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Turkmenistan: Berlin soll auf ein Ende des „Verschwindenlassens“ drängen

Seltener Arbeitsbesuch des turkmenischen Präsidenten

(Berlin) – Bundeskanzlerin Angela Merkel soll den turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdymukhamedov dazu drängen, die Politik des „Verschwindenlassens” zu beenden. Zudem soll sie andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Turkmenistan ansprechen, so Human Rights Watch heute. Präsident Berdymukhamedov wird sich am 29. August 2016 in Berlin mit Kanzlerin Merkel und anderen Regierungsmitgliedern treffen, um über die Wirtschaftsbeziehungen und andere Themen zu sprechen.

Turkmenistan gehört zu den abgeschottetsten und repressivsten Ländern weltweit. Die Regierung duldet keinen Dissens, kontrolliert streng alle Medien und verbietet Menschen willkürlich, das Land zu verlassen. Zudem verweigert sie Familienangehörigen Informationen über den Verbleib und das Schicksal Dutzender Menschen, die zu Beginn der 2000er Jahre verurteilt und eingesperrt wurden.

„Das ist eine seltene Gelegenheit, jene Menschen in Turkmenistan zu unterstützen, die ihre eigene Regierung nicht kritisieren können,” so Hugh Williamson, Leiter der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Kanzlerin Merkel sollte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, direkt und nachdrücklich anzusprechen, dass die Unterdrückung in Turkmenistan beendet werden muss.”

Turkmenistans Präsident Gurbanguly Berdymukjamedoc spricht an einer Pressevorschau in Tbilisi, Georgia am 2. Juli, 2015. © 2015 Reuters

Dutzende Menschen, die meisten davon wurden in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren verhaftet, sind einfach im turkmenischen Gefängnissystem verschwunden. Die Familien der Verschwundenen haben keine Informationen von offizieller Seite bekommen über das Schicksal, den Verbleib oder den Gesundheitszustand ihrer Angehörigen, seit diese verhaftet und vor Gericht gestellt wurden. Zu den Verschwundenen gehören auch der ehemalige Außenminister Boris Shikhmuradov, sein Bruder Konstantin und Batyr Berdiev, ein ehemaliger Botschafter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 2014 wurde Shikhmuradov vom UN-Menschenrechtsausschuss als Opfer des Verschwindenlassens anerkannt und es wurde befunden, dass die turkmenische Regierung ihn freilassen muss.  

Die internationale Kampagne „Prove They Are Alive!“, die von Menschrechtsgruppen, darunter auch Human Rights Watch, ins Leben gerufen wurde, hat dokumentiert, wie die Behörden, als eine Form von Kollektivstrafe, Angehörige von mehreren verschwundenen Gefangenen verhaften oder aus ihren Jobs feuern ließ, ihr Eigentum beschlagnahmte oder ein Ausreiseverbot gegen sie verhängte.

Das Verschwindenlassen ist eine der schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen und unter keinen Umständen zulässig. Zu den Opfern gehören nicht nur die Verschwundenen selbst, sondern auch ihre Familien und Angehörigen, die nichts über das Schicksal der Verschwundenen erfahren. Unter bestimmten Umständen zählt das Verschwindenlassen auch als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Schicksal der in Haft verschwundenen Menschen soll unverzüglich geklärt werden. Zudem sollen die Betroffenen freigelassen werden.

Neben den anderen Verschwundenen wurde 2015 Saparmamed Nepeskuliev, freischaffender Korrespondent für den turkmenischen Sprachendienst von Radio Free Europe/Radio Liberty, aufgrund von fingierten Drogenvorwürfen angeklagt und eingesperrt. Die Regierung zwang zudem drei weitere Radio Liberty-Korrespondenten, ihre Arbeit für den Sender einzustellen. Im Dezember wurde  Nepeskuliev von der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Festnahmen als Opfer einer solchen Festnahme anerkannt, der friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt hat.  

„Kanzlerin Merkel soll Berdymukhamedov zur Freilassung von Nepeskuliev drängen,” so Williamson. „Er sitzt nur deshalb im Gefängnis, weil er etwas tut, das Korrespondenten überall auf der Welt tun: Er teilt Informationen darüber was in seinem Land geschieht.“

Ein neuer Verfassungsentwurf in Turkmenistan begrenzt weder die Anzahl der Amtszeiten für den Staatspräsidenten noch dessen Amtsalter. Somit könnte Präsident Berdymukhamedov ein Leben lang im Amt bleiben. Der Entwurf sieht kein Zensurverbot vor und gewährleistet weder das Recht auf Verbreitung von Informationen noch das Recht auf Freizügigkeit, um ins Ausland zu reisen. Die deutsche Regierung soll die turkmenische Führung dazu anhalten, den Verfassungsentwurf nicht zu verabschieden, ehe er nicht geprüft wurde durch ein internationales Expertengremium wie die Venedig-Kommission des Europarates oder das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Die turkmenische Regierung hat gegen verschiedene Personengruppen ein Ausreiseverbot verhängt. Zu den Betroffenen gehören Aktivisten, Angehörige von im Exil lebenden Dissidenten und weitere Personen, die als regierungsuntreu gelten. Das Ausreiseverbot ist willkürlich und eine Form der Kollektivstrafe, die als Werkzeug für politische Vergeltung eingesetzt wird, so Human Rights Watch.  

„Während der kommunistischen Ära in Ost Deutschland wurde Menschen auf ähnliche Weise verboten, auszureisen. Diese Praxis sollte Kanzlerin Merkel also aufhorchen lassen”, so Williamson. „Menschen in und außerhalb von Turkmenistan zählen darauf, dass sie Berdymukhamedov dazu auffordert diese Praxis zu beenden.”

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