(Johannesburg, 26. Juni 2009) – Das Militär in Zimbabwe ist für Zwangsarbeit von Kindern und Erwachsenen verantwortlich und foltert und misshandelt Dorfbewohner auf den Diamatenfeldern im Marange-Distrikt im Osten des Landes, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Das Militär, das weiter unter der Kontrolle der Afrikanischen Nationalunion von Zimbabwe - Patriotische Front (ZANU-PF) steht, tötete bei der gewaltsamen Übernahme der Diamantenfelder Ende 2008 mehr als 200 Menschen.
Der 62-seitige Bericht „Diamonds in the Rough: Human Rights Abuses in the Marange Diamond Fields of Zimbabwe“ dokumentiert, wie Polizei und Armee – nach der Entdeckung von Diamanten in Marange im Juni 2006 – mit brutaler Gewalt vorgingen, um den Zugang zu den Diamantenfeldern sowie den Abbau und Handel von Diamanten unter ihre Kontrolle zu bringen, ohne dabei über Schürflizenzen zu verfügen. Ein Teil dieser Einnahmen floss in die Taschen hochrangiger Parteimitglieder der ZANU-PF, die sich jetzt die politische Macht mit der Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) teilt und dringend Gelder benötigt, da sich das Land in einer schlimmen Wirtschaftskrise befindet.
„Polizei und Armee haben aus dieser friedlichen Gegend einen Albtraum aus Gesetzlosigkeit und grausamer Gewalt gemacht“, so Georgette Gagnon, Direktorin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Die neue Regierung in Zimbabwe soll dafür sorgen, dass die Armee die Diamantenfelder verlässt, sie soll den Menschenrechtsverletzungen ein Ende setzen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“
Im Februar 2009 führten Mitarbeiter von Human Rights Watch mehr als 100 Einzelgespräche mit Zeugen, ortsansässigen Minenarbeitern, Polizisten, Soldaten, Kommunalpolitikern, Opfern, Angehörigen, Ärzten und Krankenpflegepersonal sowie Menschenrechtsanwälten und -aktivisten in Harare, Mutare und im Marange-Distrikt in Ost-Zimbabwe.
Alle Gesprächspartner berichteten, dass die Polizeikräfte, die von November 2006 bis Oktober 2008 den Schmuggel in den Diamantenfeldern beenden sollten, die eigentliche Verantwortung für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen – Morde, Folter, Schläge und andere Schikanen – trugen. Die Anweisungen wurden oft von sogenannte „Reaktionsteams“ zur Vertreibung illegaler Minenarbeiter ausgeführt.
„Drei Polizisten auf Pferden führten eine Razzia durch, als wir auf den Diamantenfeldern arbeiteten und schossen sofort mit Schrotflinten auf uns“, berichtete ein Minenarbeiter, als er Human Rights Watch eine Razzia der „Reaktionsteams“ beschrieb. „Ich wurde am linken Schenkel getroffen. Zwei Freunde wurden bei dieser Razzia erschossen.“
Der Bericht beleuchtet darüber hinaus die gewaltsame Übernahme der Diamantenfelder in Marange durch die Armee Ende Oktober 2008 in der sogenannten Operation Hakudzokwi (Ohne Wiederkehr), bei der das Militär Ordnung auf den Feldern schaffen wollte. Der Einsatz begann am 27. Oktober 2008, als Militärhubschrauber mit Maschinengewehren über Chiadzwa, einen Bezirk in Marange, flogen, um die lokalen Minenarbeiter zu vertreiben. Die Soldaten schossen wahllos Tränengas und scharfe Munition auf die Diamantenfelder und die Dörfer in der Umgebung ab. Am Boden feuerten Hunderte Soldaten mit Kalaschnikows willkürlich um sich. Bei ihrer panischen Flucht wurden einige Minenarbeiter in Stollen tödlich eingeschlossen. Bei dem drei Wochen dauernden Militärangriff kamen mehr als 200 Menschen auf grausame Weise zu Tode. Die Soldaten zwangen die Minenarbeiter, Massengräber für die Toten auszuheben.
