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Von erneuten Kriegshandlungen zwischen Israel und der Hamas. 

Bis hin zu dem unermesslichen Leid der Zivilbevölkerung im Sudan. 

Anhaltende Konflikte in der Ukraine, Myanmar, Äthiopien und der Sahelzone. 

Und, dass 2023 das bisher klimatisch wärmste Jahr aller Zeiten war. - Waldbrände, Dürren und Stürme beeinträchtigten das Leben von Millionen Menschen weltweit. 

Diese und viele andere Menschenrechtskrisen und ihre Folgen können nicht von Regierungen allein gelöst werden. 

Aber die internationalen Menschenrechtsstandards - die Sammlung von Regeln, auf die sich die Staaten geeinigt haben – liefert den Fahrplan, um die Würde aller Menschen zu schützen. 

Wir haben gesehen, was möglich ist, wenn die Menschenrechte geachtet und geschützt werden. 

Im Juni verabschiedete das japanische Parlament nach jahrelangem Druck der Zivilgesellschaft sein erstes Gesetz zum Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender Menschen vor "ungerechter Diskriminierung". 

Brasiliens Oberster Gerichtshof bestätigte die Rechte aller indigenen Völker auf ihr traditionelles Land. Das Urteil war ein großer Erfolg für die indigene Bevölkerung in ihrem Kampf um den Erhalt ihrer Lebensweise. 

Obwohl die Menschenrechte die Würde aller Menschen schützen können, ist das Regelwerk, auf das wir uns verlassen, um dieses Versprechen einzulösen, in Gefahr. 

Viele Länder haben die Angriffe der Hamas am 7. Oktober schnell und zu Recht verurteilt, aber viele andere haben nur zurückhaltend auf die kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung in Gaza durch die israelische Regierung reagiert. 

In der Zwischenzeit hat der bewaffnete Konflikt im Sudan zu weit verbreiteten Übergriffen auf die Zivilbevölkerung geführt, aber nur wenig internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, während die Menschen im Sudan weiterhin einen hohen Preis dafür bezahlen. 

Diese selektive Empörung hinterlässt den Eindruck, dass einige Leben wichtiger sind als andere, was den Glauben daran untergräbt, dass die Menschenrechte aller Menschen schützenswert sind. 

Und wenn Regierungen im Namen der Sicherheit oder der Wirtschaft ihre Menschenrechtsverpflichtungen im Umgang mit autokratischen Staatsoberhäupten völlig ignorieren, kann genau das diese dazu ermutigen, ihre Unterdrückung noch auszuweiten. 

Auch die Zivilgesellschaft, Gerichte und Menschenrechtskommissionen werden zunehmend von solchen Regierungen bedroht, die ihre Macht ungehindert ausüben wollen. 

Und Regierungen nutzen zunehmend neue Technologien, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und zu zensieren. 

Diese Bedrohungen machen deutlich, dass Regierungen die Menschenrechte dringend achten, schützen und verteidigen müssen, um intakte und inklusive Gesellschaften aufzubauen. 

Die konsequente Einhaltung der Menschenrechte, unabhängig davon, wer die Opfer sind oder wo Menschenrechtsverletzungen begangen werden, ist der einzige Weg, um eine Welt zu schaffen, in der wir leben wollen – eine, in der die Würde aller Menschen geachtet und geschützt wird. 

(New York, 11. Januar 2024) - Staats- und Regierungschefs weltweit haben es versäumt, sich im Jahr 2023 für den Schutz der Menschenrechte stark zu machen, einem Jahr mit einigen der schlimmsten Krisen und Herausforderungen der jüngsten Vergangenheit. Das hatte tödliche Folgen, so Human Rights Watch heute in seinem World Report 2024. Regierungen sollten ihre Transaktionsdiplomatie beenden und ihr Möglichstes dafür tun, die universellen Menschenrechtsprinzipien zu wahren.

Der jüngste bewaffnete Konflikt zwischen der israelischen Regierung und der Hamas hat ebenso wie die Konflikte in der Ukraine, in Myanmar, in Äthiopien und in der Sahelzone unermessliches Leid verursacht. Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der globalen Aufzeichnungen im Jahr 1880, und die zahlreichen Waldbrände, Dürren und Stürme richteten weltweit von Bangladesch über Libyen bis Kanada verheerende Schäden an. Die wirtschaftliche Ungleichheit nahm weltweit zu, ebenso wie die Wut über politische Entscheidungen, die so vielen Menschen das Leben schwer machen.

