Schwere Anschläge bewaffneter Terroristen in Paris im Januar und November sowie eine Flüchtlingskrise, die sich zunehmend verschärfte, prägten das Jahr 2015. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten hatten große Schwierigkeiten dabei, effektiv und prinzipientreu darauf zu reagieren, dass Hundertausende Asylsuchende und Migranten nach Europa kamen. Dabei wurden ganzheitliche Maßnahmen oft kurzsichtigen Regierungsinteressen untergeordnet, so dass verletzliche Menschen lange ohne Schutz und Unterkunft blieben. Das warf Fragen auf über den Zweck der EU und die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit.
Einwanderungs- und Asylpolitik
Als sehr viele Migranten und Asylsuchende Europa überwiegend auf dem Seeweg erreichten, führten das problematische Vorgehen von und die Meinungsverschiedenheiten zwischen EU-Mitgliedstaaten zu einer eskalierenden Krise. Bis Redaktionsschluss hatten im Jahr 2015 mehr als 850.000 Menschen versucht, über das Meer Europa zu erreichen. Die überwältigende Mehrheit, schätzungsweise 82 Prozent der Menschen, kamen über das Ägäische Meer aus der Türkei nach Griechenland. Nur 17 Prozent kreuzten das Mittelmeer von Nordafrika nach Italien, die historisch wichtigste Seeroute.
Der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR zufolge kamen 84 Prozent der auf dem Seeweg einreisenden Personen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, dem Irak und Somalia, also aus Ländern, aus denen derzeit viele Menschen fliehen müssen. Aus Nigeria, Gambia, dem Sudan, Pakistan und Mali stammten insgesamt sieben Prozent der Neuankommenden.
Die EU verdreifachte das Budget und die Ressourcen für Patrouillen- und Rettungseinsätze im Mittelmeer, nachdem in einer einzigen Woche im April mehr als 1.000 Menschen ertrunken waren. Frontex, die Grenzschutzagentur der EU, begann, in internationalen Gewässern in der Nähe Libyens zu patrouillieren, und erhöhte ihre Präsenz in der Ägäis, wo sie Such- und Rettungseinsätze sowie Grenzschutzmaßnahmen durchführte. Während im Jahresverlauf Zehntausende Menschen auch von privaten, humanitären Initiativen gerettet wurden, starben oder verschwanden mehr als 3.500 Migranten auf See.
Viele, die Griechenland auf dem Seeweg erreichten, setzten ihre Reise über Land durch die westlichen Balkanstaaten fort. In den EU-Beitrittskandidaten Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und dem EU-Mitglied Ungarn erlebten sie Misshandlungen durch die Polizei, in Mazedonien und Ungarn zum Teil erschreckende Haftbedingungen.
Im September saßen Tausende Migranten und Asylsuchende ohne angemessene Unterkünfte an verschiedenen Grenzübergängen fest. Sie konnten ihre Reise nicht fortsetzen, hatten aber auch keine geeignete Alternative. Zum Teil setzten die Behörden Tränengas und Wasserwerfer gegen sie ein. Ungarn schloss im September seine Grenze zu Serbien, im Oktober die zu Kroatien. Slowenien und Kroatien verwehrten Asylsuchenden und Migranten im September und Oktober ebenfalls zeitweise die Einreise. Ende November führten Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien Einreisebeschränkungen ein und erlaubten nur noch Angehörigen aus bestimmten Staaten, darunter Syrien, die Grenze zu übertreten.
Über den Jahresverlauf arbeiteten die EU-Regierungen unterschiedlich engagiert daran, eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Einwanderungs- und Asylpolitik umzusetzen, die die Europäische Kommission im Mai vorgelegt hatte. Ein EU-weites Umverteilungssystem wurde eingerichtet und verschiedene Mitgliedstaaten sagten zu, innerhalb der nächsten zwei Jahre insgesamt 22.000 Asylsuchende aufzunehmen. Nach einer hitzigen Debatte und gegen die Widerstände von Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumänien stimmten die EU-Regierungen einem Plan zu, innerhalb der nächsten zwei Jahre insgesamt 160.000 Asylsuchende aus Italien, Griechenland und anderen Haupteinreiseländern aufzunehmen. Großbritannien nimmt an diesem Programm nicht teil. Bei Redaktionsschluss waren erst 159 Asylsuchende aus Italien und Griechenland auf andere Länder verteilt worden.
Die Vorschläge der Kommission zielten mehrheitlich darauf auf, die Zahl der neu ankommenden Menschen zu reduzieren, Grenzkontrollen zu verschärfen und Abschiebungen von Personen zu beschleunigen, die nicht in der EU bleiben dürfen. Die EU hat auch positive Maßnahmen ergriffen. Unter anderem sagte sie zu, humanitäre Organisationen und Länder stärker zu unterstützen, in denen sehr viele Flüchtlinge leben. Allerdings könnte es zu mehr Menschenrechtsverletzungen kommen und Menschen den Zugang zu wirksamem Schutz versperren, wenn die EU in Einwanderungsfragen besser mit den Herkunfts- und Durchgangsländern zusammenarbeitet. Darüber hinaus war der Kampf gegen Schleppernetzwerke auch im Jahr 2015 ein wesentlicher Punkt auf der Agenda der EU. Etwa begann im Oktober eine Marinemission mit dem Ziel, von Schmugglern genutzte Boote zu betreten, zu beschlagnahmen und abzudrängen.
Sämtliche neue Richtlinien, die zusammen das Gemeinsame Europäische Asylsystem ausmachen, traten im Juli in Kraft. Sie umfassen neue gemeinsame Standards und Regeln für die Asylverfahren und Aufnahmebedingungen. Allerdings erlebten Asylsuchende weiterhin eine „Schutzlotterie“, da die Anerkennungsraten, Unterkünfte und Aufnahmebedingungen in den EU-Mitgliedstaaten sich stark voneinader unterschieden. Die Europäische Kommission intensivierte ihre Durchsetzungsmaßnahmen und eröffnete 74 Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedstaaten wegen Verstöße gegen das EU-Asylrecht.
Diskriminierung und Intoleranz
Bei Anschlägen bewaffneter Terroristen im Januar in Paris kamen 20 Menschen ums Leben - 12 Mitarbeiter der Satirezeitung Charlie Hebdo, vier Personen, die in einem koscheren Supermarkt als Geiseln genommen wurden, eine Polizistin und die drei Attentäter. In Kopenhagen starben drei Personen bei Anschlägen auf eine Veranstaltung zum Thema Meinungsfreiheit und auf eine Synagoge, darunter auch der Attentäter. Diese Anschläge unterstrichen, dass Antisemitismus ein gravierendes Problem in Europa ist. Ein im Oktober veröffentlichter Bericht der EU-Grundrechteagentur zeigte, dass viele EU-Regierungen keine verwertbaren Daten über Verbrechen gegen jüdische Menschen sammeln. Dieses Ergebnis reflektiert umfangreichere Probleme in der Sammlung spezifischer Daten über Hassverbrechen.
