(Beirut) - Neue Details über die Verfolgung des prominenten Menschenrechtsaktivisten Ahmed Mansoor durch die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) offenbaren schwerwiegende Verletzungen seiner Rechte und zeigen, wie unkontrolliert die Staatssicherheitsbehörde Menschenrechtsverletzungen begehen kann, so Human Rights Watch und das Gulf Centre for Human Rights (GCHR) in einem Bericht.
Der 30-seitige Bericht „The Persecution of Ahmed Mansoor: How the United Arab Emirates Silenced its Most Famous Human Rights Activist“ enthält bisher unveröffentlichte Details des Verfahrens gegen Mansoor, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, und in dem es um Vorwürfe basierend auf Online-Beiträgen von Mansoor ging. Sowohl das erste Verfahren als auch die Berufungsverhandlung wiesen gravierende Verstöße gegen die Prinzipien eines ordnungsgemäßen und fairen Verfahrens auf. Die Organisationen dokumentieren zudem die Schuld der Staatssicherheitsbehörde der VAE an Mansoors grauenvollen Haftbedingungen seit seiner Festnahme im März 2017, darunter seine unbefristete Einzelhaft und die Verweigerung seiner grundlegenden Rechte als Gefangener.
„Vernichtende neue Details zeigen, wie grausam die VAE Ahmed Mansoor behandeln, den bekanntesten Menschenrechtsaktivisten des Landes, einen Mann, der sich mutig seiner rechteverletzenden Regierung entgegenstellte und der als einer von wenigen die Regierung aufforderte, die Menschenrechte zu achten“, sagte Michael Page, stellvertretender Nahost-Direktor bei Human Rights Watch. „Das Vorgehen der VAE-Behörden gegen Ahmed Mansoor zeigt ihre völlige Verachtung für die Rechtsstaatlichkeit und ihre Entschlossenheit, ihre Kritiker mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen.”
Der Bericht basiert auf Aussagen einer Quelle mit direkter Kenntnis von Ahmed Mansoors Gerichtsverfahren sowie auf Interviews mit zwei ehemaligen Gefangenen, die zu unterschiedlichen Zeiten während Mansoors Inhaftierung im al-Sadr-Gefängnis auch im Isolationstrakt saßen.
Staatliche Sicherheitskräfte nahmen Mansoor bei einer nächtlichen Hausdurchsuchung am 20. März 2017 fest. Im Mai 2018 verurteilte die Berufungskammer der Staatssicherheit von Abu Dhabi Mansoor aufgrund von Anschuldigungen, die ausschließlich mit seinen Menschenrechtsaktivitäten zusammenhängen, zu zehn Jahren Haft. Am 31. Dezember 2018 bestätigte die Staatssicherheitskammer des Obersten Bundesgerichts dieses ungerechte Urteil und machte damit Mansoors letzte Chance auf eine vorzeitige Entlassung zunichte. Beide Verfahren fanden komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Regierung hat Anträge auf Veröffentlichung der Anklageschrift und der Urteile abgelehnt.
„Ahmed Mansoor wusste, dass er eine Gefängnisstrafe riskierte, als er den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen in seinem Land und der gesamten Region aufnahm, dennoch engagierte er sich mit Mut und Hingabe“, sagte Khalid Ibrahim, Executive Director des GCHR. „Das ist der Grund, warum die Behörden der VAE ihn so hart für seine friedlichen und legitimen Menschenrechtsaktivitäten bestraft haben.“
Bei der Verurteilung von Ahmed Mansoor berief sich das Gericht auf das Strafgesetzbuch der VAE und das Gesetz über Cyberkriminalität aus dem Jahr 2012. Beide stellen die friedliche Kritik an hochrangigen Beamten, der Justiz und der öffentlichen Politik unter Strafe und bieten somit eine rechtliche Grundlage für die Verfolgung und Inhaftierung von Personen, die sich für politische Reformen einsetzen.
Mansoors Tweets über Ungerechtigkeiten, seine Teilnahme an internationalen Online-Menschenrechtskonferenzen sowie sein E-Mail-Austausch und seine WhatsApp-Konversationen mit internationalen Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch und das Gulf Centre for Human Rights, wurden als Beweise für kriminelle Aktivitäten herangezogen, um die fadenscheinigen Anschuldigungen zu stützen.
Seit seiner Verhaftung halten die VAE-Behörden Mansoor in einer winzigen Zelle in Einzelhaft, wobei ihm Lesematerial, ein Bett, eine Matratze und andere grundlegende Dinge vorenthalten werden. Zudem wird ihm jeglicher Kontakt zu anderen Gefangenen oder zur Außenwelt verwehrt, einschließlich regelmäßiger Besuche oder Anrufe von seiner Frau und seinen vier Söhnen. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die Rechte von Gefangenen nach internationalen Standards, welche die VAE fälschlicherweise behaupten, zu respektieren.
Mansoor ist nicht das einzige Opfer der völligen Intoleranz der VAE-Behörden gegenüber Kritikern. Seit 2011, als die VAE einen bis heute andauernden Angriff auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit starteten, haben Human Rights Watch und GCHR wiederholt schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten durch die staatlichen Sicherheitskräfte dokumentiert.
Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen zählen willkürliche Verhaftungen, das Verschwindenlassen von Menschen und Folter. Die VAE haben Hunderte Anwälte, Richter, Lehrer und Aktivisten verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Sie haben wichtige zivilgesellschaftliche Vereinigungen und Büros ausländischer Organisationen, die sich für demokratische Rechte einsetzen, geschlossen und damit jeglichen Raum für abweichende Meinungen faktisch abgeschafft.
Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten internationalen Verbündeten der VAE, einschließlich der Vereinigten Staaten und der europäischen Länder, verkaufen weiterhin ihre Waffen und pflegen ihre Handelsbeziehungen, scheinbar unbeeindruckt von den schweren und allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen der VAE. Sie sollten ihr auffalliges Schweigen brechen bezüglich der grausamen Behandlung von Mansoor und anderen, die in den VAE nur deshalb inhaftiert sind, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.
Der vollständige Bericht „The Persecution of Ahmed Mansoor: How the United Arab Emirates Silenced its Most Famous Human Rights Activist“ ist in englischer Sprache verfügbar unter:
https://www.hrw.org/report/2021/01/27/persecution-ahmed-mansoor/how-united-arab-emirates-silenced-its-most-famous-human