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Deutschland

Menschenrechtslage 2023

Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin einer Lebensmittelbank in Dortmund reicht einer älteren Person am 19. Januar 2023 Lebensmittel.

© 2023 INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Die Menschenrechtsbilanz Deutschlands im Jahr 2023 war geprägt von einer starken Zunahme rechtsextremistisch motivierter Demonstrationen sowie einer Zunahme von Angriffen gegen Migrant*innen, Jüd*innen, Muslim*innen, Sinti und Roma sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender Menschen (LGBT). Hierbei handelte es sich häufig um Hassverbrechen.  

Nach der Verlängerung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz für Vertriebene, die vor der russischen Invasion in der Ukraine geflohen sind, verlängerte die Regierung den besonderen Schutz für Geflüchtete aus der Ukraine, von denen über eine Million in Deutschland gezählt wurden. Bei einem neuen humanitären Programm für Menschen aus Afghanistan als Reaktion auf die Machtübernahme durch die Taliban kam es hingegen zu Problemen und Verzögerungen bei der Umsetzung.

Deutschland hat es versäumt, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und einen bilateralen Reparationsprozess für die zwischen 1904 und 1908 in Namibia begangenen Kolonialverbrechen anzustreben.

Diskriminierung und Intoleranz

Im Januar 2023 forderte die Bundesbeauftragte für Integration und Antirassismus eine breitere Datenerfassung sowie Schutz- und Präventivmaßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und wies darauf hin, dass rassistische Angriffe und strukturelle rassistische Diskriminierung nach wie vor Auswirkungen auf den Alltag von Menschen haben, unter anderem in den Bereichen Bildung, Wohnen, Arbeit und Gesundheit.

Offizielle Daten zeigten ein Rekordhoch von 58.916 politisch motivierten Straftaten im Jahr 2022, darunter 4.043 Gewalttaten. Antisemitische Straftaten gingen 2022 im Vergleich zum Vorjahr (3.027 Taten) um 12,75 Prozent (2.641 gemeldete Taten) zurück, das Innenministerium warnte jedoch, dass 84 Prozent dieser Taten mit rechtsextremen Motiven begangen wurden. Der Bundesverband Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) zählte in seinem Jahresbericht 2023 2.480 gemeldete Fälle von Antisemitismus im Jahr 2022. RIAS meldete, dass es zwischen dem 7. Oktober und dem 9. November 2023 in Deutschland 994 verifizierte antisemitische Vorfälle gab, insgesamt 29 Vorfälle pro Tag.

In der ersten Jahreshälfte 2023 gab es dreimal so viele rechtsgerichtete Demonstrationen wie in der ersten Jahreshälfte 2022, viele davon mit migrationsfeindlichen Themen.

Der Abschlussbericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM), der auf einer dreijährigen Beobachtungsphase basiert, kommt zu dem Schluss, dass antimuslimischer Hass weit verbreitet ist, wobei offen erkennbare Muslim*innen wie Frauen oder Mädchen mit Kopftuch besonders betroffen sind. Antimuslimischer Rassismus ist im Alltag sehr präsent, insbesondere in der Schule, am Arbeitsplatz und im Internet.

Im Juni verpflichteten sich die Innenminister der Länder, die Prävention von Hassverbrechen und Gewalt gegen LGBT Menschen zu verstärken, unter anderem durch Schulungen der Strafverfolgungsbehörden und die Einführung von Ansprechpersonen bei der Polizei in ganz Deutschland. Die Bundesinnenministerin erklärte, die Polizei habe über 1.400 Hassverbrechen gegen Mitglieder der LGBT-Gemeinschaften in Deutschland registriert. Mehrere Angriffe ereigneten sich bei Christopher Street Day Pride-Paraden. Bei einem dieser Angriffe wurde ein Mann getötet, als er zwei lesbische Frauen verteidigte. Im Mai äußerte sich die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung besorgt über Rückschritte bei den LGBT-Rechten.