Auch Hassverbrechen gegen muslimische Menschen nahmen besorgniserregende Ausmaße an, besonders viele Vorfälle wurden in Frankreich und Großbritannien dokumentiert. Außerdem legitimierten viele Regierungen Intoleranz gegen muslimische Menschen, als im September mehrere EU-Regierungsvertreter ankündigten, ausschließlich christliche, also keine muslimischen Asylsuchende aufzunehmen.
Im September kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, die anhaltenden Zwangsräumungen gegen Roma und andere als „Zigeuner“ stigmatisierten Menschen im mehreren europäischen Ländern. Er unterstrich, dass Frankreich eine systematische nationale Politik der Zwangsräumung von Rom verfolge, und forderte auch Bulgarien auf, von weiteren Zwangsräumungen abzusehen, da diese verheerende Folgen für die betroffenen Gemeinschaften hätten.
Im Juli wurde in Irland ein Gesetz erlassen, mit dem die Geschlechtsidentität von Trans-Personen rechtlich anerkannt wird. Damit ist Irland das fünfte Land weltweit, in dem Menschen ihr Geschlecht frei wählen können, sofern sie älter als 16 Jahre sind. Darüber hinaus trat im November das Gesetz zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen in Kraft, nachdem im Mai ein entsprechendes Verfassungsreferendum erfolgreich beendet worden war.
Nachdem der UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen die EU überprüft hatte, äußerte er sich besorgt über die Situation von Kindern mit Behinderungen, die in vielen EU-Ländern in speziellen Einrichtungen leben und keinen Zugang zum regulären Bildungssystem haben. Auch befürchtete der Ausschuss, dass sich Sparmaßnahmen negativ auf Familien mit Kindern mit Behinderung auswirken. Darüber hinaus kritisierte er, dass Flüchtlinge und Migranten mit Behinderungen inhaftiert und die Rechtsfähigkeit vieler Menschen mit Behinderungen eingeschränkt wird, was ihre Möglichkeiten beeinträchtigt, eigene Entscheidungen zu treffen.
Terrorismusbekämpfung
Im November wurden in Paris die schwersten Anschläge seit mehr als einem Jahrzehnt in Europa verübt. Die französische Regierung reagierte mit Notstandsmaßnahmen (siehe unten), die belgische ergriff umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen. Viele Länder, auch innerhalb der Schengen-Zone, intensivierten ihre Grenzkontrollen und es wurden erneut Forderungen laut, die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Geheimdienste in der EU zu verbessern. Angesichts der Reaktionen auf vergangene, schwere Anschläge in Europa ist allerdings zu befürchten, dass der Menschenrechtsschutz erneut im Namen der Sicherheit geschwächt werden könnte.
Die Veröffentlichung einer Kurzfassung des Berichts des US-Senats über Folter durch den US-Geheimdienst CIA im Dezember 2014 warf erneut ein Schlaglicht darauf, dass viele EU-Staaten das geheime Entführungs- und Folterprogramm der USA unterstützt und bislang kaum Fortschritte dabei gemacht haben, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des EU-Parlaments beschloss im Februar, erneut zu untersuchen, inwieweit EU-Mitgliedstaaten sich an Folter-Verbrechen beteiligt haben.
Die litauische Staatsanwaltschaft gab im April bekannt, dass sie ihre Untersuchungen des Vorwurfs, auf litauischem Boden hätte es ein Geheimgefängnis der CIA gegeben, wieder aufgenommen habe. Die rumänischen Behörden stritten weiter ab, dass es in ihrem Land ein solches Gefängnis gegeben hat, obwohl der ehemalige Präsident Ion Iliescu im April einräumte, dass er eine CIA-Einrichtung genehmigt habe. Untersuchungen in Polen und Großbritannien, die klären sollen, inwieweit Regierungsangehörige mitverantwortlich für Verschleppungen und Folter sind, förderten im Jahresverlauf kaum neue Ergebnisse zu Tage (siehe unten).
Im März kritisierte der Menschenrechtskommissar des Europarats die Pläne mehrerer europäischer Länder, die Überwachungskapazitäten ihrer Geheimdienste auszubauen, die noch dazu ohne vorherige richterliche Genehmigung aktiv werden sollen.
Im Juli ernannte der UN-Menschenrechtsrat Joseph Cannataci zum ersten Sonderberichterstatter über das Recht auf Privatsphäre. Eine seiner Aufgaben ist es, Regierungsmaßnahmen und Gesetze über das Abfangen digitaler Kommunikationsdaten zu überprüfen. Im August kritisierte Cannataci, dass die Überwachungsmaßnahmen in Großbritannien kaum unabhängig beaufsichtigt werden.
Deutschland
Die Behörden stockten das Budget und das Personal des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf, um dem deutlichen Anstieg der Asylerstanträge zu begegnen, und schufen neue Aufnahmeeinrichtungen im ganzen Land. Die Bundesregierung schätzt, dass in Deutschland bis zum Jahresende eine Million Asylerstanträge gestellt werden.
Im Oktober verabschiedete der Bundestag Gesetze, um Asylverfahren zu beschleunigen, Integrationsmaßnahmen zu verbessern, monetäre Unterstützung durch Sachleistungen zu ersetzen, und den Aufbau neuer Unterkünfte zu fördern. Da einheitliche, verpflichtende Standards fehlten, bestanden drastische Unterschiede zwischen den Unterkünften für Asylsuchende. Insbesondere fehlte es an Maßnahmen, die Frauen und Kinder vor Belästigung und Misshandlung schützen.
Darüber hinaus etablierte die Regierung eine neue Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer, zu denen neben Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien nun auch Albanien, der Kosovo und Montenegro zählen. Personen aus Syrien stellten die größte Gruppe unter den Asylsuchenden, gefolgt von Menschen aus Albanien und dem Kosovo. Angehörigen „sicherer“ Staaten wird grundsätzlich abgesprochen, dass sie internationalen Schutzes bedürfen. Sie durchlaufen beschleunigte Verfahren, bei denen zu befürchten ist, dass die individuelle Prüfung unzureichend ist. Das kann schwerwiegende Folgen insbesondere für viele Roma aus den westlichen Balkanstaaten haben, die in Deutschland Schutz suchen.
Die Bundespolizei registrierte in den ersten neun Monaten des Jahres 473 Anschläge auf Einrichtungen, in denen Asylsuchende untergebracht sind, mehr als doppelt so viele als insgesamt im Jahr 2014. Darüber hinaus äußerten sich die Behörde besorgt über den Aufstieg rechtsradikaler Gruppen. Im ganzen Jahr kam es immer wieder zu Demonstrationen gegen Migranten, ein Schwerpunkt lag in den ostdeutschen Bundesländern.
Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung kritisierte im Mai, dass die deutsche Polizei über breite Befugnisse dazu verfügt, Personen anzuhalten und zu durchsuchen. Dies führe zu diskriminierenden Personenkontrollen, dem sogenannten „Ethnic Profiling“. Darüber hinaus würden rassistisch motivierte Angriffe nicht angemessen untersucht. Im Juli trat ein Gesetz in Kraft, das die Staatsanwaltschaft mit größeren Befugnissen dazu ausstattet, in rassistisch motivierten Verbrechen zu ermitteln, die nun auch mit einem höheren Strafmaß geahndet werden können.
Das deutsche Verfassungsgericht entschied im März, dass ein im Jahr 2004 in Nordrhein-Westfalen erlassenes Verbot für Lehrerinnen, ein Kopftuch zu tragen, die Religionsfreiheit verletzt und diskriminierend ist. Durch das Urteil wurden auch vergleichbare Verbote in anderen Bundesländern verfassungswidrig.
Ein neues Gesetz über Vorratsdatenspeicherung könnte zu unrechtmäßigen Eingriffen in die Privatsphäre und zur Kriminalisierung von Whistleblowing führen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz bezeichnete das Gesetz als verfassungswidrig.
Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erklärte im Mai, dass das deutsche Betreuungsrecht verhindere, dass Menschen mit Behinderung vor dem Gesetz gleichberechtigt sind. Darüber hinaus kritisierte der Ausschuss, dass Menschen mit psychosozialen Behinderungen vielfach in psychiatrische Einrichtungen zwangseingewiesen werden.
Estland
Estland steht auf der Liste der Länder mit den größten Bevölkerungsteilen ohne Staatsangehörigkeit an zehnter Stelle. Dem Innenministerium zufolge waren im Juni 2015 6,3 Prozent der 1,3 Millionen Einwohner des Landes staatenlos.
Im Jahr 2015 beschloss die Regierung eine Reihe von Maßnahmen, um die Staatenlosigkeit unter Kindern zu reduzieren und den Einbürgerungsprozess für ältere Menschen zu vereinfachen. Im Januar änderte die Regierung das Staatsbürgerschaftsrecht, so dass Kinder staatenloser Eltern nun automatisch die estnische Staatsbürgerschaft erhalten. Zuvor mussten die Eltern das gesondert beantragen, nun können sie innerhalb eines Jahres Einspruch gegen die Staatsangehörigkeit ihres Kindes einlegen. Darüber hinaus sind Menschen ab dem Alter von 65 Jahren nun von dem verpflichtenden Test der estnischen Sprache befreit, wenn sie sich um die Staatsbürgerschaft bewerben.
Die Sprachtests blieben die größte Einbürgerungshürde für den russischsprachigen Teil der Bevölkerung. Die Kosten für die Einbürgerung, unter anderem für die Bewerbung und für die Vorbereitung des Sprachtests, sowie die Vorschriften über das nachzuweisende Einkommen nahmen weiterhin großen Teilen der ärmeren Langzeit-Einwohner ihre Bürgerrechte und trugen zur Staatenlosigkeit unter russischsprachigen Personen bei. Die im Voraus zu entrichtenden Gebühren für die Sprachkurse, die vor dem Test besucht werden müssen, sind eine bedeutende finanzielle Hürde für Nicht-Staatsbürger mit geringem oder ohne Einkommen. Der Staat erstattet die Kosten für die Sprachkurse erst, nachdem der Bewerber den Test bestanden hat.
Staatenlose Einwohner haben nicht alle Arbeitnehmerrechte und dürfen verschiedene Berufe nicht ausüben. Sie können weder als Beamte im Staatsdienst, bei der Polizei oder beim Zoll arbeiten, noch Staatsanwälte, Richter oder Notare werden.
Die Regierung bereitete die Umsetzung des Lebensgemeinschaftsgesetzes nicht ausreichend vor, das im Oktober 2014 verabschiedet wurde und im Jahr 2016 in Kraft tritt. Das Gesetz weitet die Rechte verheirateter Paare auf unverheiratete, auch gleichgeschlechtliche Paare aus.
Estland hielt an einer minimalistischen Asylpolitik fest. Die Regierung sagte zu, sich am Umverteilungsplan der EU zu beteiligen und über zwei Jahre hinweg 329 Asylsuchende aufzunehmen. Bei Redaktionsschluss war noch keine einzige Person nach Estland umverteilt worden. Während des Asylverfahrens erhielten Schutzsuchende nur mit großen Schwierigkeiten Übersetzungen und Unterstützung in ihrer Muttersprache.
Frankreich
Frankreich wurde im Januar und November von schweren Anschlägen erschüttert. Bei mehreren Anschlägen in Paris und dem Vorort Saint-Denis starben am 13. November 130 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Am 20. November verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das den Ausnahmezustand auf drei Monate verlängerte, den Präsident François Hollande unmittelbar nach den Angriffen verhängt hatte. Das Gesetz erweitert außerdem die Notstandsrechte der Regierung, etwa dazu, ohne richterliche Anordnung Durchsuchungen durchzuführen und Menschen unter Hausarrest zu stellen. Es ist zu befürchten, dass das Gesetz das Rechte auf Freiheit, wie die Bewegungsfreiheit, die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit einschränkt.
Bei Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo, eine Polizistin und einen koscheren Supermarkt an drei aufeinanderfolgenden Tagen Anfang Januar starben 20 Menschen, auch die drei Attentäter, die bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet wurden. Darauf folgte eine Welle islamophober Gewalt. Die Regierung verzeichnete zwischen dem 7. und dem 12. Januar mehr als 50 Angriffe auf und Drohungen gegen muslimische Menschen.
Am 12. Januar instruierte das Justizministerium die Staatsanwaltschaft, strafrechtlich gegen jede Rede vorzugehen, die „Terrorismus glorifiziert“, sowie gegen antisemitische und rassistische Hetze im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris. Bis zum 24. März eröffnete die französische Justiz 298 Verfahren im Zusammenhang mit „Glorifizierung des Terrorismus“. Dieser Terminus ist unangemessen vage und es fallen auch Äußerungen unter ihn, in denen nicht zu Gewalt aufgerufen wird. In 185 der Fälle war „Glorifizierung des Terrorismus“ der einzige Anklagepunkt.
Antisemitische Vorfälle, auch gewalttätige Übergriffe und Drohungen, nahmen im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 100 Prozent zu, wie der im April veröffentlichte Jahresbericht des Beratungsausschusses für Menschenrechte publik machte.
