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Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bei einer Pressekonferenz in Kabul, Afghanistan, 17. August 2021. © 2021 Kyodo via AP Images

(New York, 18. August 2021) - Afghanistans neue Taliban-Führung hat sich öffentlich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet, dabei jedoch so vage Formulierungen verwendet, dass ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird, so Human Rights Watch heute. Im Rahmen einer Pressekonferenz in Kabul am 17. August 2021 versuchte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid, die afghanische Zivilbevölkerung und die internationale Gemeinschaft bezüglich der Haltung der neuen Regierung zu den Menschenrechten zu beschwichtigen, einschließlich der Rechte von Frauen und Mädchen, der Medienfreiheit und des Schutzes ehemaliger Regierungsmitglieder.

Die Taliban sollten öffentlich zusichern, sich an die internationalen Verpflichtungen Afghanistans im Bereich der Menschenrechte zu halten. Sie sollten den Vereinten Nationen und unabhängigen internationalen Beobachter*innen den Zugang zum Land zu ermöglichen, sodass diese den Schutz der Menschenrechte überwachen und fördern können.

„Die Taliban müssen ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten durch Taten und nicht durch vage Worte unter Beweis stellen“, sagte John Sifton, Asien-Direktor bei Human Rights Watch. “Um das Vertrauen der Bevölkerung und der Welt zu gewinnen, müssen die Taliban in ganz Afghanistan die Menschenrechte respektieren und den Vereinten Nationen und anderen unabhängigen Organisationen erlauben, die Menschenrechtslage im Land zu überwachen.

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf wird am 24. August eine Dringlichkeitssitzung abhalten, um die Menschenrechtslage in Afghanistan zu besprechen. Der Rat sollte eine Resolution verabschieden, die einen internationalen Untersuchungsmechanismus zur Überwachung der Menschenrechtslage im Land einrichtet, so Human Rights Watch. Der UN-Sicherheitsrat wird in den kommenden Wochen zusammenkommen, um Optionen für die Verlängerung des Mandats der UN-Mission in Afghanistan zu prüfen.

Bei der Pressekonferenz der Taliban versicherte ihr Sprecher Mujahid, dass sie die Menschenrechte und das Völkerrecht respektieren würden. Er sagte, sie würden „keine Rache an irgendjemandem üben, keinen Groll gegen irgendjemanden hegen.... Das Islamische Emirat [die Taliban-Regierung] hegt gegen niemanden irgendwelche Feindseligkeiten oder Animositäten.“ In Bezug auf ehemalige Regierungssoldaten und Dolmetscher*innen für ausländische Streitkräfte sagte er, dass „niemand an ihre Tür klopfen wird, um sie zu inspizieren ... oder sie zu verhören.... Sie sind in Sicherheit.“

In den letzten Wochen haben Human Rights Watch und andere Organisationen jedoch Informationen über Tötungen von in Gewahrsam genommenem Sicherheitspersonal der Regierung durch die Taliban zusammengetragen. Seit die Taliban Kabul kontrollieren, gibt es immer wieder Berichte über Taliban-Kräfte, die nach ehemaligen Beamt*innen und anderen Personen suchen. Medien berichteten, dass Taliban-Kräfte dabei gesehen wurden, wie sie exzessive und tödliche Gewalt anwandten, um Menschenmengen am Flughafen von Kabul und bei einer Demonstration in Jalalabad auseinanderzutreiben. Schon seit langem bedrohen und töten die Taliban Regierungsmitarbeiter*innen, Menschenrechts- und Frauenrechtsaktivist*innen und andere Frauen des öffentlichen Lebens.

Am 16. August äußerte der Sicherheitsrat „tiefe Besorgnis“ über gemeldete schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Am 17. August gab der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, eine Erklärung ab, in der er die Zuständigkeit des Gerichts für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord bekräftigte, die seit Mai 2003, als Afghanistan dem IStGH beitrat, auf afghanischem Gebiet begangen wurden.