„Das internationale System, auf das wir uns beim Schutz der Menschenrechte verlassen, ist bedroht, da die Staats- und Regierungschefs der Welt wegschauen, wenn universelle Menschenrechtsprinzipien verletzt werden“, sagte Tirana Hassan, geschäftsführende Direktorin von Human Rights Watch. „Jedes Mal, wenn eine Regierung diese universellen und weltweit anerkannten Grundsätze missachtet oder ablehnt, zahlen Menschen hierfür einen hohen Preis - manchmal kostet es sie sogar das Leben.“

Im 740-seitigen World Report 2024, seiner 34. Ausgabe, zieht Human Rights Watch Bilanz der Menschenrechtslage in über 100 Ländern. In ihrem Einleitungsessay sagt die geschäftsführende Direktorin Tirana Hassan, dass das Jahr 2023 nicht nur ein folgenschweres Jahr in Bezug auf die Unterdrückung von Menschenrechten und Kriegsgräueln war, sondern auch ein Jahr der selektiven Empörung von Regierungen und der Transaktionsdiplomatie, die weitreichende Folgen für die Rechte derjenigen hatte, deren Stimmen nicht gehört wurden. Sie sagt aber auch, dass es Anzeichen der Hoffnung gibt, die auf einen anderen Weg hinweisen, und fordert Regierungen dazu auf, ihre Menschenrechtsverpflichtungen konsequent einzuhalten.

Die Doppelmoral der Regierungen bei der Anwendung der Menschenrechte gefährdet nicht nur unzählige Menschenleben, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Institutionen, die für die Durchsetzung und den Schutz der Rechte zuständig sind, so Human Rights Watch. Wenn Regierungen lautstark die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung gegen die Zivilbevölkerung in Gaza verurteilen, aber schweigen, wenn es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang durch die chinesische Regierung geht, oder wenn sie die internationale Strafverfolgung für russische Kriegsverbrechen in der Ukraine fordern, während sie die Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen durch US-Kräfte in Afghanistan untergraben, dann schwächen sie den Glauben an die Universalität der Menschenrechte und die Legitimität der Gesetze, die sie schützen sollen.

Regierungen fällt es leichter, Menschenrechtsfragen auf internationaler Ebene zu ignorieren, weil sie von der internationalen Gemeinschaft nicht mit den Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land konfrontiert werden, so Human Rights Watch.

Die Menschenrechts- und humanitären Krisen haben viele Menschen dazu veranlasst, die Wirksamkeit der Menschenrechtsprinzipien in Frage zu stellen. Vor allem enn Regierungen, die die Menschenrechte missachten, von der halbherzigen Befürwortung eines Rechtsansatzes durch demokratischere und die Rechte achtende Regierungen profitieren, so Human Rights Watch. Zivilgesellschaftliche Organisationen, lokale politische Bewegungen und Menschenrechtsverteidiger*innen können dazu beitragen, den Menschenrechtsrahmen wieder als Fahrplan für den Aufbau funktionierender, inklusiver Gesellschaften zu etablieren.

Viele Regierungen, die die Kriegsverbrechen der Hamas verurteilt haben, reagierten zurückhaltend auf die Verbrechen der israelischen Regierung. Die mangelnde Bereitschaft, die Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung zu benennen, folgt auf die Weigerung der Vereinigten Staaten und der meisten EU-Mitgliedstaaten, ein Ende der 16-jährigen Abriegelung des Gazastreifens durch die israelische Regierung zu fordern.  

Dass die Menschenrechte bisweilen der Politik zum Opfer fallen, zeigt sich etwa darin, dass viele Regierungen es versäumen, die zunehmende Unterdrückung durch die chinesische Regierung anzusprechen. Die kulturelle Verfolgung und willkürliche Inhaftierung von einer Million Uigur*innen und anderen turkstämmigen Muslimen durch die chinesischen Behörden stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Dennoch schweigen viele Regierungen, auch in überwiegend muslimischen Ländern.