In seinem Bericht über Frankreich wies der Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung darauf hin, dass Migranten und „Menschen ausländischer Herkunft“ beim Zugang zu Arbeit, Wohnung, Kultur und Gesundheitsversorgung diskriminiert würden und im Bildungssystem mit großen Schwierigkeiten konfrontiert seien.
Im September kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Frankreichs „systematische, nationale Politik der Zwangsräumung“ gegen eingewanderte Roma. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden zwischen Januar und September 2015 8.714 Roma aus 79 Orten in Frankreich vertrieben. In den meisten Fällen wurden ihnen keine alternative Unterkünfte angeboten.
Offiziellen Schätzungen zufolge lebten etwa 4.500 Asylsuchende und Migranten unter unhygienischen Bedingungen in einem behelfsmäßigen Lager in Calais. Sie hatten nur tagsüber in einer Einrichtung, die darauf ausgelegt war, 1.500 Personen zu versorgen, stark eingeschränkten Zugang zu Duschen, Elektrizität und Lebensmitteln. Im November forderte der Staatsrat die Regierung dazu auf, das Lager mit Wasserhähnen, Toiletten und einer Müllabfuhr auszustatten, sowie zu gewährleisten, dass Rettungsdienste es bei Bedarf betreten können.
Im Juli verabschiedete das Parlament ein Gesetz, nach dem die Behörden Asylgesuche innerhalb einer Frist von drei Tagen nach der Antragstellung registrieren müssen, bei sehr hohem Antragsaufkommen innerhalb von zehn Werktagen. Auch schaffte das Gesetz die Inhaftierung unbegleiteter Kinder in Transitzonen ab, solange sie vorhaben, in Frankreich Asyl zu beantragen. Allerdings gibt es Ausnahmeregelungen, etwa dann, wenn das Kind aus einem Land stammt, das die Behörden als „sicher“ einstufen. Auch unbegleitete Kinder, die nicht zum Ausdruck bringen, dass sie Asyl beantragen wollen, können weiterhin bis zu 20 Tage lang an einem Hafen oder Flughafen festgehalten werden.
Ebenfalls im Juli wurde ein Gesetz erlassen, das die Regierung zu großangelegten, digitalen Überwachungsmaßnahmen mit vager Begründung und ohne vorherige richterliche Genehmigung befugt. Dies verletzt das Recht auf Privatsphäre. Nach einer Überprüfung im Juli forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Frankreich im August dazu auf, zu gewährleisten, dass alle Überwachungsmaßnahmen notwendig und angemessen sind sowie richterlich bestätigt und beaufsichtigt werden. Im November verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Überwachung digitaler Kommunikationsdaten erlaubt, die aus dem oder ins Ausland geschickt werden. In fünf wegweisenden Urteilen entschied das Pariser Berufungsgericht, dass der Staat Opfer diskriminierender Identitätskontrollen entschädigen muss. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das Recht der Betroffenen auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wurde, weil die Kontrollen nicht dokumentiert wurden. Die Regierung hat immer noch keine Kontrollformulare („Stop Forms“) eingeführt, ein wichtiges Mittel, um gegen widerrechtliche Identitätskontrollen vorzugehen. Das steht auch im Widerspruch zu Präsident Hollandes Wahlversprechen aus dem Jahr 2012, solche Verstöße der Polizei zu ahnden.
Im Februar veröffentlichte der Menschenrechtskommissar des Europarats einen Bericht über seinen Frankreichbesuch im September 2014, in dem er auf zahlreiche menschenrechtliche Probleme einging. Er kam unter anderem zu der Einschätzung, dass Frankreich deutliche Defizit aufweist, wenn es darum geht, öffentliche Orte und Verkehrsmittel für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Zudem stellte er fest, dass viele Menschen mit Behinderungen arbeitslos sind.
Griechenland
In Griechenland war das Jahr geprägt von politischer Unsicherheit, massenhafter Einwanderung und Instabilität. Im Juni und Juli forderte der unabhängige Experte der UN für Auslandsschulden und Menschenrechte die europäischen Institutionen, den Internationalen Währungsfond und die griechische Regierung dazu auf, zu gewährleisten, dass neue Sparmaßnahmen nicht die Menschenrechte unterminieren.
Tausende Migranten und Asylsuchende kamen auf den griechischen Inseln im Ägäischen Meer und in der Hauptstadt Athen an, wo sie erschreckende Aufnahme- und Haftbedingungen erwarteten. Wegen der mangelhaften Registrierungssysteme auf den Inseln konnten Personen mit besonderem Schutzbedarf nicht identifiziert werden, etwa Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen, Frauen und Kinder. Das verschärfte die gefährliche Situation zusätzlich, in der sich Angehörige dieser Gruppen befinden.
Bei Redaktionsschluss hatten seit Jahresbeginn knapp 726.000 Menschen Griechenland von der Türkei aus auf dem Seeweg erreicht. Die Mehrheit stammte aus Syrien und Afghanistan. Der Internationalen Organisation für Migration zufolge starben mindestens 588 Menschen bei der Überfahrt.
Immer wieder wurde dem griechischen Grenzschutz vorgeworfen, sich an Sammelabschiebungen und widerrechtlichen Rückführungen, so genannten „Pushbacks“, von Migranten und Asylsuchenden an den Landgrenzen zur Türkei zu beteiligen. Im Oktober deuteten die Behörden an, dass sie 20 dieser von Menschenrechtsgruppen vorgebrachten Vorwürfe untersuchten. Auf dem Ägäischen Meer machten unbekannte, maskierte Männer Boote mit Migranten und Asylsuchende fahrtuntüchtig und drängten sie in türkische Gewässer zurück.
Kinder, die die zuständigen Stellen als unbegleitete Minderjährige registrierten, wurden oft deutlich länger als Erwachsene oder als Kinder in Begleitung ihrer Familie inhaftiert, während die Behörden Unterbringungsmöglichkeiten für sie suchten. Es gibt keine zuverlässigen Zahlen darüber, wie viele unbegleitete Kinder in diesem Jahr nach Griechenland kamen.
Im Februar annullierte die Regierung eine ministerielle Entscheidung, die erlaubt hatte, Migranten länger als die unter EU-Recht zulässigen 18 Monate zu inhaftieren. Weiter kündigte sie an, verletzliche Asylsuchende unverzüglich aus der Einreisehaft zu entlassen, sowie Menschen, die seit mehr als sechs Monaten inhaftiert sind. Die Haftbedingungen blieben schlecht.
Seit Dezember 2014 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Griechenland in fünf voneinander unabhängigen Fällen wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in der Einreisehaft.
