Wir blicken zurück auf ein Jahr der Wahlen, des Widerstands und der Konflikte. Ein Jahr, in dem die Integrität der demokratischen Institutionen und die Grundsätze der internationalen Menschenrechte und des Völkerrechts auf eine harte Probe gestellt wurden. Ob als Reaktion auf die zunehmende Unterdrückung in Russland, Indien und Venezuela oder auf die verheerenden bewaffneten Konflikte im Gazastreifen, Sudan und der Ukraine - überall auf der Welt sind die Regierungen aufgefordert, ihr Engagement für die Menschenrechte, die Demokratie und für humanitäre Maßnahmen unter Beweis zu stellen. Viele sind dieser Aufforderung bislang nicht nachgekommen. Selbst handlungsorientierte Regierungen, die sich sonst freimütig äußern, haben sich nur schwach oder widersprüchlich auf Menschenrechtsstandards berufen und damit den weltweiten Eindruck verstärkt, dass es den Menschenrechten an Legitimität fehle.
Das ist unverantwortlich und gefährlich, denn es entbindet die Regierungen bequemerweise von ihren rechtlichen Verpflichtungen, die internationalen Menschenrechtsnormen sowohl im eigenen Land als auch bei ihrem Handeln im Ausland einzuhalten. Nach den Ereignissen des Jahres 2024 ist dies nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von dem Schutzgebot zurückzuziehen, auf das alle Menschen überall angewiesen sind. Stattdessen sollten die Regierungen dringend die universellen Menschenrechte entschlossener als je zuvor respektieren und verteidigen. Zudem müssen die Zivilgesellschaft und die Menschen Regierungen unbeirrt zur Rechenschaft ziehen.
Die Macht des zivilen Widerstands
Bei Wahlen müssen die Menschenrechtsstandards eingehalten werden. Das allein reicht jedoch nicht aus. Zwar folgen auf manipulierte und anderweitig unfaire Wahlen weitere Menschenrechtsverletzungen, doch selbst freie und faire Wahlen bedeuten nicht unbedingt, dass die Menschenrechte in Zukunft geachtet werden. Obwohl im Jahr 2024 in über 70 Ländern nationale Wahlen stattfanden, werden sich die Auswirkungen auf die Menschenrechte erst in der kommenden Zeit vollständig zeigen.
Rassismus, Hass und Diskriminierung prägten viele Wahlen im vergangenen Jahr. In den Vereinigten Staaten gewann Donald Trump zum zweiten Mal die Präsidentschaftswahl, was die Befürchtung aufkommen lässt, dass seine neue Regierung die schweren Menschenrechtsverletzungen seiner ersten Amtszeit wiederholen und sogar noch ausweiten könnte. Auch bei den Wahlen des Europäischen Parlaments 2024 konnten rechtsextreme Parteien beträchtliche Zugewinne verzeichnen. Sie nutzten migrationsfeindliche Stimmungsmache und eine nationalistische Rhetorik, um eine Politik voranzutreiben, die Minderheiten bedroht und demokratische Normen untergräbt.
In anderen Ländern regte sich jedoch massiver demokratischer Widerstand, da Wähler*innen nicht bereit waren, populistische Agenden zu akzeptieren und die Politiker*innen und ihre Parteien öffentlich in die Pflicht nahmen. In Indien konnte Premierminister Narendra Modi mit seinen Hassreden im Wahlkampf nicht die ersehnte Wahlmehrheit erringen, was zeigt, dass die Demokratie selbst angesichts systemischer Herausforderungen wehrhaft bleiben kann.
In Ländern wie Russland, El Salvador und den Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und Niger haben autoritäre Herrscher ihre Machtansprüche gefestigt und setzen Angst und Fehlinformationen als Waffen ein, um abweichende Meinungen zu unterdrücken.