(Nairobi) – Seit Februar 2014 hat eine Sondereinheit der sudanesischen Regierung in zwei Wellen Zivilisten in Dutzenden Dörfern und Städten in Darfur ermordet und vergewaltigt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Regierung soll die Übergriffe der Schnellen Unterstützungstruppen (Rapid Support Forces, RSF) stoppen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Die gemeinsame Friedensmission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen (UNAMID) soll dringend den Schutz der Zivilbevölkerung verbessern.
Der 88-seitige Bericht „‘Men With No Mercy‘: Rapid Support Forces Attacks against Civilians in Darfur, Sudan“ dokumentiert Gräueltaten der RSF gegen Zivilisten während zweier Offensiven gegen Aufständische in Darfur. Bei den Übergriffen handelt es sich augenscheinlich um großflächige und systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, die möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
„Die RSF hat Zivilisten in zahllosen Dörfen getötet, vergewaltigt und gefoltert, und zwar organisiert, vorsätzlich und systematisch”, sagt
Daniel Bekele, Leiter der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Die sudanesische Regierung soll diese Truppen unverzüglich entwaffnen und auflösen und die Kommandanten und Offiziere identifizieren und vor Gericht bringen, die für diese furchtbaren Verbrechen verantwortlich sind.“
Zwischen Mai 2014 und Juli 2015 befragte Human Rights Watch insgesamt 212 Opfer und Zeugen der Angriffe in Darfur, darunter 151 Personen, die in den Tschad oder nach Südsudan geflüchtet waren, sowie 16 Personen, mit denen in Darfur gesprochen wurden. 45 Interviews wurden telefonisch von außerhalb Darfurs durchgeführt.
Die RSF wurde im Jahr 2013 aufgebaut, kämpfte zuerst in Süd-Kordofan und wird seit dem vergangenen Jahr in Darfur eingesetzt. Dort greift sie überwiegend Gebiete an, die von unterschiedlichen Rebellengruppen kontrolliert oder beansprucht werden. Allerdings wurden die meisten der von der RSF oder anderen Regierungstruppen begangegen Menschenrechtsverletzungen, von denen Human Rights Watch berichtet wurde, in Dörfern und Städten verübt, in denen sich zu diesem Zeitpunkt keine Rebellen aufhielten.
Die Übergriffe in der Stadt Golo in Jebel Marra im Januar 2015 stehen beispielhaft für die Gräueltaten. Die 21 befragten Personen aus Golo und benachbarten Dörfer berichteten, dass sie Morde, Vergewaltigungen, massenhafte Misshandlungen und Plünderungen beobachtet haben, darunter die Vergewaltigung zahlreicher Frauen im Krankenhaus von Golo. Die 42-jährige Mariam (Name geändert) sagte: „Sie [die Soldaten] trennten Frauen und Männer. Sie vergewaltigten einige Frauen und zwangen die Männer, Steine von einem Ort an einen anderen zu schleppen, als Bestrafung... Einige [der Frauen] wurden im Krankenhaus vergewaltigt... Sieben Vergewaltigungen habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.“
Viele der Frauen wurden von mehreren Männern hintereinander vergewaltigt, häufig in Anwesenheit von Angehörigen oder Bekannten, die zusehen mussten. Einige, die sich dagegen wehrten, wurden ermordet. Die überlebenden Frauen erhalten bislang keine medizinische oder psychosoziale Unterstützung.
Der UN-Organisation für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) liegen Berichte vor, nach denen seit Januar 130.000 Menschen in die Bergregion Jebel Marra vertrieben worden sind. Viele haben sich in Gebiete zurückgezogen, in denen sie keinen regelmäßigen Zugang zu Hilfsorganisationen haben. Da angemessene Nahrung, Unterkünfte und medizinische Versorgung fehlen und die Geflüchteten nicht zu ihren Wohnhäusern oder Farmen zurückkehren können, drohen viele, an Hunger, Krankheiten oder Witterungseinflüssen zu sterben.
Human Rights Watch sprach auch mit fünf Überläufern, die der RSF oder anderen Regierungskräften angehört hatten. Vier von ihnen betonten, dass die Kommandanten ihren Einheiten befohlen haben, Gräueltaten an Zivilisten zu verüben. Einer gab zu, selbst schwerwiegende Verbrechen begangen zu haben. Ein anderer schilderte den Tag nach der Einnahme einer Stadt: „Der Kommandant sagte uns, dass die Männer Rebellen sind oder die Rebellen unterstützen und dass die Frauen ihr Harem sind. Also geht man hin und vergewaltigt und tötet sie.“
„Sowohl die Art der Übergriffe als auch die Aussagen der Überläufer weisen darauf hin, dass Kommandanten an den schockierenden Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind“, so Bekele. „Diese Verbrechen müssen unverzüglich und unabhängig untersucht und umfassend strafrechtlich verfolgt werden.“
Die anhaltenden Angriffe der Regierung zeigen, dass es dringend einer wirkungsvollen und schnell reaktionsfähigen, internationalen Truppe bedarf, die zum Schutz der Zivilbevölkerung in Darfur beitragen kann. Darüber hinaus unterstreichen sie, dass die eingesetzten Friedenstruppen ihr Kernmandat, Zivilisten zu schützen, nicht ausreichend erfüllen. Obwohl auch Teil ihres Mandats ist, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten, hat UNAMID ihre Bericht bislang kaum öffentlich gemacht und noch keine umfassende Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten veröffentlicht, die im Zuge der von der RSF durchgeführten Operationen zur Aufstandsbekämpfung verübt wurden.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union und UNAMID sollen konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Zivilbevölkerung in Darfur vor weiteren Übergriffen zu schützen. Sie sollen gegen die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Personen Sanktionen verhängen, Opfern den Zugang zu Unterstützung ermöglichen und diese ausbauen, insbesondere spezialisierte Dienste für Überlebende von Vergewaltigungen, und auf eine Zusammenarbeit mit den Ermittlern des Internationalen Strafgerichtshofs drängen, die die schwerwiegenden Verbrechen in Darfur untersuchen.
„Der Sicherheitsrat und die Afrikanische Union haben auf ihren Händen gesessen, während sudanesische Regierungstruppen zwei Operationen gegen die Zivilbevölkerung von Darfur durchgeführt haben“, sagt Bekele. „Sie müssen gewährleisten, dass Zivilisten angemessen geschützt sind, bevor eine dritte Operation beginnt.“