Trotz Verbesserungen im Asylsystem und einem deutlichen Anstieg der Schutzquote fanden Asylsuchende weiterhin nur mit großen Schwierigkeiten Zugang zum Asylverfahren. Der griechischen Asylstelle zufolge beantragten bis Ende Oktober nur 10.718 Menschen Asyl. Die Behörden müssen noch den großen Antragsrückstand aufarbeiten, der unter dem alten, von der Polizei betriebenen System entstanden ist.
Gewalt gegen Migranten, Asylsuchende und LGBT-Personen hielt an. Ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen verzeichnete mehr als 460 Vorfälle in den letzten vier Jahren. Im Oktober veröffentlichte ein Athener Gericht sein schriftliches Urteil in einem im Jahr 2014 verhandelten Fall, in dem es zwei Männer wegen des Mordes an einem pakistanischen Mann zu lebenslanger Haft verurteilte. Aus dem Urteil geht hervor, dass das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass der Mord rassistisch motiviert war. Damit wurde Rassismus erstmals in einem schweren Verbrechen als Motiv identifiziert.
Im Mai forderte der UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus Griechenland auf, wirksame Entschädigungsmechanismen für Überlebende rassistischer Gewalt einzurichten sowie ihren Zugang zum Recht und die angemessene Bestrafung der Täter zu gewährleisten. Ein im Juli verabschiedetes Gesetz gewährt Opfern und Zeugen von Hassverbrechen, die sich irregulär in Griechenland aufhalten, ein humanitäres Bleiberecht.
Im April rief die Regierung eine Gesundheitsrichtlinie zurück, die im Jahr 2012 genutzt wurde, um Dutzende mutmaßliche Sexarbeiterinnen zu HIV-Tests zu zwingen. Anfang Februar kündigte die neue Regierung unter Alexis Tsipras an, die Operation Xenios Zeus zu beenden, eine Polizeioperation gegen Migranten und Ausländer. Allerdings hielt die Polizei weiterhin obdachlose Menschen und Personen an, die Drogen nehmen und Sex verkaufen, inhaftierte sie willkürlich und belästigte sie. Damit beeinträchtigte sie die Möglichkeiten dieser Menschen, sich medizinisch versorgen und anderweitig unterstützen zu lassen.
In einem im Februar veröffentlichten Bericht dokumentierte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, dass LGBT-Personen, insbesondere Trans-Menschen, diskriminiert und von der Polizei schikaniert wurden.
Großbritannien
Im Mai kündigte die neue Regierung an, dass sie einen Vorschlag für eine britische „Bill of Rights“ einbringen werde. Diese soll den Human Rights Act ersetzen, der die Europäische Menschenrechtskonvention in nationales Recht umsetzt. Aussagen von Ministern deuten darauf hin, dass das neue Gesetz den Menschenrechtsschutz schwächen könnte.
Ein im Dezember 2013 von der Regierung eingesetztes Komitee, das untersuchen soll, inwieweit Großbritannien an Verschleppungen und Folter in Übersee beteiligt war, hat bei Redaktionsschluss noch keinen Bericht vorgelegt. Ebenfalls dauerten strafrechtliche Ermittlungen gegen britische Beamte an, denen vorgeworfen wird, sich an mehreren Verschleppungen im Zusammenhang mit Libyen beteiligt zu haben.
Im März verabschiedete das Parlament ein Gesetz über moderne Formen der Sklaverei, mit dem es gegen der Sklaverei ähnliche Arbeitsverhältnisse, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Leibeigenschaft vorgehen will. Allerdings greift das Gesetz nicht, wenn die Rechte von Migranten, die als Hausangestellte arbeiten, verletzt werden, deren Aufenthaltsstatus an den Arbeitgeber gekoppelt ist. Eine von der Regierung beauftragte, unabhängige Untersuchung dieser Hausarbeits-Visa war bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.
Im November brachte die Regierung einen Gesetzesentwurf ein, der ihre umfangreichen Überwachungsmaßnahmen gesetzlich festschreiben und noch ausdehnen soll, all dies mit stark eingeschränkter richterlicher Prüfung. In einem im Juni veröffentlichten Bericht forderte der britische unabhängige Gutachter der Antiterror-Gesetzgebung, dass alle Abhörmaßnahmen richterlich autorisiert werden sollen.
Die Londoner Polizei dokumentierte zwischen Januar und Juli 2015 einen Anstieg antisemitischer Straftaten um 22 Prozent und islamophober Übergriffe um 46,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Im August töteten britische Streitkräfte drei Angehörige der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (ISIS) bei einem Drohnenangriff in Syrien. Premierminister David Cameron sagte, der Angriff stünde im Einklang mit dem Völkerrecht, weigerte sich allerdings, die rechtliche Leitlinie zu veröffentlichen, mit der er autorisiert wurde.
Das im Februar verabschiedete Anti-Terror- und Sicherheitsgesetz 2015 ermächtigt die Behörden dazu, die Pässe von Personen einzuziehen, die in dem Verdacht stehen, ins Ausland zu reisen, um dort mit Terrorismus im Zusammenhang stehenden Aktivitäten nachzugehen. Außerdem soll es bis zu zwei Jahre lang verhindern, dass britische Staatsbürger, die sich mutmaßlich an terroristischen Aktivitäten beteiligt haben, nach Großbritannien zurückkehren, wodurch die Betroffenen de facto staatenlos werden.
Im August forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Großbritannien dazu auf, seine Antiterror-Gesetze mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Einklang zu bringen.
Im Juli setzte die Regierung das „Detained Fast Track“-System aus, ein Schnellverfahren, unter dem die Asylgesuche von Personen beschleunigt bearbeitet werden, über die nach Ansicht der Behörden „schnell“ entschieden werden kann. Im Juni hatte der Court of Appeal, das oberste Berufungsgericht, die Aussetzung angeordnet, nachdem das oberste Zivilgericht das Verfahren für rechtswidrig und unfair erklärt hatte. Im November wies der Supreme Court, Großbritanniens höchstes Gericht, die Berufung der britischen Regierung zurück.
Italien
Bis Ende November erreichten mehr als 143.000 Migranten und Asylsuchende Italien auf dem Seeweg. Die Hauptherkunftsländer waren Eritrea, Nigeria, Somalia, der Sudan, Syrien und Gambia. Die Zahl der Asylerstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr zurück, weil die meisten Personen in andere EU-Länder weiterreisten.
Eine kontinuierliche Herausforderung war, Unterkünfte für die Asylsuchenden zur Verfügung zu stellen. Bis August lebten 86.000 Personen in offiziellen Zentren und Hunderte in Übergangseinrichtungen. Die Regierung versprach, 10.000 zusätzliche Plätze in gesonderten Heimen für Asylsuchende und Flüchtlinge zu schaffen. Anwohner, die im Umfeld von Notunterkünften leben, protestierten immer wieder gegen sie, zum Teil gewaltsam.
