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Volksgruppen in Namibia sollten bei Reparationsabkommen mit Deutschland mitreden

Echte Aufarbeitung muss Nachkommen der Opfer aus Kolonialzeit einbeziehen

Oberhäupter der Nama- und Ovaherero-Völker während des jährlichen "Reparationsmarsches" im namibischen Swakopmund im April 2022. Sie fordern Entschädigungen für die anhaltenden Folgen des von der deutschen Kolonialherrschaft zwischen 1904 und 1908 begangenen Völkermordes. © 2022 OTA and NTLA

Während der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia zwischen 1904 und 1908 haben die Kolonisatoren schätzungsweise 80 Prozent aller Ovaherero und 50 Prozent der Nama getötet sowie etwa 80 Prozent des angestammten Landes der Nama beschlagnahmt. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen und der Identität dieser Gemeinschaften trifft ganze Generationen.   

Um das Unrecht wiedergutzumachen, sollten die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen Entschädigungen erhalten, so lautet ein etablierter Grundsatz der Menschenrechte. Was die deutschen Menschenrechtsverletzungen zur Kolonialzeit in Namibia betrifft, hat die Bundesregierung diese Botschaft nicht verstanden. Indem die namibische Regierung sich auf die Seite Deutschlands stellt, lässt auch diese ihre Völker im Stich.  

2021 einigten sich die Bundesregierung und Namibia in einer Erklärung auf eine Zahlung von 1,1 Milliarden Euro für Entwicklungsprojekte, die in einer Zeitspanne von 30 Jahren gezahlt werden sollen. Doch die von den deutschen Kolonialverbrechen am stärksten betroffenen Volksgruppen - die Ovaherero und Nama - waren nie Teil der Verhandlungen und bekamen nur den endgültigen Text des Reparationsabkommens vorgelegt. Trotz des Drucks sei die Bundesregierung nicht dazu bereit, den Prozess wieder aufzunehmen, wie sie dem Bundestag auf Anfrage mitteilte.  

Nicht nur die Bundesregierung schaut lieber weg, wenn es darum geht, den Ovaherero und Nama eine Stimme zu geben. Im November 2022 forderte Namibias Vizepräsident Nangolo Mbumba weitere Gespräche, um den zugesicherten Betrag der Deutschen zu erhöhen und eine kürzere Zahlungsfrist einzuführen - ohne jedoch die Einbeziehung dieser betroffenen Volksgruppen zu erwähnen.  

Deutschland behauptet, dass es keine Rechtsgrundlage für individuelle oder kollektive Reparationszahlungen an die Nachkommen der Ovaherero und Nama gibt, die der deutsche koloniale Völkermord am stärksten getroffen hat. Menschenrechtsabkommen, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, besagen jedoch etwas anderes.  

Am 20. Januar haben die namibische Opposition und Vertreter*innen der Ovaherero- und Nama-Völker vor Namibias Oberstem Gerichtshof Klage eingereicht. Sie fordern, dass Namibia die gemeinsame Erklärung über Reparationen neu verhandelt. Ihrer Ansicht nach verstößt die Erklärung gegen einen Beschluss des namibischen Parlaments aus dem Jahr 2006, in dem ein dreigliedriger Prozess über Reparationen gefordert wird, der auch die Nachkommen der Opfer des kolonialen Völkermords einschließt.  

Eine Entscheidung des Gerichts steht zwar noch aus, aber es handelt sich um eine nie dagewesene Anfechtung eines zwischenstaatlichen Abkommens zur Aufarbeitung von Kolonialverbrechen vor einem Gericht einer ehemaligen Kolonie. 

Wenn Deutschland das Unrecht seiner kolonialen Vergangenheit wirklich wiedergutmachen will, gelingt das nur, wenn die betroffenen Menschen und ihre Stimmen in den Mittelpunkt des Prozesses gestellt werden. 

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