Die Unabhängige Antidiskriminierungsstelle des Bundes gab an, dass sie im Jahr 2022 8.827 Beratungsanfragen erhalten hat, was einem Anstieg von 14 Prozent gegenüber 2021 und 50 Prozent gegenüber 2019 entspricht. Von allen Beschwerden bezogen sich 43 Prozent auf rassistische Diskriminierung, 27 Prozent auf Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, 21 Prozent auf Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und 10 Prozent auf Diskriminierung aufgrund des Alters. Die meisten Ratsuchenden erlebten Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt (27 Prozent). Die Stelle forderte eine Reform des deutschen Antidiskriminierungsgesetzes, damit dieses auch für öffentliche Einrichtungen, einschließlich Polizei und Justiz, gilt. In ihrem Koalitionsvertrag 2021-2025 hat die Regierungskoalition Reformen zur Stärkung und Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesetzes versprochen, aber bis zum Redaktionsschluss dieses Berichts noch keine Maßnahmen ergriffen.

Nachdem das Innenministerium im Mai eine Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes zur Bekämpfung von Racial Profiling durch die Einführung verpflichtender Protokolle für Polizeikontrollen vorgeschlagen hatte, wurde dieses im Dezember von der Bundesregierung verabschiedet. Neben anderen Reformen beinhaltet es auch verpflichtende Protokolle über Polizeikontrollen.

Internationale Justiz

Deutsche Justizbeamt*innen setzten die Sammlung von Zeugenaussagen über schwere Verbrechen in der Ukraine im Rahmen einer im Jahr 2022 eingeleiteten strukturellen Untersuchung fort.

Der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Alaa M., der als Arzt in zwei Militärkrankenhäusern in Syrien gearbeitet haben soll, wurde in Frankfurt fortgesetzt.

Im Januar reichten die Nichtregierungsorganisation Fortify Rights und 16 Einzelpersonen bei der deutschen Justiz Strafanzeige gegen hochrangige Militärgeneräle aus Myanmar und andere wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.

Im Februar verurteilte das Oberlandesgericht Berlin ein Mitglied der syrischen Bewegung Freies Palästina, Moafak D., wegen seiner Beteiligung an Kriegsverbrechen und Mord in Syrien im Jahr 2014 zu lebenslanger Haft.

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung von Eyad al-Gharib, einem ehemaligen syrischen Geheimdienstmitarbeiter, wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das Oberlandesgericht Koblenz bestätigt. Die Revision von Anwar R., einem ehemaligen Mitglied des syrischen Geheimdienstes, gegen seine Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit war bei Redaktionsschluss noch ausstehend.

Geflüchtete, Asylsuchende und Migrant*innen

Nach Angaben der Bundesregierung haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 188.967 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, was einem Anstieg von 78,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die meisten Antragstellenden kamen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, dem Iran und dem Irak.

Im April befanden sich 1,1 Millionen Ukrainer*innen in Deutschland, die größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger im Lande. Nach Angaben des Innenministeriums haben bis Juli 243.000 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, Deutschland wieder verlassen und sind entweder in die Ukraine zurückgekehrt oder in andere Länder gezogen.

Nach der Verlängerung der EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz, verlängerte die Bundesregierung ihre Ausnahmeregelung für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, sich in Deutschland aufzuhalten, zu arbeiten und sozialen Schutz zu erhalten, bis zum 3. März 2024.

Asylsuchende und Geflüchtete verbrachten Wochen oder Monate in großen Aufnahmezentren, da es in verschiedenen Regionen an bezahlbarem Wohnraum mangelte. Obwohl die Aufnahmekapazitäten nach dem Krieg in der Ukraine landesweit erheblich ausgeweitet wurden, sind viele Zentren nahezu ausgelastet.

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 hat Deutschland nach Angaben des Innenministeriums über 28.000 ehemalige Ortskräfte und deren Familienangehörige sowie Tausende von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen im Rahmen anderer Aufnahmeprogramme oder aus humanitären Gründen aufgenommen. Im März setzte die Regierung vorübergehend ein Sonderprogramm aus, mit dem bis zu 1.000 gefährdete Afghan*innen pro Monat nach Deutschland gebracht werden sollten. Die Regierung begründete diesen Schritt mit Bedenken hinsichtlich der Prüfverfahren. Obwohl die Regierung das Programm wieder aufgenommen hat, hat bei Redaktionsschluss dieses Berichts noch kein einziger Mensch aus Afghanistan von diesem Programm profitiert.

