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(Washington, D.C., 14. Juni 2011) – Inhaftierte Einwanderer, die in den Vereinigten Staaten von Abschiebung bedroht sind, werden von der amerikanischen Einwanderungs- und Zollbehörde oft mehrfach in abgelegene Haftzentren verlegt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht, in dem Daten aus den letzten zwölf Jahren analysiert wurden.

Dem 37-seitigen Bericht „A Costly Move: Far and Frequent Transfers Impede Hearings for Immigrant Detainees in the United States“ zufolge werden inhaftierte Einwanderer, darunter rechtmäßig und dauerhaft in den USA lebende Personen, Flüchtlinge und Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung, durch die Verlegung von ihren Anwälten, Zeugen und Beweismitteln getrennt, die sie benötigen, um sich gegen eine Abschiebung zu verteidigen. Dies kann gegen ihr Recht auf eine faire Behandlung vor Gericht verstoßen, Asyl- oder Abschiebeverfahren ins Stocken geraten lassen und ihre Haft in die Länge ziehen.

„Bei den Verlegungen werden Menschen nicht nur an einen anderen Ort gebracht, sondern ihre Rechte bleiben dabei auf der Strecke“, so Alison Parker, Leiterin der US-Programmabteilung von Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Einwanderer, die sich rechtmäßig in den USA aufhalten oder aufgrund von Verfolgung Asyl suchen, können dadurch möglicherweise keinen Anwalt nehmen oder ihr Recht zum Aufenthalt in den Vereinigten Staaten nicht verteidigen.“

Die Auswertung von insgesamt zwei Millionen Verlegungen in den vergangenen zwölf Jahren zeigt, dass mehr als 46 Prozent der betroffenen Häftlinge zweimal oder öfter verlegt wurden. In einem Fall war ein Häftling sogar 66mal in ein neues Gefängnis gebracht worden. Durchschnittlich legte jeder überführte Häftling eine Strecke von 595 Kilometern zurück: die Strecke von Pennsylvania nach Texas beispielsweise, auf der viele Verlegungen stattfinden, beträgt 2.643 Kilometer. Sich wiederholende Ortswechsel über große Entfernungen können zur Folge haben, dass ein Mandantenverhältnis nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, die Einwanderer keinen Zugang zu den vor Gericht benötigten Beweismitteln haben und Besuche von Familienangehörigen so kostspielig werden, dass sie – wenn überhaupt – nur selten möglich sind.

Ein Anwalt für Einwanderungsrecht sagte: „Ich habe noch nie jemanden vertreten, der nicht mindestens in drei Hafteinrichtungen war. In El Paso, Texas, zum Beispiel, in einer Einrichtung in Arizona oder sie schicken sie nach Hawaii ... Ich bin seit über zehn Jahren Anwalt für Einwanderungsrecht. Nicht ein einziges Mal hat man mich über die Verlegung [eines Mandanten] informiert. Nicht einmal.“

Mithilfe der von Human Rights Watch entwickelten Datentools können die Wege der meisten Verlegungen vom Ausgangs- bis zum Zielpunkt verfolgt werden. Interaktive Graphiken ermöglichen eine Analyse nach einzelnen Staaten und zeigen Entwicklungstendenzen bei der Verlegung von Häftlingen.

Die meisten Häftlinge wurden nach Louisiana, Mississippi und Texas gebracht – Staaten, die der Zuständigkeit des Fünften Bundesberufungsgerichts unterstehen. Dies ist besonders bedenklich, weil dieses Gericht für seine einwanderungsfeindlichen Urteile weithin bekannt ist und weil diese drei Bundesstaaten insgesamt das schlechteste Verhältnis von inhaftierten Einwanderern zu Anwälten für Einwanderungsrecht im ganzen Land haben: 510 : 1.

Ein ursprünglich aus der Dominikanischen Republik stammender, rechtmäßig und dauerhaft in den USA lebender Mann, der in Philadelphia ansässig war, aber nach Texas gebracht wurde, berichtete: „Ich musste mich selbst telefonisch um meine Polizeiakte bemühen. Das hat viel Zeit gekostet. Der Richter wurde wütend, weil ich immer wieder um Aufschub bat. Aber schließlich kam sie dann doch. Ich habe versucht, meinen Fall selbst [ohne einen Anwalt] darzulegen. Und habe verloren. “

Der in den Haftzentren verfügbare Platz, vor allem in der Nähe von Städten, in denen viele Einwanderer leben, reichte für die jährlich nahezu 400.000 inhaftierten Einwanderer nicht aus. Deshalb hat die Einwanderungs- und Zollbehörde ein System ins Leben gerufen, das sich auf die Zusammenarbeit mit staatlichen Justizvollzugsanstalten und Gefängnissen stützt und ohne Verlegungen nicht funktioniert. In den zwölf Jahren, die in dem Bericht analysiert wurden, sind eine Million Einwanderer in zwei Millionen mal verlegt worden. Zwischen 2005 und 2009 hat sich die Zahl der Verlegungen mehr als verdoppelt. Bei 57 Prozent wurden die Häftlinge zwischen staatlichen oder lokalen Strafvollzugsanstalten verlegt, die sie erneut verlassen mussten, wenn dort Betten für andere Straftäter benötigt wurden.

Dem Bericht zufolge liegen allein die Transportkosten für die zwei Millionen Verlegungen bei schätzungsweise 366 Millionen US-Dollar. Da sich betroffenen Häftlinge dreimal so lange in Haft befinden wie Gefangene, die am gleichen Ort bleiben, werden die höchsten Kosten durch Verzögerungen an den Gerichten und lange Haftzeiten verursacht.

Trotz wiederholter Zusagen der Einwanderungs- und Zollbehörde die Verlegungspraxis zu ändern, ging deren Zahl nicht wirklich zurück. Die Behörde kündigte die Schaffung einer neuen Hafteinrichtung in New Jersey an, die näher an den Städten liegen soll, in denen viele Einwanderer leben und in denen Anwälte und Zeugen ansässig sind. Außerdem hat die Einwanderungs- und Zollbehörde ein System eingerichtet, mit dem Anwälte bzw. Familien den Aufenthaltsort ihrer Mandanten bzw. Angehörigen bestimmen können.

Einige Verlegungen sind zwar unvermeidbar. Die Einwanderungs- und Zollbehörde sowie der Kongress sollen jedoch hinreichende Kontrollen zum Schutz der Rechte von Häftlingen durchführen. Der Bericht empfiehlt konkrete Schritte zur Einrichtung eines solchen Systems.

„Die Verlegungen in Bussen und Flugzeugen quer durch das ganze Land haben für die Häftlinge und für die Einwanderungs- und Zollbehörde erhebliche Konsequenzen“, so Parker. „Doch bisher hat die Einwanderungs- und Zollbehörde wenig unternommen, um nicht mehr auf diese chaotische ‚Reise nach Jerusalem’ angewiesen zu sein.“

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