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EU: Rechtsreform in Usbekistan weiter unterstützen

Einflussmöglichkeit durch Sanktionen soll erhalten bleiben

Die Europäische Union soll ihre Sanktionen gegen das Regime in Usbekistan beibehalten, bis Taschkent wesentliche Verbesserungen bezüglich der Menschenrechte umsetzt, teilte Human Rights Watch heute mit.

Die Europäische Union führt zurzeit die halbjährliche Überprüfung der Sanktionen durch und die Außenminister sollen während des anstehenden Ministerratstreffens (Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen - GAERC) am 28. und 29. April in Luxemburg eine endgültige Entscheidung darüber treffen. Es geht darum, ob die EU die unter Vorbehalt stehende Aussetzung der meisten Sanktionen ausweiten oder sie wieder vollständig in Kraft setzen soll. Die Sanktionen wurden in Folge des Massakers von Andischan im Mai 2005 und dem darauf folgenden Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft verhängt.

„Usbekistans zögerliche Schritte zur Verbesserung der Menschenrechtslage sind ein direktes Ergebnis der EU-Sanktionen“, so Holly Cartner, Leiterin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Europas Politiker sollen diese wertvolle Einflussmöglichkeit nutzen, um tatsächlich eine nachhaltige Besserung der Menschenrechtslage in Usbekistan sicher zu stellen, anstatt Taschkent verfrüht zu belohnen.“

Für die EU-Minister, die über die Usbekistan-Politik entscheiden, ist von zentraler Bedeutung, dass alle Sanktionen automatisch im Oktober 2008 auslaufen, wenn sie nicht einvernehmlich erneuert werden. Dies ist sehr unwahrscheinlich angesichts der mangelnden Unterstützung der Sanktionen durch einiger EU-Mitgliedstaaten.

Nächste Woche wird die EU wahrscheinlich die Aussetzung der Sanktionen ausweiten. Die Entscheidung wird als angemessene Antwort auf die jüngsten positiven Schritte Taschkents gerechtfertigt werden. Human Rights Watch fordert die EU auf, eine solche Aussetzung mit einer Verlängerung der Sanktionen insgesamt über das bisherige Auslaufdatum hinaus zu verknüpfen. Nur so kann weiter Druck auf Taschkent ausgeübt werden, bis alle Beurteilungskriterien der EU erfüllt sind. Diese beinhalten, dass die verhafteten Menschenrechtsaktivisten freigelassen und die Unterdrückung der Zivilgesellschaft beendet wird.

„Wenn die EU es mit der Verbesserung der Menschenrechtslage in Usbekistan ernst meint, kann sie die die Sanktionen nicht im Oktober auslaufen lassen“, sagte Cartner.

In einem Brief an die EU-Außenminister vor Beginn der Ratssitzung stellte Human Rights Watch fest, dass die jüngsten positiven Schritte Taschkents die Effektivität der Sanktionen belegen. Dazu gehören die Freilassung und/oder Amnestie von acht fälschlicherweise festgenommenen Menschenrechtsverteidigern und ein Übereinkommen, das dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes den Zugang zu Gefängnissen gewährt.

Human Rights Watch erkennt, dass Taschkent in den letzten Monaten Schritte in die richtige Richtung unternommen hat. Gleichzeitig darf dies jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die allgemeine Menschenrechtslage in dem Land weiterhin äußert schlecht ist. Außerdem hat die usbekische Regierung noch nicht annähernd die EU-Kriterien erfüllt:

• Aus politischen Gründen werden weiterhin mindestens zwölf Menschenrechts-verteidiger (einer von ihnen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik) sowie zahlreiche politische Dissidenten festgehalten.
• Dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen wird weiterhin der Zugang in das Land verwehrt.
• Die Zivilgesellschaft wird unterdrückt und Menschenrechtsaktivisten, die einer Verhaftung entgehen konnten,, und ihre Familien werden bedroht.
• Dem Leiter des Taschkenter Büros von Human Rights Watch wurde keine Akkreditierung gewährt, selbst Wochen nachdem gemäß usbekischen Vorschriften die Frist für eine Antwort abgelaufen war.
• Es wurden keine effektiven Maßnahmen gegen die Straflosigkeit für Folter umgesetzt. Folter ist weiterhin weit verbreitet, trotz des kürzlich eingeführten Gesetzes zu Haftprüfungsverfahren.
• Den Opfern des Massakers von Andischan im Mai 2005 wird weiterhin keine Gerechtigkeit gewährt; Personen, die mit den Ereignissen in Andischan in Verbindung gebracht werden, werden verfolgt. Dazu gehören Flüchtlinge, die das Land direkt nach dem Massaker verlassen haben und später nach Usbekistan zurückgekehrt sind. Dies verursacht bis heute immer neue Flüchtlingsströme.
• Die Zwangsrückkehr von Flüchtlingen aus Andischan wird weiterhin gefordert. Diese Woche wurde ein Mann, der direkt nach dem Massaker floh, von den Behörden Kasachstans gemäß einem usbekischen Auslieferungsersuchen festgenommen.

Human Rights Watch hat auch besorgniserregende Berichte erhalten, dass usbekische Behörden zumindest einige der freigelassenen und/oder begnadigten Menschenrechtsaktivisten dazu gedrängt hat, Aussagen mit dem Versprechen zu unterschreiben, sich nicht mehr für die Menschenrechte einzusetzen. Dies steht in klarem Widerspruch zur EU-Forderung, dass die usbekische Regierung die Bedrohung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern beenden und Nichtregierungsorganisationen unabhängig arbeiten lassen soll.

Erst letzte Woche verurteilten die Behörden Yusuf Jumaew zu fünf Jahren Haft auf der Grundlage scheinbar politisch motivierter Anklagepunkten, unter anderem „Beleidigung“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Jumaew, Dichter und politischer Dissident, hat den Rücktritt von Präsident Islom Karimow bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007 gefordert.

„Jahrelange Erfahrung sollte der EU gezeigt haben, dass die usbekische Regierung nur unter Druck Reformen umsetzt, und jetzt sind Sanktionen der beste Weg, um Druck auszuüben“, so Cartner.

Hintergrund

Die Europäische Union hat gegen Usbekistan erstmals im Oktober 2005 Sanktionen verhängt. Damit reagierte die Union auf die Weigerung Taschkents, einer internationalen Untersuchungskommission über das Massaker in Andischan im Mai 2005 zuzustimmen, und auf die beispiellose Unterdrückung der Zivilgesellschaft durch die Regierung nach dem Ereignis. Die Sanktionen bestanden aus einer Visumssperre für 12 Regierungsbeamte, die die EU als „direkt verantwortlich für die willkürliche und unverhältnismäßige Gewaltanwendung in Andischan“ hielt, einem Waffenembargo und der teilweisen Aufhebung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA), das die Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen der EU und Usbekistan regelt. Es war das erste Mal in der Geschichte der EU, dass ein derartiges Abkommen wegen Menschenrechtsfragen außer Kraft gesetzt wurde.

Seit die EU die Sanktionen verhängt hat, wurden sie schrittweise abschwächt, obwohl die Regierung Usbekistans den Menschenrechtskriterien der EU nicht nachgekommen ist. Die EU beendete die teilweise Suspendierung des PKA im November 2006 und strich im Mai 2007 die Namen von vier Regierungsbeamten von der Liste der mit einer Visumssperre belegten Personen. Im Oktober 2008 werden die Sanktionen automatisch auslaufen, wenn sie nicht einvernehmlich verlängert werden – ein unwahrscheinliches Szenario wegen der mangelnder Unterstützung durch einige EU-Mitgliedsstaaten.

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