Im Januar schoben die deutschen Behörden den tadschikischen Oppositionsaktivisten Abdullohi Shamsiddin ab, obwohl er bei seiner Rückkehr nach Tadschikistan ernsthaft Verfolgung und Folter befürchtete. Im März wurde er nach einem unfairen Verfahren von einem tadschikischen Gericht wegen Anstiftung zum gewaltsamen Umsturz der Regierung zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Im August einigte sich die Regierung auf den Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes, welches Transgender-, Intersex- und nicht-binären Menschen ermöglichen soll, ihren Namen und ihr Geschlecht in offiziellen Dokumenten zu ändern, um ihre Geschlechtsidentität durch ein einfaches Verwaltungsverfahren und ohne diskriminierende „Expertengutachten“ festzuhalten.

Rechtsstaatlichkeit

In ihrem jährlichen Bericht zur Rechtsstaatlichkeit stellte die Europäische Kommission einen Mangel an angemessenen Ressourcen für das Justizsystem fest und empfahl eine bessere Überwachung von Lobbyaktivitäten im Zusammenhang mit Gesetzestexten sowie die Schaffung einer Rechtsgrundlage für das Recht von Journalist*innen auf Informationen von Bundesbehörden.

Deutschland ist in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen für das Jahr 2023 von Platz 16 auf Platz 21 zurückgefallen. Grund dafür sind die zunehmende Gewalt und verbale Angriffe gegen Journalist*innen, der abnehmende Medienpluralismus, der fragmentierte Zugang zu Informationen und Gesetzesentwürfe, die „den Schutz journalistischer Quellen bedrohen“.

Im Oktober verhängten die Berliner Behörden nach einer Eskalation der Feindseligkeiten in Israel und Palästina und einem drastischen Anstieg der Zahl der zivilen Opfer ein generelles Verbot von Pro-Palästina-Protesten. Hierbei versäumten sie es, im Einzelfall zu prüfen, ob die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit notwendig und verhältnismäßig waren.

Im Mai hatte die Berliner Polizei bereits mehrere Demonstrationen zum palästinensischen Nakba-Tag mit der Begründung verboten, es sei zu Gewalttätigkeiten und antisemitischen Äußerungen gekommen. Die Polizei griff in eine Demonstration ein, die trotz des Verbots von israelischen und deutschen Juden und Palästinenser*innen organisiert worden war, angeblich wegen antisemitischer Äußerungen und rechtswidriger Aktivitäten. In anderen Städten, wie Frankfurt, waren Demonstrationen erlaubt.

Ebenfalls im Mai ordnete die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Untersuchung ihrer Finanzen die Beschlagnahmung von Vermögenswerten an, die mit der Organisation Letzte Generation in Verbindung stehen. Diese blockieren regelmäßig Straßen oder beschädigen Kunstwerke, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu fordern.

Wirtschaft und Menschenrechte

Im Januar ist das Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Dies ist zwar ein wichtiger Schritt, aber das Gesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern, zu bekämpfen und öffentlich darüber zu berichten, erlaubt es den Regulierungsbehörden nur in bestimmten, im Gesetz festgelegten Situationen, Verwaltungsmaßnahmen einzuleiten oder Strafen zu verhängen. Das Gesetz enthält keine Bestimmungen, um Unternehmen vor Gericht haftbar zu machen, und ist nur begrenzt auf die beteiligten Unternehmen in der Wertschöpfungskette anwendbar.

Rechte von Frauen und Mädchen

Nach den im Juli veröffentlichten Regierungsstatistiken registrierte die Polizei im Jahr 2022 240.547 Fälle von häuslicher Gewalt, was einem Anstieg von 8,5 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Über 70 Prozent der Opfer waren Frauen. Eine Studie zeigte, dass die Zahl der gemeldeten Fälle, die von einem Sexual- oder Beziehungspartner verübt wurden, im Vergleich zu 2021 um 9,4 Prozent anstieg, wobei 80 Prozent der Opfer Frauen waren. Die innerfamiliäre Gewalt, von der insbesondere Kinder betroffen sind, stieg um 7,7 Prozent. Expert*innen vermuten, dass dieser Anstieg auf die prekäre sozioökonomische Lage nach der Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist, ebenso wie auf den Umstand, dass mehr Betroffene entsprechend Anzeige erstatten.

