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Dabei sein ist nicht immer alles

Die Olympischen Spiele in Sotschi sind Thomas Bachs große Chance

Veröffentlicht in: Die Welt

Kaum mehr als sechs Monate sind es noch bis zu den Olympischen Winterspielen im südrussischen Sotschi. Aber dort, wo bald Skifahrer und Eisläufer antreten sollen, prägen noch immer Bulldozer und Kräne das Bild. Die mit Kosten von schätzungsweise 40 Milliarden Euro bislang teuersten Olympischen Spiele sind Präsident Putins Prestigeprojekt – und müssen in einem Wettlauf gegen die Zeit vorbereitet werden. Wie weit verbreitet dabei Menschenrechtsverletzungen sind, haben Human Rights Watch und andere Organisationen dokumentiert. Zahllose Wanderarbeiter bauen die Spielstätten und werden tagtäglich um faire Löhne betrogen. Mehr als 2000 Familien mussten für die Olympischen Stätten Platz machen. Zusätzlich gehen die Behörden hart gegen lokale Medien und die Zivilgesellschaft vor.

Die hastigen Vorbereitungen der Spiele sind jedoch nicht der einzige "olympische" Wettkampf derzeit. Der Ausgang des Rennens um die Präsidentschaft des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) wird definitiv beeinflussen, ob zukünftige Gastländer die Menschenrechte einhalten werden. Deutschland wird die Wahl Mitte September genau beobachten, weil einer der Anwärter Thomas Bach ist, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die Olympische Charta verpflichtet die Olympische Bewegung dazu, "die Würde des Menschen zu wahren". Dennoch hat sich das IOK nicht immer in der Verantwortung gesehen, die Menschenrechte zu schützen. Die Charta wendet sich auch gegen jede Form von Diskriminierung. Das ist besonders brisant, weil die russische Regierung im Juni ein Gesetz erlassen hat, das Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender massiv diskriminiert.

Nachdem im Jahr 2008 die Menschenrechte in den Fokus der Olympischen Spiele in Pekinggerückt waren, hat sich das IOK dazu verpflichtet, einzuschreiten, wenn zukünftige Gastgeber "massive Verstöße" begehen. Seit Peking ist Sotschi der erste Lackmustest für diesen neuen Ansatz des IOK – und die bisherige Bilanz ist nicht sehr vielversprechend. Seit dem Jahr 2009 hat Human Rights Watch das Komitee mit eindeutigen Belegen über Verstöße informiert. Im Juni präsentierte Human Rights Watch seine Beweise dem DOSB und hofft darauf, dass dieses konstruktive Treffen zu konkreten Schritten führen wird. Denn die Menschenrechtsverletzungen in Sotschi beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der gesamten Olympischen Bewegung.

Entsprechend wichtig ist die Stimme von Thomas Bach, der sich zur Menschenrechtslage in Sotschi äußern und das Thema auf die Agenda des IOK-Executive-Boards setzen soll. Zusätzliche Bedeutung erhält Bachs Standpunkt durch seine IOK-Präsidentschaftskandidatur. Wir erwarten, dass alle Anwärter sich klar zu Menschenrechtsfragen positionieren. Sie sollen sich starkmachen für die bestmöglichen Standards und sich für einen ständigen IOK-Menschenrechtsausschuss einsetzen. Thomas Bach kann hier ein klares Zeichen setzen.

Die Autorenleiten die Abteilung Europa/Zentralasien von Human Rights Watch.

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