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(München, 20. April 2011) - Die saudischen Behörden haben seit Februar 2011 mehr als 160 friedliche Regimekritiker verhaftet und dadurch internationale Menschenrechtsstandards verletzt, so Human Rights Watch. Human Rights Watch hat den Innenminister Prinz Nayef bin Abd al-‘Aziz Al Sa'du aufgefordert, den friedlichen Regimekritiker, Lehrer und Schriftsteller Nadhir al-Majid, der am 17. April verhaftet wurde, sofort freizulassen.

Verbündete von Saudi-Arabien haben diese ernsten und systematischen Menschenrechtsverletzungen bis heute nicht öffentlich kritisiert. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Asthon, sagte am 18. April, dass sie mit ihrem viertägigen Besuch in Riad „sehr zufrieden“ gewesen sei. Sie machte keinerlei öffentliche Aussage zu den politischen Gefangenen in Saudi-Arabien. Weder Tom Donilon, der Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, der Riad am 13. April besuchte, noch Robert Gates, US-Verteidigungsminister, der am 6. April in Riad war, äußerten sich öffentlich zu Menschenrechtsverletzungen in dem Land.

„Das Schweigen der EU zu den schamlosen Verhaftungen friedlicher Regimekritiker am ersten Tag des Besuchs der EU-Außenbeauftragten wirkt wie Schulterklopfen für das autoritäre Regime“, so Christoph Wilcke, Nahost-Experte von Human Rights Watch. „Zu schweigen, wenn mehr als 160 friedliche Regimekritiker weggesperrt sind, soll weder für Brüssel noch für Washington eine Option sein.“

Beamte des inländischen Geheimdienstes (al-mabahith al-‘amma) haben al-Majid in seiner Schule in der östlichen Provinz Khobar verhaftet. Zur gleichen Zeit haben Beamte des Geheimdienstes in der Anwesenheit seiner Frau und seiner Kinder sein Haus durchsucht. Diese berichteten, dass die Beamten das gesamte persönliche Habe al-Majid's konfisziert hätten. Al-Majid hat am 2. April einen Artikel mit dem Titel „ Ich protestiere, also bin ich“ geschrieben, in dem er feststellt, dass der Aufruf der saudischen Regierung, die Proteste zu stoppen, dazu führe, dass die Geschichte an Saudi-Arabien vorüber gehe. Dies spräche Bände über die tief verwurzelte Blindheit gegenüber politischen Visionen, Analysen und politischem Bewusstsein.

Einige Facebook-Gruppen haben am 11. März zu einem saudischen Tag des Zorns aufgerufen, aber eine sehr hohe Präsenz von Sicherheitskräften hat - abgesehen vom Osten des Landes - Demonstrationen verhindert. In Riad war Khalid al-Juhani, ein saudischer Staatsbürger, offensichtlich der einzige, der sich den Sicherheitskräften entgegenstellte und mit den versammelten Journalisten sprach. In einem Interview mit BBC hat al-Juhani beschrieben, wie er jegliche Angst verloren hat, und obwohl er wusste, dass er verhaftet würde, habe er die Erfahrung machen wollen, seine Meinung frei zu äußern. Al-Juhani’s Bruder, Abdullah, hat Human Rights Watch berichtet, dass Mitarbeiter des Geheimdiensts al-Juhani am gleichen Tag noch verhaftet hätten und Mitarbeiter des Innenministeriums seiner Familie gesagt hätten, dass er in Einzelhaft in Riads ‘Ulaisha-Gefängnis, das vom Geheimdienst betrieben wird, sitze.

Die Proteste gingen am 14. und 15. April im Osten des Landes in Qatif und ‘Awwamiyya, weiter, zwei hauptsächlich von Schiiten bewohnten Orten. Die Protestierenden, viele von ihnen Frauen, hielten während einer Mahnwache eine Kerze in der Hand und verlangten die Freilassung schiitischer Häftlinge, die ohne Anklage oder Verfahren seit mehr als zwölf Jahren im Gefängnis sitzen. Diesen Gefangenen wird vorgeworfen, an einem 1996 verübten Bombenanschlag beteiligt gewesen zu sein. Außerdem forderten die Demonstranten die Freilassung von über 120 Personen, die wegen friedlicher Proteste seit Februar in den Provinzen Qatif und al-Ahsa' festgehalten werden. Nur ein paar Dutzend sind bisher freigelassen worden, und keiner der Festgenommenen ist irgendwelcher Gewaltakte beschuldigt worden.

Die Familie Sa’ud regiert Saudi-Arabien wie eine absolute Monarchie – es gibt keine Wahlen auf nationaler Ebene, keine effektiven Mittel der Bevölkerung zu politischer Partizipation und keine Möglichkeit, auf politische Entscheidungen einzuwirken. Anfang März hat das Innenministerium und der Rat der höchsten Religionsgelehrten, die höchste Institution, die die Gesetzte auslegt, wiederholt bekannt gegeben, dass ein Demonstrationsverbot besteht. Im Februar wurden acht Aktivisten festgenommen, die bekannt gaben, dass sie die erste politische Partei des Königreichs gründen wollten, die Nationale Islamische Partei.

Im März haben mehrere Dutzend Frauen und einige Männer wöchentlich vor dem Innenministerium in Riad für die Freilassung ihrer männlichen Familienangehörigen demonstriert oder ein schnelles und faires Verfahren für ihre Männer gefordert, die schon seit Jahren meist ohne Anklage in Gefängnissen des Geheimdienstes festgehalten werden. Der Geheimdienst hat einige der friedlichen Demonstranten festgenommen.

Die saudische Regierung hält außerdem seit Juni 2010 den Menschenrechtsaktivist Shaikh Mikhlif bin Dahham al-Shammari wegen „öffentlichen Ärgernisses“ im Zentralgefängnis von Dammam gefangen, weil er in Artikeln religiöse Extremisten und inkompetente Beamte kritisiert hatte.

Im Jahr 2009 hat Saudi-Arabien die Arabische Menschenrechtscharta ratifiziert, die in Artikel 32 das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Das Königreich ist eines der wenigen Länder, die den Internationalen Pakt über politische und bürgerliche Rechten bis heute noch nicht unterzeichnet hat.

„Je länger die Liste der politischen Gefangenen in Saudi-Arabien wird, desto ohrenbetäubender wird die Stille seitens der EU und der USA“, so Wilcke.

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