Ein von der EU gefördertes Registrierungszentrum, ein so genannter „Hotspot“, nahm im September auf Lampedusa seinen Betrieb auf, vier weitere sollen bis zum Jahresende eingerichtet werden. Menschenrechtsgruppen befürchteten, dass die aktuelle Situation und die knappen Ressourcen dort zu Auswahlverfahren führen, durch die Angehörige bestimmter Staaten de facto nicht Asyl beantragen können und gezwungen werden, das Land zu verlassen.
Im Mai äußerte sich der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Migranten besorgt über den Zugang zu und die Bedingungen in Unterkünften für Asylsuchende sowie über den unzureichenden Schutz unbegleiteter Kinder. Save the Children geht davon aus, dass in den ersten acht Monaten des Jahres mindestens 7.600 unbegleitete Kinder angekommen sind. Der UN-Unterausschuss zur Folter-Prävention besuchte Italien im September eine Woche lang, um zu überprüfen, wie die Migranten in Haft behandelt werden und unter welchen Bedingungen sie dort leben.
Der EGMR entschied im Juli, dass es das Recht auf Privatsphäre und ein Familienleben verletzt, dass gleichgeschlechtliche Paare in Italien keinen rechtlichen Status haben. Bei Redaktionsschluss hatte das Parlament ein seit längerer Zeit diskutiertes Gesetz noch nicht verabschiedet, mit dem gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften anerkannt werden sollen.
Im September kam der EGMR zu dem Ergebnis, dass die Inhaftierung einer Gruppe Tunesier im Jahr 2011 zunächst auf Lampedusa, dann auf Schiffen und ihre anschließende Abschiebung nach Tunesien ihre Rechte auf Freiheit und Sicherheit, auf einen wirksamen Rechtsbehelf, auf Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung in Haft und darauf, keiner Sammelabschiebung unterworfen zu werden, verletzt haben.
Kroatien
Mehr als 441.931 Asylsuchende und Migranten erreichten bis Ende November Kroatien. Die meisten blieben nur für kurze Zeit, bevor sie nach Slowenien oder - bis das Land seine Grenze schloss - nach Ungarn weiterreisten. Den kroatischen Behörden gelang es kaum, eine Grundversorgung für die Asylsuchenden und Migranten aufzubauen. Zeitweise schlossen sie die Grenze nach Serbien und erließen im November Einreiseeinschränkungen für Angehörige bestimmter Staaten.
Weniger als 5.000 Menschen beantragten seit dem Jahr 2006 in Kroatien Asyl und bis Juli 2015 erhielten nur 165 von ihnen einen Schutzstatus, 32 im Jahr 2015. Asylsuchende und Flüchtlinge, die schon seit längerer Zeit im Land waren, fanden nur schwer eine Wohnung und hatten kaum Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem. Unbegleitete Kinder wurden weiterhin in Heimen für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten oder in Aufnahmeeinrichtungen für Erwachsene untergebracht, ohne unter eine angemessene Vormundschaft gestellt oder auf andere Art besonders geschützt zu werden.
Während die kroatische Regierung ein paar Fortschritte darin erzielte, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schützen, verwehrte das Vormundschaftssystem weiterhin rund 18.000 Personen mit Behinderungen das Recht, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Der Plan aus dem Jahr 2011, nach dem Menschen mit Behinderungen aus Institutionen entlassen werden sollen, wurde schleppend umgesetzt und schloss Menschen in psychiatrischen Krankenhäusern und Pflegeheimen für Erwachsene aus. Im September lebten noch mehr als 7.500 Personen in solchen und ähnlichen Einrichtungen. Im April forderte der UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen die kroatische Regierung dazu auf, dass die nationale Gesetzgebung die Rechte von Menschen mit Behinderungen besser schützen muss.
Mehr als 220 Kriegsverbrechen müssen noch vor kroatischen Gerichten verhandelt werden. Im Februar entschied der EGMR, dass Kroatien das Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat, als ein Gericht eine Person mit kroatischer und serbischer Staatsbürgerschaft in Abwesenheit für Kriegsverbrechen verurteilte und es ablehnte, den Fall erneut zu verhandeln.
Im April nahm der UN-Menschenrechtsausschuss die abschließende Beobachtungen zu Kroatien an, in denen auch die Diskriminierung von und Gewalt gegen Angehörige ethnischer Minderheiten, insbesondere Roma und Serben, kritisiert wird.
Serben, denen während des Krieges ihre Eigentumsrechte entzogen wurden, hatten weiterhin kaum Zugang zu einem Regierungsprogramm aus dem Jahr 2010, das ermöglicht, Immobilien und Grundstücke unter dem Marktpreis zu erwerben.
Staatenlose Roma blieben fast vollständig von grundlegenden, staatlichen Diensten ausgeschlossen, darunter Gesundheitsversorgung, soziale Unterstützung und angemessenen Wohnraum. Roma-Kinder werden im Bildungssystem de facto ausgegrenzt.
Lettland
Sehr viele in Lettland lebende Menschen haben keine Staatsangehörigkeit. Angaben des UNHCR zufolge waren Ende 2014 mehr als 12 Prozent der Bevölkerung faktisch staatenlos, von den Behörden werden sie als „Nichtbürger“ bezeichnet. Im Jahr 2013 wurde eine Reform verabschiedet, um den Status von Kindern zu klären, die in Lettland geboren wurden und dort ohne Staatsbürgerschaft leben. Trotzdem waren Anfang 2015 etwa 7.800 Minderjährige staatenlos, so das Europäische Netzwerk zu Staatenlosigkeit und das lettische Zentrum für Menschenrechte.
Russischsprachige Menschen wurden anhaltend diskriminiert, vor allem auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem. Lettische „Nichtbürger“ dürfen unterschiedliche Positionen im Staatsdienst und in anderen Bereichen nicht bekleiden. Auch sind ihre Möglichkeiten, Land zu besitzen, eingeschränkt.
Russisch darf nur eingeschränkt als Unterrichtssprache an Schule genutzt werden, was die Unterrichtsqualität in Regionen, in denen viele russischsprachige Kinder leben, beeinträchtigt. In staatlichen Schulen muss mindestens 60 Prozent des Lehrplans auf Lettisch unterrichtet werden.
Auch im Jahr 2015 sanktionierten die Behörden Einzelpersonen und Organisationen, darunter ein Museum und ein Mitglied eines Gemeindesrates, weil sie in ihrer beruflichen Kommunikation angeblich kein Lettisch genutzt hatten.
