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Vietnam: Misshandlung ethnischer Khmer im Mekong Delta soll beendet werden

Regierung unterdrückt friedliche Proteste für religiöse und kulturelle Rechte sowie Landrechte

(New York, 21. Januar 2009) – Die vietnamesische Regierung soll umgehend buddhistische Khmer Krom-Mönche und Landrechtsaktivisten freilassen, die für die friedliche Äußerung ihrer politischen und religiösen Meinung im Gefängnis sitzen oder unter Hausarrest stehen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Khmer Krom sind eine große ethnische Gruppe im Mekong Delta, das zentrale Bedeutung für die Beziehungen zwischen Vietnam und Kambodscha hat.

Der 125-seitige Bericht „On the Margins: Rights Abuses of Ethnic Khmer in Vietnam’s Mekong Delta“ dokumentiert anhaltende Menschenrechtsverletzungen gegen Khmer Krom im Süden Vietnams sowie in Kambodscha, wohin viele von ihnen geflüchtet sind. Aus Furcht vor möglichen nationalen Bestrebungen der Khmer Krom hat Vietnam friedliche Proteste unterdrückt und die Veröffentlichung von Menschenrechtspublikationen der Khmer Krom verboten. Die Regierung kontrolliert zudem streng den Theravada Buddhismus, der von den Khmer Krom ausgeübt wird. Die Khmer Krom sehen in dieser Form des Buddhismus die Grundlage ihrer Kultur und ethnischen Identität.

„Vietnams Reaktion auf friedliche Proteste gibt einen Einblick in die strengen und häufig verdeckten Methoden, um abweichende Meinungen zu unterdrücken,“ so Brad Adams, Leiter der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Die Regierung sollte versuchen, in einen Dialog mit den Khmer Krom zu treten anstatt sie ins Gefängnis zu werfen.“

Der Bericht bezieht sich auf detaillierte Interviews mit Zeugen in Vietnam und in Kambodscha. Er zeigt, dass die Khmer Krom in Vietnam ernsthaften Einschränkungen der Rechte auf Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Informations- und Bewegungsfreiheit ausgeliefert sind. Während der Recherchearbeit zu diesem Bericht kam Human Rights Watch in den Besitz von internen Aktennotizen der kommunistischen Partei Vietnams und vietnamesischer Regierungsbeamten. In diesen Notizen werden Bedenken über Unruhen unter den Khmer Krom im Mekong Delta geäußert sowie Strategien entwickelt, um Khmer Krom-Aktivisten zu überwachen und zum Schweigen zu bringen. Die Dokumente finden sich im Anhang des Berichts.

„Die offiziellen Dokumente, die wir heute veröffentlichen, machen die Bemühungen der vietnamesischen Regierung deutlich, Kritiker zum Schweigen zu bringen“, so Adams. „Das ist blanke, unvertretbare politische Unterdrückung.“

„On the Margins“ liefert eine seltene, detaillierte Beschreibung einer Demonstration von 200 buddhistischen Khmer Krom-Mönchen in der vietnamesischen Provinz Soc Trang im Februar 2007. Die Demonstranten forderten mehr religiöse Freiheit und mehr Bildungsmöglichkeiten in der Khmer-Sprache. Obwohl die Demonstration friedlich war und nur einige Stunden dauerte, reagierte die vietnamesische Regierung mit äußerster Härte. Die Polizei umzingelte die Pagoden von Mönchen, die unter Verdacht standen, die Demonstration angeführt zu haben. Anschließend wiesen lokale und von der Regierung ernannte buddhistische Beamte mindestens 20 Mönche aus dem Mönchtum aus und zwangen sie, ihr Amt niederzulegen, ihre Mönchsrobe abzugeben und ihre Pagode zu verlassen. Die Beamten schickten die Mönche zurück in ihre Dörfer und stellten sie unter Hausarrest oder nahmen sie in polizeilichen Gewahrsam, ohne einen Haftbefehl zu erlassen oder die Anschuldigungen zu erläutern. Während der Verhöre schlug die Polizei einige der Mönche.

Im Mai 2007 verurteilte das Landgericht Soc Trang fünf der Mönche wegen „Störung des Straßenverkehrs“ zu zwei bis fünf Jahren Haft. Einige der Mönche wurden während des Verhörs geschlagen. Nach den Demonstrationen verstärken die Behörden die Überwachung der Khmer Krom-Aktivisten, schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein, verboten ihre Publikationen und hörten ihre Telefone ab.

Der Bericht untersucht zudem die Menschenrechtsverletzungen an den Khmer Krom, die nach Kambodscha gezogen sind, wo sie noch immer zu den sozialen Gruppen mit den wenigsten Rechten gehören. Da sie in Kambodscha häufig als ethnische Vietnamesen wahrgenommen werden, kämpfen viele Khmer Krom in Kambodscha mit sozialer und wirtschaftlicher Diskriminierung und unnötigen Hindernissen, um ihren Status zu legalisieren.

