs. In der Regel wurde mit schweren, automatischen Waffen, etwa Luftabwehrwaffen auf gepanzerten Fahrzeugen, in Wohnviertel gefeuert, um die Anwohner einzuschüchtern. Daraufhin sind die Sicherheitskräfte mit Personentransportpanzern und anderen Militärfahrzeugen in die Viertel eingedrungen. Sie haben die Telefonleitungen gekappt und Kontrollpunkte errichtet, um die Bewegungsfreiheit der Anwohner und ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten einzuschränken. Ein Anwohner von Bab Sba‘, einem Stadtteil, der besonders stark von der Gewalt betroffen war, beschreibt, wie Sicherheitskräfte das Viertel einkesselten:

Am 21. Juli haben Sicherheitskräfte Bab Sba‘ vollständig abgeriegelt. Wenn Autos versucht haben, durch die Blockade zu kommen, wurden sie von schweren Militärfahrzeugen beschossen. Heckenschützen haben auf Fußgänger und Fahrradfahrer geschossen. Als wir am Morgen des 21. Juli versucht haben, Nahrung und Medikamente in das Viertel zu bringen, haben die Sicherheitskräfte das Feuer auf uns eröffnet. Sie haben eine Person getötet, eine zweite verletzt und die dritte verhaftet.

Wie überall in Syrien haben die Sicherheitskräfte in der Provinz Homs Tausende Menschen willkürlich verhaftet, verschwinden lassen und in Haft systematisch gefoltert. Während die meisten nach einigen Wochen aus der Haft entlassen wurden, fehlt von einigen hundert Personen immer noch jede Spur. Die meisten Inhaftierten sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, aber auch Kinder, Frauen und ältere Menschen wurden verhaftet. Zahlreiche Zeugen geben an, dass ihre Eltern oder Großeltern im Alter zwischen 60- und 70 Jahren inhaftiert wurden.

Folter von Gefangenen ist ein Massenphänomen. Human Rights Watch hat 25 ehemalige Häftlinge aus Homs befragt. Jeder von ihnen wurde gefoltert. Mindestens zwölf von 17 dokumentierten Todesfällen in Haft sind eindeutig eine Folge von Folter. Lokale Aktivisten sprechen von wesentlich höheren Zahlen. Sie gehen davon aus, dass mindestens 40 Personen aus der Provinz Homs zwischen April und August in Haft gestorben sind.

Ehemalige Häftlinge berichten, dass Angehörige der Sicherheitskräfte sie mit heißen Metallstangen verbrannt und mit Elektroschocks misshandelt haben. Sie mussten stunden- bis tagelang in so genannten „Stress-Positionen“ verharren. Sicherheitskräfte haben improvisierte Hilfsmittel, etwa Autoreifen, die als dulab bekannt sind, benutzt, um Gefangene in Haltungen zu zwingen, in denen die verletzlichsten Körperteile, etwa Fußsohlen und Kopf, leicht zu verletzen sind. Ein Zeuge beschreibt die Folter im Stützpunkt des militärischen Geheimdiensts in Homs:

Sie brachten mich in einen ziemlich großen Raum voller Menschen. Meine Augen waren verbunden, aber ich konnte Leute um mich herum schreien und um Wasser flehen hören. Ich habe Schüsse von elektrischen Betäubungspistolen gehört und Befehle, Menschen an ihren Händen aufzuhängen. Als ich an der Reihe war, haben sie mich verspottet: “Herzlich willkommen, du Revolutionsführer”. Sie fragten mich, was in Tal Kalakh los sei, und ich antwortete, dass ich das nicht weiß. Dann hat die Folter angefangen.

Sie haben mich mit Kabeln geschlagen und mich an den Händen an die Decke gehängt, so dass meine Füße den Boden nicht berührten. Ich glaube, ich habe da sechs Stunden lang gehangen, aber es ist schwer, die Zeit einzuschätzen. Sie haben mich geschlagen, mit Wasser übergossen und mit Elektroschocks betäubt. In der Nacht haben sie mich zusammen mit etwa 25 anderen Gefangenen in eine Zelle gesteckt, die etwa drei mal drei Meter groß war. Wir waren richtig eingequetscht. Am nächsten Morgen haben sie mich zum nächsten Verhör abgeholt. Diesmal haben sie mich „zusammengefaltet“, also meine Beine und meinen Kopf in einen Reifen gedrückt. Sie auf meinen Rücken und meine Fußsohlen eingeschlagen.

Eine der beunruhigendsten Entwicklungen ist die Zunahme der Todesfälle in Haft. In fast allen der 17 Todesfälle, die Human Rights Watch bestätigt, geben Zeugen an, dass sie keinerlei Informationen über das Schicksal und den Verbleib ihrer Verwandten hatten, die während einer Demonstration oder an einem Kontrollpunkt verhaftet wurden. Irgendwann erhielten sie einen Anruf von einem lokalen, öffentlichen Krankenhaus und wurden aufgefordert, die Leiche abzuholen. In mindestens zwölf Fällen sind auf Photos oder Videos der Leichen eindeutig Verletzungen erkennbar, die auf Folter hindeuten, etwa Blutergüsse, Schnitte und Verbrennungen.

Syrische Behörden haben wiederholt behauptet, dass die Gewalt in Homs von bewaffneten Terroristen verübt wurde, die vom Ausland angestachelt und bezahlt wurden. Jedoch waren die Demonstranten bei den meisten Vorfällen unbewaffnet. In einigen Fällen haben bewaffnete Überläufer aus den Reihen der Sicherheitskräfte nicht eingegriffen, wenn das Feuer auf Demonstranten eröffnet wurde.

Anwohner berichten, dass seit Juni immer mehr Angehörige der Armee zu den Demonstranten überlaufen. In manchen Vierteln gibt es zwischen 15 und 20 Überläufer, die manchmal eingreifen, um Demonstranten vor Beschuss zu schützen. Darüber hinaus haben das zunehmend gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte und das notorische Misstrauen dazu geführt, dass Anwohner in einigen Vierteln in Homs, vor allem in Bab Sba‘ und Bab `Amro, lokale Selbstverteidigungskomitees gegründet haben. Diese sind oft bewaffnet, meist mit Handfeuerwaffen, zum Teil auch mit Raketenwerfern.

Gewaltakte von Protestanten und Überläufern müssen untersucht werden. Dennoch rechtfertigen sie in keiner Weise die unangemessene und systematische Gewaltanwendung gegen Demonstranten. Diese übertrifft eindeutig jede gerechtfertigte Reaktion auf jede denkbare Bedrohung durch eine überwiegend unbewaffnete Menschenmenge. Genau so wenig können Folter und willkürliche, geheime Inhaftierungen damit gerechtfertigt werden, dass in der Opposition bewaffnete Gruppen existieren.

Die Entscheidung einiger Demonstranten und Überläufer, sich zu bewaffnen und zur Wehr zu setzen, zeigt, dass das Vorgehen der syrischen Regierung eine gefährliche Eskalation bewirkt hat. Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass die massive Gewaltanwendung unverzüglich beendet wird, bevor Syrien in einen noch blutigeren Konflikt rutscht.

SANA, die offizielle Nachrichtenagentur in Syrien, berichtete am 6. November, dass die Regierung anlässlich des Eid al-Adha 553 Gefangene freigelassen hat, die in die gegenwärtigen Ereignisse verwickelt seine, aber kein Blut an ihren Händen hätten. Die Behörden haben keine Namen der Entlassenen veröffentlicht und drei Rechtsanwälte, die Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten vertreten, geben an, dass keiner ihrer Klienten entlassen wurde.

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