(Genf) – Bei der anstehenden Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (UN) soll die Staatengemeinschaft angesichts der Beweise für 30 neue Brandwaffenangriffe in Syrien beschließen, dass die völkerrechtlichen Bestimmungen gegen deren Einsatz gestärkt werden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.
Der 13-seitige Bericht „Myths and Realities about Incendiary Weapons“ befasst sich mit verbreiteten Fehleinschätzungen, die dazu führen, dass es bei Brandwaffen international kaum Fortschritte gibt. Brandwaffen produzieren Hitze und Feuer durch die chemische Reaktion einer brennbaren Substanz. Zwar wurden sie zur Kennzeichnung und Signalgebung oder Vernebelung entwickelt, aber sie können menschliches Gewebe bis auf die Knochen verbrennen, großflächige Narben hinterlassen sowie Verletzungen der Atemwege und psychische Traumata verursachen. Zudem können sie Brände auslösen, die zivile Objekte und Infrastruktur zerstören.
„Angesichts der entsetzlichen Verbrennungen und lebenslangen Behinderungen, die Brandwaffen verursachen, bedarf es einer globalen Antwort“, so Bonnie Docherty, Waffen-Expertin bei Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Einfache Änderungen des Völkerrechts können dazu beitragen, Zivilisten im Krieg das Leben zu retten.“
Der Bericht geht auf die beispiellos grausamen Verletzungen ein, die Brandwaffen verursachen, erläutert die Schwachstellen im bestehenden Recht und gibt Empfehlungen, mit denen die Staaten diese beheben können. Der Bericht ist als leicht verständlicher Überblick über das Thema konzipiert und wird gemeinsam mit der International Human Rights Clinic der Harvard Law School veröffentlicht.
Die Mitgliedstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen (CCW) werden sich dem Thema Brandwaffen vom 19. bis 23. November bei den UN in Genf widmen. Protokoll III des Übereinkommens schränkt den Einsatz von Brandwaffen bis zu einem gewissen Grad ein, enthält aber keine ausreichenden Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung.
Untersuchungen von Human Rights Watch zeigen, dass die syrisch-russische Militärallianz Brandwaffen im Jahr 2018 bei mindestens 30 Angriffen in sechs Gouvernements von Syrien eingesetzt hat. Bei den meisten dieser Angriffe kamen bodengestützte Raketen zum Einsatz, aber auch luftgestützte Waffen verursachten Schäden. Etwa starben mindestens 61 Menschen bei einem Luftangriff mit Brandwaffen am 16. März in Ostghuta, mehr als 200 wurden verletzt.
Darüber hinaus sind weitere 90 Angriffe mit Brandwaffen in Syrien im Zeitraum November 2012 bis 2017 dokumentiert. Die tatsächliche Zahl ist mit großer Wahrscheinlichkeit höher. Syrien ist kein Mitgliedstaat von Protokoll III, aber Russland ist ihm beigetreten.
Die Staaten, die an der UN-Konferenz teilnehmen, sollen sich mit den Schwächen von Protokoll III befassen und ihre eigenen politischen Grundsätze und Praktiken transparent machen. Außerdem sollen sie ein Forum schaffen, um das Protokoll im Jahr 2019 formal zu überprüfen, mit dem Ziel, seine Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu stärken.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Regierungen, die sich gegen Brandwaffen aussprechen, deutlich gestiegen. Allerdings haben einige wenige Länder, die die existierenden Regelungen als ausreichend betrachten, sich gegen Vorschläge ausgesprochen, das Protokoll zu ändern.
Protokoll III hat zwei wesentliche Schlupflöcher, die seine Wirksamkeit begrenzen. Erstens schließt seine Definition Vielzweckwaffen aus, etwa die mit weißem Phosphor, die zwar primär für Vernebelung oder Beleuchtung gedacht sind, aber die gleichen, schrecklichen Verletzungen verursachen können wie andere Brandwaffen. Weißer Phosphor kann etwa in bereits verbundenen Wunden weiter schwelen und sich noch Tage nach der Behandlung erneut entzünden, wenn er mit Sauerstoff in Kontakt kommt. Im Jahr 2017 setzte die von den USA geführte Koalition Phosphorbomben bei den Kämpfen gegen den Islamischen Staat in Raqqa in Syrien und in Mosul im Irak ein. Auch die USA sind Protokoll III beigetreten.
Zweitens verbietet das Protokoll zwar den Einsatz luftgestützer Waffen in bewohnten Gebieten, erlaubt aber den Einsatz von bodengestützen Modellen unter bestimmten Umständen. Da alle Brandwaffen die gleichen Auswirkungen haben, sollte diese willkürliche Unterscheidung gestrichen werden. Ein vollständiges Verbot von Brandwaffen wäre aus humanitärer Sicht die beste Lösung.
„Für die Staatengemeinschaft sollte es in der Abrüstungspolitik höchste Priorität haben, die völkerrechtlichen Bestimmungen über Brandwaffen zu stärken“, sagt Docherty, die auch stellvertretende Leiterin des Bereichs Bewaffneter Konflikt und Schutz der Zivilbevölkerung der Harvard Clinic ist. „Stärkere Verpflichtungen würden den Einsatz dieser Waffen durch die Mitgliedstaaten des Protokolls begrenzen und das Verhalten anderer Staaten und nichtstaat licher bewaffneter Gruppen beeinflussen, weil sie Brandwaffen stärker stigmatisieren.“
Docherty stellt die Ergebnisse des Berichts bei einem Side Event bei den UN in Genf am 20. November um 13:15 Uhr in Konferenzraum XXII vor.