Die Regierung Kambodschas hat wiederholt gesagt, dass sie die Khmer Krom als Staatsbürger Kambodschas sieht. Dennoch reagieren die kambodschanischen Behörden oft unnachgiebig, wenn sich die Khmer Krom kritisch über die vietnamesische Regierung äußern, die ein enger Verbündeter Kambodschas ist. Im Jahr 2007 hat die kambodschanische Polizei in Phnom Penh gewaltsam eine Reihe von Demonstrationen der Khmer Krom aufgelöst, die ihre in Vietnam erlittenen Menschenrechtsverletzungen anprangerten.

Im Februar 2007 wurde ein Khmer Krom-Mönch, Eang Sok Thoen, unter dubiosen Umständen getötet, nachdem er an einer Demonstration in Phnom Penh teilgenommen hatte. Im Juni 2007 nahmen kambodschanische Beamte den Khmer-Krom Mönch, Tim Sakhorn, fest, enthoben ihn seines Amtes und schoben ihn nach Vietnam ab, wo er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Human Rights Watch forderte die Regierung Kambodschas auf, den Tod von Eang Sok Thoen sorgfältig zu untersuchen, und ersuchte die Regierung Vietnams, Tim Sakhorn die Rückkehr in sein Haus in Kambodscha zu ermöglichen. Tim Sakhorn war nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis im Mai 2008 in Vietnam unter Hausarrest gestellt worden.

„Die Tötung, Inhaftierung und Amtsenthebung von Khmer Krom-Mönchen sendet eine erschreckende Botschaft an Aktivisten unter den Khmer Krom in Kambodscha und in Vietnam“, sagte Adams. „Eine ethnische Gruppe, die in zwei Ländern geschützt werden sollte, ist in diesen beiden Ländern nun schutzlos.“

Auszüge aus dem Bericht

Alle Namen zwischen Anführungszeichen in dem Bericht sind Pseudonyme, um die befragten Personen vor Repressalien der Regierung zu schützen.

„Ich hatte mich auf die Selbstverbrennung vorbereitet. Ich hatte ein Feuerzeug und eine Flasche Benzin. Ich hatte meinen Körper schon in Tücher eingewickelt. ‚Wenn ihr meinen Forderungen nicht entgegenkommt, nachdem mein Körper verbrannt ist, dann müsst Ihr die Verantwortung tragen.’ Ich war verzweifelt, weil ich nichts falsch gemacht hatte.“

- „Ponleal“, ein Khmer Krom-Mönch, der festgenommen wurde, nachdem er an der friedlichen Demonstration in Soc Trang im Februar 2007 teilgenommen hatte.

„Zuerst befragte die Polizei mich jeden Tag, dann einige Male in der Woche. Manchmal verhörten sie mich von morgens bis 10 Uhr abends – und ich durfte nicht nach Hause gehen...Sie ohrfeigten mich mit der Handfläche auf den Hinterkopf und schlugen mich mit aufgerolltem Papier. Sie stellten viele Fragen und versuchten, mich einzuschüchtern, indem sie mir Handschellen zeigten...Das Geständnis war schon geschrieben. Sie zwangen mich, das abzuschreiben, was sie verfasst hatten. Ich bin nicht gegen die vietnamesische Regierung. Ich halte mich an die Gesetze Vietnams. Aber sie sagten, ich sei dem Land gegenüber nicht loyal.“

- Ein Khmer Krom-Mönch, der seines Amtes enthoben und unter Hausarrest gestellt wurde, nachdem er 2007 an einer friedlichen Demonstration in der Provinz Soc Trang teilgenommen hatte.

„Zwei Mönche standen unter enormen Druck: sie schrien laut, weil sie geschlagen wurden. Es tut weh, daran zurückzudenken, wie Kim Muol vom Leiter des Verhörs behandelt wurde. Sie schlugen ihn, zwei Mal mit der Faust: einmal auf das Brustbein und einmal ins Gesicht. Es hörte sich an wie ‚wham wham wham’. Dann packten sie ihn sich und drückten seinen Kopf fest zwischen ihre Händen...“

- Von fünf inhaftierten Mönchen im Gefängnis per Hand geschriebener Brief in Khmer.

„Sie verletzen die Rechte der ethischen Minderheiten. Wir haben kein Recht, uns über die Konfiszierung unseres Landes zu beschweren. Wenn ich mein Land zurück fordere, dann sagen sie, dass ich die Regierung stürzen und eine politische Bewegung starten will.“

- Anführer einer Khmer Krom Demonstration in der Provinz An Giang im Juni 2008.

„Als ich nach der Demonstration zu meiner Pagode zurückkehrte, wurde ich unter 24-stündige Beobachtung gestellt. Polizeibeamte umzingelten meine Pagode, die voller lokaler Beamter war. Die Polizei folgte mir, als ich zum Almosen sammeln nach draußen ging...Später sagte die Polizei, dass ich mit ihnen ‚zusammenarbeiten müsse, wenn ich nicht mein Amt verlieren wolle. ‚Deine Aufgabe ist es, die Aktivitäten der anderen Mönche zu beobachten und Berichte zu verfassen’, sagten sie.“

- „Kosal“, ein buddhistischer Abt der Khmer Krom aus der Provinz Soc Trang

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