Die Taliban sollten alle Angriffe auf Zivilist*innen einstellen und den Menschen in Afghanistan und ihren Familien, die aufgrund ihrer Arbeit, ihrer Stellung oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit um ihre Sicherheit fürchten, erlauben, das Land zu verlassen, sagte Human Rights Watch.

Mujahid sagte, das Thema Frauen sei „sehr wichtig“: „Das Islamische Emirat setzt sich für die Rechte der Frauen im Rahmen der Scharia [islamisches Recht] ein. Unsere Schwestern und unsere Männer haben die gleichen Rechte; sie werden in der Lage sein, von ihren Rechten zu profitieren. ... [E]s wird keine Diskriminierung von Frauen geben, zumindest nicht innerhalb des Rahmens, den wir haben.”

Er fügte hinzu: „[W]ir werden Frauen erlauben, innerhalb eines gewissen Rahmens zu arbeiten und zu studieren. Die Frauen werden in der Gesellschaft eine aktive Rolle spielen, jedoch im Einklang mit dem Islam. Frauen sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft, und wir garantieren alle ihre Rechte innerhalb der Grenzen des Islam.“

Ähnlich hatten sich die Taliban geäußert, als sie von 1996 bis 2001 an der Macht waren und die Rechte der Frauen durch das islamische Recht eingeschränkt wurden. In dieser Zeit verboten sie die meisten Bildungsangebote für Frauen und Mädchen, führten Steinigungen und Peitschenhiebe als Strafen für vermeintliche Verbrechen wie Ehebruch ein und erlaubten Frauen nur in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds, das Haus zu verlassen. Frauen wurde die Bewegungsfreiheit verwehrt ebenso wie der Zugang zu den meisten Arbeitsplätzen.

„Die Taliban können nicht behaupten, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und gleichzeitig eine diskriminierende Sprache über die Rechte von Frauen verwenden“, sagte Sifton. „Genau diese Art von frauenfeindlichen Ansichten wurden auf brutale Weise auf die Spitze getrieben, als die Taliban-Führung früher an der Macht war.”

Mujahid deutete auch an, dass sich die neue Taliban-Regierung nicht an internationale Menschenrechtsnormen oder -gesetze halten werde. Er sagte, dass „andere Länder andere Regeln, eine andere Politik, andere Standpunkte, andere Ansätze [und] andere Vorschriften“ hätten. Stattdessen merkte er an, dass „auch die Afghanen das Recht haben, ihre eigenen Regeln und Vorschriften und ihre eigene Politik zu haben... in Übereinstimmung mit unseren Werten... niemand sollte sich Sorgen um unsere Normen und Prinzipien machen.”

Zur Medienfreiheit sagte Mujahid, die Taliban seien „den Medien innerhalb unseres kulturellen Rahmens verpflichtet. Private Medien können weiterhin frei und unabhängig sein, sie können ihre Aktivitäten fortsetzen“, aber „nichts dürfe gegen islamische Werte verstoßen“. Er sagte zwar, dass die Medien „unsere Arbeit kritisieren dürfen, sodass wir uns verbessern können“, fügte aber auch hinzu: „Es ist sehr wichtig, dass die Afghanen ihren nationalen Werten, der nationalen Einheit und dem nationalen Konsens Bedeutung beimessen. Die Medien sollten nicht gegen die nationalen Werte, gegen die nationale Einheit arbeiten.“

Die Taliban waren in den letzten Jahren an der Ermordung Dutzender Journalist*innen beteiligt und haben viele weitere bedroht. Mujahid deutete an, dass die Taliban Berichterstattung regulieren oder zensieren werden, die ihrer Regierung kritisch gegenübersteht oder in irgendeiner Weise die „Einheit“ Afghanistans untergraben.

„Selbst wenn die Taliban Menschenrechte wie die Medienfreiheit befürworten, vermitteln sie eine unterschwellige Drohung, die Anlass zur Sorge gibt“, sagte Sifton. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die UN einen internationalen Untersuchungsmechanismus einrichtet, um die Menschenrechtslage zu überwachen und öffentlich über die Situation zu berichten.”

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