Im Juni fand in der Hauptstadt Riga die EuroPride 2015 statt, eine europaweite Demonstration für die Sichtbarkeit von LGBT-Menschen, die jährlich in einer anderen europäischen Stadt organisiert wird. Damit kam die EuroPride erstmals in einen ehemals sowjetischen Staat. Ebenfalls im Juni verpflichtete das Parlament allerdings alle Schulen zu „verfassungsgemäßer Moralerziehung“, die im Einklang stehen muss mit der in der Verfassung verbrieften Definition von Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau.
Niederlande
Mit einer im April verabschiedeten Resolution bestätigte das Ministerkomitee des Europarats eine Entscheidung des Europäischen Komitees für soziale Rechte aus dem Jahr 2014, nach der die Niederlande angemessene humanitäre Bedingungen für abgelehnte Asylsuchende schaffen müssen, bevor diese das Land verlassen. Im gleichen Monat kündigte die Regierung ein „Bett, Bad, Brot-Übereinkommen“ an, nach dem den Betroffenen für einen begrenzten Zeitraum in den Abendstunden ein Schlafplatz, eine Dusche und täglich zwei Malzeiten zur Verfügung gestellt werden sollen. Allerdings bezieht sich dieses Übereinkommen nur auf die fünf größten Provinzen und kann außer Kraft gesetzt werden, wenn die betroffene Person sich weigert, bei ihrer Abschiebung zu kooperieren.
Im August kritisierte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung diesen Ansatz und betonte, dass die Grundbedürfnisse von Migranten ohne Bedingungen gedeckt werden müssen. Im November entschied der niederländische Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht, dass die Regierung grundsätzlich dazu berechtigt ist, eine Unterkunft für abgelehnte Asylsuchende an Bedingungen zu knüpfen, etwa an die, dass sie bei ihrer Abschiebung kooperieren. Ausnahmen seien unter außergewöhnlichen Umständen möglich, etwa dann, wenn eine Person sich in einer sehr schlechten psychischen Verfassung befände.
Im Juni brachte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes seine Bedenken über die Abschiebung von Kindern in „verletzlichen Situationen“ in ihre Herkunftsländer zum Ausdruck, wo sie möglicherweise in Waisenhäusern untergebracht werden. Er forderte die Behörden auf, Maßnahmen zu ergreifen, um solche Abschiebungen zu verhindern.
Im August äußerte sich der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung besorgt über rassistische Personenkontrollen der Polizei und forderte die Niederlande auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit Polizisten ihre Befugnisse nicht in diskriminierender Weise ausüben. Der Ausschuss erachtete es außerdem als problematisch, dass Bürgern verboten wurde, friedlich gegen die Darstellung das traditionellen „Schwarzen Peters“ („Zwarte Piet“) beim Sinterklass-Weihnachtsfestival zu demonstrieren. Sie erhielten keine Genehmigung dafür, ihren Protest zu einem passenden Zeitpunkt und an einem passenden Ort zum Ausdruck zu bringen. Auch wurden sie gewaltsam angegriffen und anderweitig eingeschüchtert, was nicht angemessen untersucht wurde.
Im Juni zahlten die Niederlande Entschädigungen an Angehörige von Opfern des Genozids in Srebrenica im Jahr 1995, die von niederländischen Blauhelmsoldaten dazu gezwungen worden waren, ein UN-Gelände zu verlassen. Ein Gericht in Arnheim entschied im April, einen ehemaligen niederländischen Kommandanten und seine zwei Adjutanten nicht wegen der Beteiligung an Kriegsverbrechen und dem Genozid in Srebrenica zu verfolgen.
Im November ratifizierten die Niederlande das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das auch als Istanbul-Konvention bezeichnet wird.
Polen
Die Ermittlungen der Krakauer Staatsanwaltschaft hinsichtlich des geheimen Inhaftierungs- und Verhörprogramms der CIA verzeichneten kaum Fortschritte. Nach der Veröffentlichung des Folter-Berichts des US-Senats räumte der ehemalige Präsident Aleksander Kwaśniewski ein, ein Geheimgefängnis der CIA genehmigt zu haben. Im Februar bestätigte der EGMR seine Entscheidung vom Juli 2014 über Polens Verwicklung in das Haftprogramm sowie seine Anordnung, dass Polen zwei ehemalige Häftlinge entschädigen soll. Im September wies ein polnisches Gericht das Ersuchen eines ehemaligen Guantanamo-Häftlings aus Saudi-Arabien zurück, der sich als Opfer anerkennen lassen wollte.
Einen Gesetzesentwurf zur Einführung von Lebenspartnerschaften wies das Parlament im August erneut zurück.
Der Zugang zu reproduktiven und sexuellen Gesundheitsrechten blieb eingeschränkt, insbesondere zu legaler Abtreibung und zu differenzierter Sexualkunde. Im Oktober untersuchte das Verfassungsgericht, inwieweit bestimmte Passagen der „Gewissensklausel“ rechtsgültig sind. Diese Richtlinie ermöglicht es im Gesundheitswesen arbeitenden Personen, Maßnahmen im Bereich der reproduktiven Gesundheit zu verweigern, wenn diese ihren persönlichen Werten oder ihrem Glauben widersprechen. Das Verfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Pflicht, den Patienten in einem solchen Konfliktfall an eine andere medizinische Fachkraft zu verweisen, verfassungswidrig ist.
Im Oktober scheiterte im Parlament der Versuch, das Veto des Präsidenten gegen ein Gesetz aufzuheben, das die rechtliche Anerkennung von Trans-Personen erheblich verbessert hätte.
Im Februar verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Istanbul-Konvention ratifiziert. Währenddessen blieb Gewalt gegen Frauen ein erhebliches Problem. Die Dunkelziffer ist groß, und Überlebende finden nur schwer Zugang zu Unterstützung und Recht.
Spanien
Im April traten Änderungen des Einwanderungsrechts in Kraft, unter denen nun Sammelabschiebungen aus den spanischen Enklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, möglich sind. Die Asylstellen an den Grenzen blieben nur schwer zugänglich, auch für Menschen aus Syrien. Marokko schloss zeitweise seine Grenze. Vor dem EGMR läuft derzeit ein Verfahren, in dem geklärt werden soll, ob Sammelabschiebungen von Migranten aus Melilla im Jahr 2014 menschenrechtswidrig waren.
In Melilla stellte ein Richter ein Verfahren gegen acht Grenzschützer ein, denen erniedrigende Behandlung zur Last gelegt wurde, sowie gegen den Leiter der örtlichen Guardia Civil, dem Strafvereitelung im Zusammenhang mit Gewaltanwendung bei der Abschiebung einer Gruppe von Migranten nach Marokko im Oktober 2014 vorgeworfen wurde.
Im April äußerte sich das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter erneut besorgt über die gefängnisähnlichen Bedingungen in der Einreisehaft und kritisierte die massive Überbelegung der Einrichtungen in Melilla.