Die Behörden sagten mehr Unterstützung für Betroffene zu, darunter Investitionen in Schutzräume für Opfer häuslicher Gewalt; nach einer Erklärung des Verbands der Frauenhäuser vom Juli werden 14.000 zusätzliche Plätze benötigt. In einer von Plan International Deutschland in Auftrag gegebenen Umfrage sagten 33 Prozent der Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren, dass Gewalt gegen Frauen unter gewissen Umständen „akzeptabel“ ist, 34 Prozent gaben an, dass sie schon einmal Gewalt gegen eine Partnerin ausgeübt hätten.

Im Juni ratifizierte Deutschland das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, das weltweite Standards für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz festlegt.

Schwangerschaftsabbrüche sind nach dem Strafgesetzbuch nach wie vor illegal, außer in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft, wenn eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter besteht, wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstanden ist oder wenn eine ärztliche Bescheinigung nach einer verpflichtenden Beratung vorliegt. Frauenrechtsgruppen forderten weiterhin die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Beseitigung von entsprechenden Hürden wie der Pflichtberatung. In einem von der Gruppe 40 Days for Life angestrengten Verfahren entschied ein Oberstes Gericht im Juni, dass das Verbot friedlicher Proteste, einschließlich Gebetswachen, vor Abtreibungskliniken verfassungswidrig ist. Die Anbieter entsprechender Dienste erklärten, dass solche Proteste Patient*innen einschüchtern und sie davon abhalten, sich behandeln zu lassen.

Armut und soziale Ungleichheit

Im Januar ersetzte das „Bürgergeld“ eine frühere Form der Sozialhilfe mit geringfügig höheren Zuwendungen. Gruppen zur Armutsbekämpfung erklärten, der Betrag sei nach wie vor nicht ausreichend. Sie kritisierten zudem die Sanktionen gegen Empfänger*innen, die sich nicht an die Vorgaben halten. Bei Redaktionsschluss diese Berichts waren die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der steigenden Kinderarmut und zur Begrenzung von Mieterhöhungen noch nicht verabschiedet.

Ein Anstieg der Lebenshaltungskosten, einschließlich der Lebensmittelpreise, führte dazu, dass viele Menschen sich keinen angemessenen Lebensstandard mehr leisten konnten. Haushalte mit Alleinerziehenden, die zu 88 Prozent von Frauen geführt werden, waren hiervon besonders betroffen.

Klimawandel und politische Auswirkungen

Als größter Verursacher von Treibhausgasemissionen in der EU trägt Deutschland maßgeblich zur Klimakrise und deren zunehmenden Auswirkungen auf die Menschenrechte weltweit bei.

Im Juli teilte das deutsche Umweltbundesamt mit, dass die gesamten Treibhausgasemissionen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent gesunken sind, äußerte jedoch Bedenken hinsichtlich einer zunehmenden Nutzung von Kohle. Deutschland gehört noch immer zu den zehn größten Kohleproduzenten der Welt und fördert neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe innerhalb und außerhalb Deutschlands. Laut dem Climate Action Tracker muss die Regierung mehr tun, um ihre Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens zu erfüllen und die Erwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen, was notwendig ist, um die verheerendsten Klimafolgen zu begrenzen. Die Regierung plant die Ausarbeitung eines neuen Hitzeaktionsplans, um Todesfälle durch Hitzewellen zu verhindern.

Außenpolitik

Im Koalitionsvertrag von 2021 der aktuellen Bundesregierung sind die Menschenrechte als Leitprinzip der Außenpolitik festgeschrieben. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warb für Menschenrechte und eine wertebasierte Außenpolitik als zentrale Säulen der deutschen Außenpolitik. Im März 2023 legte das Auswärtige Amt Leitlinien für eine feministische Außenpolitik vor.

In der Realität stehen die Menschenrechte jedoch nicht an erster Stelle und werden von anderen Interessen überlagert. Die deutsche Außenpolitik im Jahr 2023 zielte unter anderem darauf ab, von Russland ausgehende Sicherheitsbedrohungen gegen Europa einzudämmen, den Zugang zu Energieversorgung und Wirtschaftsmärkten zu diversifizieren, der Klimakrise zu begegnen und die Beziehungen zum sogenannten Globalen Süden neu zu gestalten.

Als Reaktion auf die Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas, die im Oktober begannen, verurteilte die deutsche Regierung öffentlich die tödlichen Angriffe der Hamas auf Zivilisten in Israel. Die israelischen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Gaza verurteilte die Bundesregierung nicht öffentlich. Die deutsche Regierung hat nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen, alle Verantwortlichen für internationale Verbrechen in dem Konflikt zur Rechenschaft zu ziehen, einschließlich vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Deutschland als einer der wichtigsten Verbündeten hat Israel militärisch unterstützt, was die Gefahr birgt, dass deutsche Behörden Mitverantwortung für Kriegsverbrechen tragen.