Im Sudan, wo im April 2023 ein bewaffneter Konflikt ausbrach, als die beiden mächtigsten sudanesischen Generäle um die Macht im Land kämpften, ist es den Vereinten Nationen nicht gelungen, die massiven Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, vor allem in der Region Darfur, zu stoppen. Der UN-Sicherheitsrat beendete auf Drängen der sudanesischen Regierung seine politische Mission im Sudan und zog die wenigen verbliebenen Kapazitäten der Vereinten Nationen im Land ab, die Zivilist*innen schützten und öffentlich über die Rechtslage berichteten. Der UN-Sicherheitsrat hat auch so gut wie nichts gegen die Unnachgiebigkeit der sudanesischen Regierung bei der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) unternommen.

In den USA hat Präsident Joe Biden wenig Bereitschaft gezeigt, jene Regierungen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, die für seine innenpolitische Agenda von zentraler Bedeutung sind, oder solche, die in Chinas Einflussbereich liegen. Verbündete der USA wie Saudi-Arabien, Indien und Ägypten verletzen weiterhin massiv die Menschenrechte im jeweils eigenen Land.

Die EU umgeht ihre Menschenrechtsverpflichtungen, indem sie Asylsuchende und Migrant*innen in andere Länder ausweist bzw. abschiebt oder mit Regierungen, welche die Menschenrechte missachten, wie Libyen und die Türkei, Abkommen schließt, um Migrant*innen von den EU-Grenzen fernzuhalten. Demokratische Regierungen in der asiatisch-pazifischen Region, darunter Japan, Südkorea und Australien, räumen der Sicherung von Militär- und Handelsbündnissen Vorrang gegenüber den Menschenrechten ein.

Unter Premierminister Narendra Modi ist die indische Demokratie in Richtung Autokratie abgerutscht, wobei die Behörden Minderheiten ins Visier nehmen, die Repression verschärfen und unabhängige Institutionen abbauen.

In Tunesien kann Präsident Kais Saied praktisch unkontrolliert regieren. Der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, hat die hohe Kriminalitätsrate zum Anlass genommen, um seine Macht zu festigen und auszubauen. In Bangladesch hat die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina die Verhaftung von über 10.000 Oppositionsführer*innen und -anhänger*innen im Vorfeld der Wahlen im Januar 2024 angeordnet.

Doch diesen miteinander verflochtenen Bedrohungen steht die Kraft der Menschenrechtsprinzipien gegenüber, zum Schutz der Freiheit und der Würde der Menschen.

In einer wegweisenden Entscheidung hat der Internationale Gerichtshof im November die syrische Regierung aufgefordert, Folter und andere Misshandlungen zu verhindern. Das japanische Parlament verabschiedete sein erstes Gesetz zum Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender Menschen vor „ungerechter Diskriminierung“. In Mexiko überzeugte ein zivilgesellschaftliches Bündnis den Kongress, ein Gesetz zu verabschieden, das Millionen ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen die volle Rechtsfähigkeit zuspricht.

Im März erließ der IStGH Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Kinderrechtsbeauftragte wegen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Transfer von Kindern aus den besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens bestätigte das Recht aller indigenen Völker auf ihr traditionelles Land, was auch eine wirksame Maßnahme gegen die Abholzung im Amazonasgebiet darstellt.

Im November stellte das höchste Gericht des Vereinigten Königreichs einstimmig fest, dass Ruanda kein sicheres Drittland ist, in das die Regierung Asylsuchende schicken kann, und hob damit ein Abkommen auf, das die Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs für Asylfragen auf Ruanda verlagert hatte.

„Die Menschenrechtskrisen auf der ganzen Welt machen deutlich, wie dringend notwendig es ist, dass alle Regierungen die seit langem bestehenden und gemeinsam vereinbarten Grundsätze der internationalen Menschenrechte überall und ausnahmslos anwenden.“, sagte Hassan. „Eine prinzipientreue Diplomatie, bei der die Regierungen ihre Menschenrechtsverpflichtungen in ihren Beziehungen zu anderen Ländern in den Mittelpunkt stellen, kann repressives Verhalten beeinflussen und für die Menschen, deren Rechte verletzt werden, von großer Bedeutung sein.“

Den World Report 2024 von Human Rights Watch gibt es auf der folgenden Webseite:
https://www.hrw.org/de/world-report/2024

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