Im Juli traten das umgestaltete Strafgesetzbuch und ein neues Gesetz über die öffentliche Sicherheit in Kraft, die beide übermäßig vage Definitionen von „Terrorismus“ enthalten. Darüber hinaus greifen sie in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein, unter anderem mit hohen Bußgeldern für spontane Demonstrationen und „mangelnden Respekt“ für Polizeibeamte, und mit höheren Strafen für Widerstand gegen die Staatsgewalt im Zusammenhang mit Demonstrationen. UN-Experten hatten zuvor davor gewarnt, diese Änderungen unverhältnismäßig und willkürlich durchzusetzen. Außerdem definiert das neue Strafgesetzbuch Stalking und Zwangsheirat als Verbrechen.
Trotz Protesten und Kritik von Seiten der UN verabschiedete das Parlament im September ein Gesetz, nach dem ein Elternteil oder der gesetzliche Vormund zustimmen muss, wenn 16 oder 17 Jahre alte Mädchen abtreiben wollen. Kritiker wiesen darauf hin, dass das Gesetz das Recht auf Privatsphäre und persönliche Autonomie verletze. Das UN-Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen zeigte sich im Juli alarmiert über die massive Gewalt gegen Frauen und forderte eine Reihe von Gesetzes- und Praxisreformen.
Im Juli wies der UN-Menschenrechtsausschuss darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden trotz begrüßenswerter Reformen weiterhin „Ethnic Profiling“ betreiben, Polizisten also zum Beispiel Personen kontrollieren, weil diese nicht weiß sind. Darüber hinaus kritisierte das Gremium, dass Beamte übermäßig Gewalt anwenden und Migranten und Angehörige von Minderheiten, insbesondere Roma, diskriminieren. Auch bestätigte der Ausschuss seine frühere Empfehlung, die Isolationshaft abzuschaffen, genau wie das Amnestie-Gesetz aus dem Jahr 1977. Letzteres macht es unmöglich, die Verantwortlichen für Folter, Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen unter dem Franco-Regime zur Rechenschaft zu ziehen.
Im September stellte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte fest, dass Spanien das Recht auf angemessenen Wohnraum verletzt hat. Beschwerdeführerin war eine Frau, die keinen Widerspruch gegen die Zwangsversteigerung ihres Hauses einlegen konnte.
Ungarn
Ungarn erlebte im Jahr 2015 einen enormen Anstieg der Asylanträge, der das mangelhafte und ineffiziente Asylsystem stark unter Druck setzte. Von Jahresbeginn bis Ende August registrierten die Behörden mehr als 150.000 Asylerstanträge, zehnmal so viele wie im Vorjahr.
Die Regierung reagierte darauf, indem sie an der Grenze zu Serbien einen Zaun bauen ließ, der im September fertig gestellt wurde, und im Oktober einen weiteren an der Grenze zu Kroatien. Durch Gesetzesänderungen im Juli und August führte sie ein neues Grenzregime ein. Unter ihm ist irreguläre Einreise eine Straftat und Serbien gilt als „sicherer Drittstaat“, wodurch Asylsuchende, die dieses Land durchquert haben, rasch abgeschoben werden können. Bis Ende Oktober wurden mehr als 500 Menschen wegen irregulären Grenzübertritts verurteilt und in Abschiebehaft genommen. Die meisten von ihnen sollen nach Serbien abgeschoben werden.
Weitere Änderungen umfassen beschleunigte Asylverfahren, die das Recht auf ein faires Verfahren unterminieren, und eine dreitägige Frist für richterliche Überprüfungen, die das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf einschränken. Ein im September erlassenes Gesetz ermöglicht den Einsatz der Armee an den Grenzen und ermächtigt Soldaten dazu, nicht-tödliche Gewalt gegen Migranten und Asylsuchende einzusetzen, darunter Tränengas und Gummigeschosse.
Im September setzte die Grenz- und Antiterrorpolizei Tränengas und Wasserwerfer gegen Asylsuchende ein, die zum Teil gewaltsam gegen die Schließung eines Grenzübergangs mit Serbien protestierten. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte kritisierte die polizeiliche Gewaltanwendung als unverhältnismäßig.
Außerdem verprügelten Polizisten drei internationale Journalisten mit Schlagstöcken, schleppten sie von serbischem auf ungarisches Territorium, inhaftierten sie für 24 Stunden und klagten sie wegen irregulären Grenzübertritts an. Die Anschuldigungen wurden später fallengelassen.
In der ersten Jahreshälfte initiierte die Regierung eine einwanderungsfeindliche Kampagne. In deren Zuge wurde im April ein vorurteilsbehafteter Fragebogen an die Bevölkerung ausgegeben, der Einwanderung in einen Zusammenhang mit Terrorismus brachte, und im Mai eine einwanderungsfeindliche Plakat-Kampagne durchgeführt.
arüber hinaus schränkte die Regierung weiterhin die Medienfreiheit ein. Im Januar brachte der Vorstandsvorsitzende des RTL Clubs, ein unabhängiger Sender, seine Familie ins Ausland und stellte Bodyguards ein, weil ihm Gewalt angedroht worden war. Im Juli verwehrte das Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft ungarischen Medienvertretern den Zutritt zu Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Anwesenheit von Journalisten die Persönlichkeitsrechte der Asylsuchenden gefährden würde.
Die Venedig-Kommission des Europarats gab im Juni eine Stellungnahme zur Lage der Medien in Ungarn ab, in der sie anhaltende Bedenken über die vagen Richtlinien für Sendungsinhalte äußerte, insbesondere über das Verbot, religiöse oder politische Ansichten zu kritisieren und Inhalte zu veröffentlichen, die die Privatsphäre verletzen.
Bis zum 31. Oktober 2015 wurden 71 obdachlosen Personen Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen, da ihnen Gemeindedekrete verbieten, sich an öffentlichen Orten aufzuhalten. Das stellt einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr dar, in dem bis Ende November 234 Verfahren eröffnet wurden. Ende Januar annullierte das Höchste Gericht einzelne Paragraphen eines städtischen Dekrets, das obdachlosen Menschen verbietet, in bestimmten Bezirken von Budapest auf der Straße zu leben. Die Änderungen traten am 31. Mai in Kraft.
Roma wurden weiterhin diskriminiert und schikaniert. Im Mai entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Zwangsräumung von Roma im Jahr 2014 eine unrechtmäßige Diskriminierung darstellte. Das Europäische Zentrum für die Rechte der Roma dokumentierte, dass die Polizei systematisch Bußgelder gegen Roma für Bagatelldelikte verhängte, etwa für fehlendes Fahrradzubehör, und Personen, die nicht zahlen konnten, zum Teil inhaftierte. Im September stellte die ungarische Gleichstellungsbehörde fest, dass diese Praktiken diskriminierend seien.