Deutschland spielte weiterhin eine zentrale Rolle bei der Koordinierung der internationalen Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine. Die deutsche Regierung leistete der Ukraine umfangreiche Hilfe und unterstützte auch die Untersuchung von Kriegsverbrechen durch den Internationalen Strafgerichtshof und die ukrainischen Justizbehörden.

Im Juli hat Deutschland seine erste China-Strategie veröffentlicht. Die Strategie beschreibt Chinas Menschenrechtsverletzungen und räumt den Menschenrechten konzeptionell Priorität ein, bezeichnet aber die Politik der chinesischen Regierung in der Uighuren-Region nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und bleibt vage, was die Umsetzung angeht. Bei ihrem China-Besuch im April sprach Außenministerin Baerbock öffentlich Menschenrechtsbedenken an. Als der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin zusammentraf, durften Journalist*innen auf der Pressekonferenz jedoch keine Fragen stellen.

Deutschland hat in seinen Beziehungen zu anderen Regierungen mit schlechter Menschenrechtsbilanz zu wenig getan, um Menschenrechtsprobleme anzusprechen. Die Bundesrepublik hat ihre Beziehungen zu Indien gestärkt, obwohl die Regierung Modi immer härter gegen die Zivilgesellschaft und die Medien vorgeht und religiöse Minderheiten zunehmend diskriminiert. Im Februar und zum G20-Gipfel im September reiste Scholz nach Indien, ohne Menschenrechtsverletzungen öffentlichkeitswirksam anzusprechen.

Deutschland intensivierte auch seine Beziehungen zu den arabischen Golfstaaten. Die Regierung lockerte die Vorgaben für Waffenexporte nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate, blockierte aber weiterhin die Lieferung von Kampfjets. Auf ihrer Reise nach Saudi-Arabien im Mai warb Außenministerin Baerbock für engere Wirtschaftsbeziehungen, sprach aber auch Menschenrechtsprobleme an. Das deutsche Innenministerium stellte sein Ausbildungsprogramm für saudische Grenztruppen ein, nachdem Berichte über die Ermordung hunderter äthiopischer Migrant*innen an der Grenze zum Jemen durch saudische Kräfte bekannt wurden.

Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat Deutschland weiterhin eine wichtige Führungsrolle in einer Reihe von Schlüsselfragen übernommen, unter anderem bei einer Resolution zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Prüfung der russischen Menschenrechtsbilanz und einer weiteren Resolution zur Einleitung einer Untersuchung der schweren Menschenrechtsverletzungen im Sudan-Konflikt. Deutschland hat es jedoch versäumt, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um die Wiederaufnahme einer entscheidenden Untersuchung zu Äthiopien zu gewährleisten, und es hat sich einer Minderheit von Ländern angeschlossen, die gegen eine Resolution zu Rassismus, rassistischer Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz gestimmt haben.

Deutschland äußerte menschenrechtliche Bedenken hinsichtlich des im Juli angekündigten Migrationsabkommens zwischen der EU und Tunesien, ergriff jedoch keine konkreten Maßnahmen, um die Umsetzung des Abkommens von Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte abhängig zu machen.

Im Februar brachten sieben UN-Sonderberichterstatter*innen ihre große Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Deutschland seinen Verpflichtungen gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen nicht nachkommt. Sie forderten einen menschenrechtsorientierten Wiedergutmachungsprozess, der eine sinnvolle Beteiligung und Vertretung der betroffenen Gemeinschaften einschließt, um die anhaltenden Auswirkungen der während der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia begangenen Verbrechen anzugehen.

Deutschland ist einer der Hauptaktionäre des Internationalen Währungsfonds (IWF). Aber es hat keine Schritte unternommen, um die IWF-Politik zu reformieren, die Menschenrechte bedroht, wie z.B. die Konditionierung seiner Unterstützung für Sparprogramme, die keine Vorabbewertung der menschenrechtlichen Auswirkungen beinhalten, die niedrige Sozialausgaben fördern oder die bedarfsorientierte statt universelle soziale Sicherheit fördern.