(Johannesburg) – Angolanische Sicherheitskräfte misshandeln regelmäßig irreguläre Migranten, die aus Angola abgeschoben werden, durch sexuelle Gewalt sowie anderen erniedrigende und unmenschliche Behandlung.
Der heute erschienene 50-seitige Bericht „‘If You Come back We Will Kill You‘: Sexual Violence and Other Abuses against Congolese Migrants during Expulsions from Angola“ beschreibt, wie Angehörige der angolanischen Sicherheitskräfte systematisch die Menschenrechte von kongolesischen Migranten verletzen. Frauen und Mädchen, die oft zusammen mit ihren Kindern inhaftiert sind, werden sexuell missbraucht. Sie werden Opfer von Gruppenvergewaltigung, werden sexuell ausgebeutet und müssen mitansehen, wie andere Frauen und Mädchen misshandelt werden. Gewalt, erniedrigende und unmenschliche Behandlung, willkürliche Verhaftung und Verweigerung rechtsstaatlicher Verfahren sind alltäglich, wenn Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung verhaftet werden oder sich in Abschiebehaft befinden.
„Angola darf irreguläre Migranten abschieben. Aber das rechtfertigt nicht, ihre grundlegenden Rechte zu verletzen“, sagt Leslie Lefkow, stellvertretende Leiterin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Folter, Schläge, Vergewaltigung und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung brechen sowohl nationale Gesetze als auch das Völkerrecht.“
Die angolanische Regierung muss Migranten vor Vergewaltigung schützen, den Sicherheitskräfte Grenzen setzen, die massiven Misshandlungsvorwürfe untersuchen und die Täter zur Verantwortung ziehen. Das Völkerrecht und nationale Gesetze verpflichten Angola, sexuelle Gewalt, Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu verhindern, zu verfolgen und zu bestrafen.
Human Rights Watch hat mehr als 100 Überlebende und Zeugen befragt, die in den Jahren 2009 und 2011 misshandelt wurden oder Übergriffe miterlebt haben. Die Vorfälle ereigneten sich, als die Betroffenen aus der Enklave Cabinda und der diamantenreichen Provinz Lunda Norte in die kongolesischen Provinzen Bas-Kongo und Kasai-Occidental abgeschoben wurden. Die meisten Migranten kamen nach Angola, um in Diamantenminen oder auf dem informellen Arbeitsmarkt zu arbeiten.
Seit 2003 hat Angola irreguläre Migranten fast jedes Jahr massenhaft abgeschoben, obwohl immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen angeprangert wurden. Die Vereinten Nationen schätzen, dass im vergangenen Jahr 100.000 Migranten abgeschoben wurden. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen wurden in Gefängnissen verübt. Die Betroffenen identifizierten die Täter als Angehörige unterschiedlicher Sicherheitskräfte, etwa verschiedener Zweige der Polizei, der Einwanderungsbehörde und des Militärs. Dennoch haben die Zuständigen keine gründlichen und glaubwürdigen Untersuchungen durchgeführt und die Täter nicht verfolgt.
Frauen und Mädchen, die zumeist auf dem informellen Arbeitsmarkt und in Wohngebieten aufgegriffen wurden, liefern ähnliche Beschreibungen davon, wie und von wem sie sexuell misshandelt wurden. Die meisten Vergewaltigungen geschahen in Haftanstalten in Lunda Norte, in Gefängnissen, die ausschließlich als Transit-Zentren für Migranten genutzt werden. Die Überlebenden berichteten, dass Gruppen unterschiedlicher Sicherheitskräfte wiederholt sexuelle Handlungen von weiblichen Gefangenen verlangt haben und ihnen Schläge oder den Tod androhten oder im Austausch Nahrungsmittel anboten. Die oftmals erschreckenden Haftbedingungen - überfüllte Zellen, fehlende Nahrung, Trinkwasser und sanitäre Anlagen - trugen dazu bei, dass die Betroffenen die sexuelle Ausbeutung über sich ergehen ließen.
