Skip to main content

Menschenrechte ins Zentrum bei deutsch-türkischen Gesprächen

Bei Erdogan-Besuch auch über Schutz von Zivilist*innen in Konfliktgebieten sprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz, links, und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara, Türkei, 14. März 2022 © 2022 Burhan Ozbilici/AP Photo

Am 17. November wird der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin treffen.

Die Kämpfe zwischen den israelischen Streitkräften und bewaffneten palästinensischen Gruppen werden wahrscheinlich die Tagesordnung bestimmen. Deutschland und die Türkei mögen die Lage in Israel und Palästina unterschiedlich beurteilen. Dennoch sollten sich Scholz und Erdogan dringend auf Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung einigen, der Massengräuel drohen. Beide Politiker sollten Kriegsverbrechen verurteilen, unabhängig davon, wer sie verübt hat. Sie sollten sich außerdem zu dem Recht auf friedlichen Protest bekennen und sich verpflichten, Antisemitismus und Islamophobie zu bekämpfen.

Bundeskanzler Scholz, der behauptet hat, Israel handle gemäβ den Regeln des Völkerrechts, sollte die israelischen Behörden dafür verurteilen, die Versorgung der Bevölkerung des Gazastreifens mit Lebensmitteln, Wasser, Treibstoff und Strom unterbrochen zu haben, und sie auffordern, von rechtswidrigen, wahllosen und unverhältnismäßigen Angriffen abzusehen.

Erdogan wiederum sollte die Angriffe der Hamas auf die Zivilbevölkerung am 7. Oktober und die anschließenden wahllosen Raketenangriffe verurteilen sowie die Hamas und andere palästinensische Gruppen auffordern, die als Geiseln genommenen Zivilist*innen unverzüglich freizulassen.

Human Rights Watch hat die Verbündeten Israels, darunter auch Deutschland, sowie die Unterstützer der bewaffneten palästinensischen Gruppen aufgefordert, ihre Waffenlieferungen an die Kriegsparteien in Israel und im Gazastreifen auszusetzen, da die reale Gefahr besteht, dass die Waffen für schwere Verstöße gegen das Kriegsrecht eingesetzt werden.

Bei dem Treffen in Berlin müssen Bundeskanzler Scholz und Präsident Erdogan auch dringend über die kritische Situation in der Türkei in Sachen Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien sprechen. Mit der Weigerung, den Menschenrechtsverteidiger Osman Kavala und den kurdischen Politiker Selahattin Demirtas freizulassen, so wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil fordert, ist das Land auf Kollisionskurs mit dem Europarat gegangen, der führenden Menschenrechtsinstitution Europas. Deutschland muss den türkischen Präsidenten daran erinnern, dass die Nichtumsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs Konsequenzen für die Türkei nach sich ziehen könnte, z. B. den Verlust des Stimmrechts in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.

Auch das Thema Migration wird wahrscheinlich auf der Tagesordnung stehen. Die EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, unterstützen Erdogan mit Milliarden Euro bei der Aufnahme von schätzungsweise 3,3 Millionen syrischen Geflüchteten. Sie sollten ihm klar machen, dass diese finanzielle Unterstützung kein Freibrief für die Türkei darstellt, Asylbewerber*innen völkerrechtswidrig zurückzuweisen oder syrische Geflüchtete zur angeblich „freiwilligen“ Rückführung in sogenannte sichere Zonen in Nordsyrien zu drängen.

Deutschland sollte beim Thema Migration innerhalb der Europäischen Union die Menschenrechte ins Zentrum stellen. Die Türkei sollte aufgefordert werden, den Schutz für Syrer*innen, Afghan*innen und andere Geflüchtete aufrechtzuerhalten und Menschen mit glaubwürdigen Schutzansprüchen nicht länger willkürlich festzuhalten und in Länder abzuschieben, in denen sie großen Gefahren ausgesetzt sind.

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.