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China: Gedenken an Tiananmen-Massaker wirft dunklen Schatten auf olympischen Glanz

Auch nach 20 Jahren keine Gerechtigkeit für Opfer

(Washington, DC, 1. Juni 2007) – Die chinesische Regierung weigert sich, Verantwortung für das Massaker am 4. Juni 1989 zu übernehmen. Dies überschattet ihre Bemühungen, ein neues Bild von China zu entwerfen, und führt zu immer neuen Menschenrechtsverletzungen, erklärte Human Rights Watch heute.

18 Jahre nachdem chinesische Regierungstruppen am 4. Juni 1989 und in den Tagen danach ein Massaker an etwa 2000 unbewaffneten Zivilisten auf dem Tiananmen-Platz und in anderen chinesischen Großstädten verübten, hat die Regierung immer noch keine Verantwortung für das Morden übernommen und den Opfern Gerechtigkeit verweigert. Stattdessen belästigt sie weiterhin die Überlebenden, ihre Familien und alle, die es wagen, die offizielle Version der Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz infrage zu stellen.

„In den 14 Monaten bis zur Olympiade in Peking möchte die Kommunistische Partei China als modernes und hochentwickeltes Land präsentieren, in dem Recht und Gesetz regieren“, sagte Sophie Richardson, stellvertretende Direktorin der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Doch die Welt sollte nicht das Bild des mutigen Demonstranten vergessen, der sich den Panzern in den Weg stellt, denn sein Schicksal und das Tausender anderer bleiben weiter ungeklärt.“

Am 3. und 4. Juni 1989 setzte die chinesische Regierung ihre Truppen gegen die eigene Zivilbevölkerung ein und ermordete Hunderte, um eine Bewegung aus Studenten, einer Hand voll Arbeiter und einigen Wissenschaftlern, Schriftstellern und Journalisten niederzuschlagen. Sie hatten friedlich für ein pluralistisches politisches System demonstriert. Zu den Toten gehörten auch Hunderte Zivilisten, die sich in den Straßen Pekings versammelt hatten, um die Armee auf ihrem Weg zum Tiananmen-Platz aufzuhalten.

Die darauf folgenden Razzien in Großstädten in ganz China führten zur Verhaftung Hunderter Menschen. Die Anklagepunkte reichten von „konterrevolutionären Vergehen“ bis hin zu „Krawallmachen“ – dazu gehörten Diebstahl, Überfälle und Brandstiftung. 2004 saßen mindestens 143 Menschen, die in der Zeit nach dem 3. und 4. Juni festgenommen wurden, noch immer hinter Gittern.

China wurde weltweit für die Niederschlagung der Proteste verurteilt. Einige Staaten verhängten Sanktionen, darunter das heute noch bestehende Waffenembargo der Europäischen Union. 1990 wies der damalige Präsident Jiang Zemin die internationale Verurteilung des Tiananmen-Massakers jedoch als „viel Wirbel um nichts“ zurück.

Den derzeitigen chinesischen Premierminister Wen Jiabao trifft eine besondere Verantwortung bei der Rehabilitierung der Opfer des 4. Juni 1989. Am 19. Mai 1989 war Wen Büroleiter des damaligen Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, Zhao Ziyang, der die Demonstranten am Tiananmen-Platz besuchte hatte und um den friedlichen Charakter der Proteste wusste. Wen und die chinesische Führung sollten die Verantwortlichen öffentlich zur Rechenschaft ziehen, die die „Volksbefreiungsarmee” gegen die Bürger Pekings einsetzten und die Inhaftierung Tausender anderer in ganz China befahlen.

Jedes Jahre vor dem Jahrestag des Massakers müssen die Überlebenden und ihre Familien einschneidende Kontrollen durch staatliche Sicherheitsbeamte über sich ergehen lassen. Bekannte Regimekritiker werden in dieser Zeit häufig unter Hausarrest gestellt. Auf dem Tiananmen-Platz selbst werden die ohnehin schon scharfen Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, wodurch spontane Proteste oder Versuche Angehöriger, um ihre getöteten Verwandten zu trauern, verhindert werden sollen.

„Wie kann es sein, dass der Gastgeber der Olympischen Spiele den Jahrestag eines brutalen Massakers mit der Verfolgung der Hinterbliebenen und der Verhaftung von Regimekritikern begeht?“, so Richardson. „Peking – und auch damit die Olympischen Spiele 2008 – werden diesen Schandfleck tragen, bis die chinesische Regierung vollständig und wahrheitsgemäß Rechenschaft über die Geschehnisse im Juni 1989 ablegt.“

In den letzten 18 Jahren hat Human Rights Watch die chinesische Regierung immer wieder aufgefordert:
• das Urteil von 1989 aufzuheben, in dem die Protestbewegung als „konterrevolutionäre Rebellion” bezeichnet wurde;
• öffentlich einzugestehen, dass das Massaker im Juni 1989 eine Quelle der Spaltung, des Leids und der Enttäuschung, selbst in den Reihen der Kommunistischen Partei, ist;
• der Belästigung und Inhaftierung von Überlebenden, ihren Familien und Wissenschaftler, die ein Bekenntnis zu den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz fordern, ein Ende zu setzen;
• alle, die nach dem 4. Juni für Straftaten verurteilt wurden, ausdrücklich zu rehabilitieren oder erneute, faire Prozesse unter internationaler Beobachtung einzuleiten;
• eine vollständige Liste aller Getöteten, Verletzten und Festgenommenen herauszugeben, da solche Aufstellungen nicht öffentlich verfügbar sind.
Keine dieser Forderungen wurde bisher erfüllt.


„Wenn die chinesische Regierung ihr angestrebtes Selbstbild verwirklichen will, muss sie zuallererst aufhören, Menschen zu verfolgen, die es wagen, Gerechtigkeit zu fordern, und sie muss die Verantwortlichen für die Gewalttaten im Juni 1989 anklagen“, forderte Richardson.

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