Viele Kinder mussten mitansehen, wie ihre Mütter oder andere weibliche Zellengenossen sexuell misshandelt wurden. Eine 27-jährige Kongolesin, die im Juni 2011 abgeschoben wurde, beschreibt ihr Leid im Condueji-Gefängnis in Dundo: „In der Zelle waren 73 Frauen und 27 Kinder. Sie wollten ständig Sex von uns. Die Frauen haben das hingenommen, weil es ihnen furchtbar schlecht ging. Es gab nichts zu essen oder zu trinken, auch kein Wasser, um sich zu waschen. Manchmal haben sie Kekse für die Kinder mitgebracht, aber nur für die von Frauen, die mit ihnen Sex hatten.“
Eine andere ehemalige Insassin dieses Gefängnisses sagte: „Wir waren 57 Frauen und zehn Kinder in einer Zelle. Die ganze Zeit kamen Männer, Tag und Nacht und wollten Sex mit den Frauen. Sie kamen in Gruppen, zu dritt oder zu viert. Sie haben einige Frauen vergewaltigt. All das ist in der gleichen Zelle passiert. Die Kinder haben alles gesehen und viel geweint. Ich habe mich geweigert und einer hat mir in den Bauch getreten.“
Unzählige Überlebende und Zeugen berichteten von systematischer Gewalt, Folter sowie erniedrigender und unmenschlicher Behandlung bei Razzien, während des Transports in Gefängnisse und in Haft. Die meisten Migranten berichteten, dass sie willkürlich verhaftet wurden. Weder bei Razzien noch bei Einsätzen, in denen ein Haus nach dem anderen durchsucht wurde, haben die Festgenommenen Haftbefehle gesehen. Auch konnten sie keinen Einspruch gegen ihre Verhaftung einlegen.
Die angolanische Regierung hat sexuelle Gewalt, Folter und grausame, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung bei Abschiebungen wiederholt geleugnet oder heruntergespielt. Dabei kritisierten die Vereinten Nationen, die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und Rechte der Völker sowie internationale und regionale Organisationen diese Vorfälle seit 2004. Im vergangenen Jahr äußerten sich die UN-Sondergesandte zu sexueller Gewalt gegen Frauen, Margot Wallström, und der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon besorgt über die Lage. Daraufhin hat die angolanische Regierung zugesagt, ihren internationalen Verpflichtungen bei Abschiebungen nachzukommen. Allerdings hat sie die Konvention gegen Folter und die Wanderarbeiterkonvention immer noch nicht ratifiziert. Als Angola sich im Jahr 2007 und erneut im Jahr 2010 um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat bewarb, hatte die Regierung dies zugesagt.
Auch in diesem Jahr finden Massenabschiebungen aus Angola statt. Nach offiziellen Angaben der Demokratischen Republik Kongo haben angolanische Sicherheitskräfte in den ersten zwei Märzwochen mehr als 5.000 Migranten allein aus der Enklave Cabinda und der Stadt Soyo zwangsweise abgeschoben. Besonders schwer wiegt der Tod von drei kongolesischen Migranten am 23. März 2012 im Cadeia-Gefängnis in Cabinda. Vermutlich sind sie in einer überfüllten Zelle erstickt. Das Gefängnis wird seit vielen Jahren für Migranten genutzt, die abgeschoben werden sollen.
Anwälte in Cabinda berichteten, dass die Polizei Ermittlungen gegen drei mutmaßlich verantwortliche Beamte eingeleitet hat. Allerdings wurden die Opfer unmittelbar nach der Autopsie begraben. Die Behörden haben den Anwälten nicht gestattet, die Leichenhalle zu betreten, und nicht einmal die Familien der Toten informiert.
„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Verantwortlichen für die jüngsten Todesfälle in Haft zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt Lefkow. „Aber die Behörden müssen in angemessener Weise ermitteln und Hunderte Betroffene entschädigen. Ohne strafrechtliche Verfolgung kann niemand garantieren, dass die Misshandlungen aufhören.“