Ein Minenarbeiter berichtete Folgendes über das Massaker: „Zuerst schossen Soldaten aus Hubschraubern mit Tränengas und scharfer Munition auf uns. Wir hörten alle mit dem Graben auf und liefen in die Berge, um uns zu verstecken. Ich sah, dass uns viele Soldaten in Uniform zu Fuß verfolgten. An diesem Morgen wurden 14 Minenarbeiter aus meiner Gruppe erschossen.“
Polizei und Militär erhielten zu genau dem Zeitpunkt Zugang zu den Bodenschätzen in Marange, als die Regierung ihre Löhne nicht mehr bezahlen konnte. Die Untersuchungen von Human Rights Watch weisen darauf hin, dass sich auch ranghohe ZANU-PF-Funktionäre an den Einnahmen aus dem Handel mit den Diamanten bereichert haben und diese Gelder eine wichtige Einnahmequelle für die Zentralbank von Zimbabwe darstellten, die Militäreinsätze finanziell unterstützte.
Die Armeebrigarden wechseln sich nach wie vor turnusmäßig in Marange ab. Hunderte Kinder und Erwachsene müssen unter ihrer Aufsicht Zwangsarbeit für Diamantenkartelle leisten. Die Dorfbewohner werden weiterhin von den Soldaten misshandelt, gefoltert und beschuldigt, illegal in den Minen zu schürfen oder illegale Schürfer, die nicht für die Armee arbeiten, zu unterstützen.
Ein 13-jähriges Mädchen berichtete Human Rights Watch: „Jeden Tag schleppte ich Erz und machte nur kurze Pausen ... Wir fingen immer sehr früh am Morgen, bereits vor acht Uhr, mit der Arbeit an und hörten auf, wenn es dunkel wurde, nach sechs Uhr. Alles was ich möchte, ist wieder zur Schule zu gehen.“
Die ZANU-PF, die bis Februar 2009 alleine an der Macht war, hat es entweder versäumt, den Abbau und Handel von Diamanten wirksam zu regeln, oder bewusst darauf verzichtet und die unklaren Besitzrechte ausgenutzt. Diese Misswirtschaft auf den Diamantenfeldern war Teil einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die in einer Hyperinflation endete und Zimbabwe an den Rand des Bankrotts gebracht hat.
Während die neue Koalitionsregierung, die im Februar 2009 gebildet wurde, sich jetzt weltweit um Entwicklungshilfe bemüht, fließen Millionen Dollar an potenziellen Staatseinnahmen in den illegalen Abbau von Diamanten, den Schmuggel in andere Länder und in Korruption. Die neue Regierung könnte beträchtliche Einnahmen aus den Diamantenvorkommen erwirtschaften und damit einen wesentlichen Teil ihres Konjunkturprogramms finanzieren, wenn die Diamantenindustrie gesetzlich geregelt und transparenter und verantwortungsbewusster gesteuert würde.
Human Rights Watch drängte die neue Regierung, das Militär aus Marange abzuziehen und die Polizei wieder mit Sicherheitsaufgaben zu betreuen. Gleichzeitig soll sie sicherstellen, dass die Polizei die international anerkannten Normen zur Strafverfolgung und zum Einsatz von tödlicher Gewalt befolgt. Die Regierung soll darüber hinaus ein Aufsichtsgremium der Polizei vor Ort einrichten, eine unparteiische und unabhängige Untersuchung zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit anstrengen und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Human Rights Watch forderte die Teilnehmer am Zertifikationssystem des Kimberley-Prozesses (KPCS), in dessen Rahmen die Diamantenindustrie weltweit reguliert wird, auf, das Mitgliedsland Zimbabwe zu drängen, dem Schmuggel von Diamanten ein Ende zu setzen. Außerdem soll sichergestellt werden, dass alle Marange-Diamanten rechtmäßig gefördert, dokumentiert und gemäß der KPCS-Normen exportiert werden. Die KPCS soll ihre Definition von „Konfliktdiamanten“ dringend überprüfen und erweitern und dabei Diamanten einbeziehen, die unter schwerwiegenden und systematischen Verletzungen der Menschenrechte geschürft werden.
Human Rights Watch forderte auch Südafrika auf, als Mitglied der KPCS und Vorsitzender der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC), schnelle Reformen und politische Änderungen einzufordern, die der Ausfuhr von geschmuggelten Diamanten aus Marange nach Südafrika und in andere Länder ein Ende setzen, da sie mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen verbunden sind.
„Eine klare, eindeutige Forderung Südafrikas nach einem Verbot von Marange-Diamanten würde nicht nur die Menschen in Zimbabwe vor Missbrauch auf den Diamantenfeldern schützen, sondern auch die südafrikanische Diamantenindustrie“, so Gagnon. „Südafrika muss Zimbabwe zu mehr Transparenz und Verantwortlichkeit im Diamantenhandel drängen.“