Egal wo ich bin oder welchen Pass ich besitze: [Die chinesischen Behörden] terrorisieren mich überall und ich kann mich nicht dagegen wehren.
— Uigurischer Moslem mit europäischer Staatsbürgerschaft, Washington, DC, September 2019
Die chinesische Regierung betrachtet die Menschenrechte als existenzielle Bedrohung. Ihre Reaktion auf diese vermeintliche Bedrohung könnte zu einer existentiellen Gefahr für die Rechte von Menschen in der ganzen Welt werden.
Offenbar aus Sorge, die Gewährung politischer Freiheiten könne ihren Machterhalt gefährden, hat die Kommunistische Partei in China einen hochtechnisierten orwellschen Überwachungsstaat errichtet und ein ausgeklügeltes System zur Zensur im Internet geschaffen, das öffentliche Kritik aufspürt und unterdrückt. Außenpolitisch setzt sie ihren wirtschaftlichen Einfluss ein, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und den intensivsten Angriff auf das globale System der Menschenrechte voranzutreiben, den die Welt seit dessen Entstehung Mitte des 20. Jahrhunderts erlebt hat.
Peking hatte sich lange darauf konzentriert, eine „Große Firewall“ zu errichten, damit das chinesische Volk nicht mit Kritik aus dem Ausland in Berührung kommt. Heute sind es zunehmend die Kritiker selbst, die ins Visier der Regierung geraten, seien es Vertreter anderer Regierungen, Mitarbeiter ausländischer Unternehmen und Universitäten oder Personen, die reale oder virtuelle Wege des öffentlichen Protests beschreiten.
Keine Regierung lässt Millionen Angehörige einer ethnischen Minderheit zur Zwangsindoktrinierung inhaftieren und greift gleichzeitig jeden an, der es wagt, ihre Repression zu kritisieren. Sicherlich verüben auch andere Regierungen schwere Menschenrechtsverletzungen. Doch keine lässt ihre politischen Muskeln mit solchem Nachdruck und solcher Entschlossenheit spielen wie die chinesische Führung, wenn es darum geht, internationale Menschenrechtsnormen und -institutionen zu schwächen, die sie zur Rechenschaft ziehen könnten.
Sollte Pekings Kurs nicht auf Gegenwehr treffen, weist er in eine dystopische Zukunft, in der niemand der chinesischen Zensur entgehen kann und die internationalen Menschenrechte derart ausgehöhlt sind, dass sie nicht mehr als Schutz vor staatlicher Repression taugen.
Wie der Human Rights Watch World Report 2020 zeigt, sind Chinas Regierung und Kommunistische Partei heute nicht die einzige Bedrohung für die Menschenrechte. In vielen bewaffneten Konflikten wie in Syrien und im Jemen setzen sich Konfliktparteien unverhohlen über internationale Regeln wie die Ächtung von Chemiewaffen oder das Verbot von Angriffen auf Krankenhäuser hinweg, deren Ziel es ist, Zivilisten vor den Gefahren des Krieges zu schützen.
Andernorts können autokratische Populisten in öffentliche Ämter gelangen, indem sie Minderheiten dämonisieren, und ihre Macht festigen, indem sie Kontrollinstanzen wie Journalisten, Richter und Bürgerrechtler attackieren. Staatschefs wie US-Präsident Donald Trump, Indiens Premierminister Narendra Modi oder der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro sträuben sich gegen dasselbe internationale Gesetzeswerk, das auch von China untergraben wird. Sie mobilisieren ihre Anhänger mit Scheingefechten gegen „die Globalisten“, die es wagen, vorzuschlagen, dass alle Regierungen an die gleichen Standards gebunden sein sollten.
Viele Regierungen, die in ihrer Außenpolitik bislang wenigstens teilweise verlässliche Verteidiger der Menschenrechte waren, haben sich weitestgehend von ihnen abgewendet. Andere treten, konfrontiert mit Problemen im Innern, nur noch willkürlich für sie ein.
Aus diesem ohnehin beunruhigenden Gesamtbild sticht die chinesische Regierung durch die Reichweite und den Einfluss ihrer menschenrechtsfeindlichen Bestrebungen hervor. Das Ergebnis ist ein Supergau für die Menschenrechte: Ein mächtiger Zentralstaat, eine Clique gleichgesinnter Herrscher, ein Mangel an Führungsstärke auf Seiten jener Länder, die für die Menschenrechte eintreten könnten, und eine enttäuschende Ansammlung von Demokratien, die bereit sind, den Strick zu verkaufen, an dem das Rechtssystem, für das sie angeblich einstehen, erhängt wird.
Pekings Logik
Die Motivation für Chinas Angriff auf die Menschenrechte liegt in der Erkenntnis, dass eine Herrschaft, die auf Unterdrückung beruht, fragiler ist, als ein Staat, der sich auf die Zustimmung seiner Bevölkerung berufen kann. Trotz des beeindruckenden, seit Jahrzehnten andauernden Wachstums, das Millionen Menschen aus der Armut befreit hat, hat die Kommunistische Partei Angst vor ihrem eigenen Volk.
Nach außen hin gibt sich die Partei als erfolgreiche Vertreterin der Menschen im ganzen Land, im Innern fürchtet sie jedoch die Konsequenzen öffentlicher Debatten und politischer Selbstorganisation. Deshalb scheut sie es, sich dem kritischen Blick der Öffentlichkeit zu stellen.
Damit steht Peking vor der unangenehmen Aufgabe, eine riesige und komplexe Wirtschaft steuern zu müssen, ohne auf die Denkanstöße und Debattenbeiträge aus der Öffentlichkeit zurückgreifen zu können, welche nur durch politische Freiheit ermöglicht werden. Der Parteiführung ist bewusst, dass sie, solange es keine Wahlen gibt, ihre Legitimierung vor allem aus dem Wachstum der Wirtschaft bezieht. Sollte sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen, könnte die Bevölkerung mehr Mitsprache darüber einfordern, wie sie regiert wird. An diesem grundlegenden Sachverhalt ändern auch die nationalistischen Kampagnen der Regierung zur Förderung des „chinesischen Traums“ und das Eigenlob für ihre fragwürdigen Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung nichts.
Infolgedessen erlebt China unter Präsidetn Xi Jinping die durchdringendste und brutalste Unterdrückung seit Jahrzehnten. Alle Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren auf eine Öffnung bei der Meinungsfreiheit hingedeutet hatten, wenn es um Fragen des Gemeinwohls ging, wurden mit Nachdruck beendet. Bürgerrechtsgruppen wurden geschlossen. Unabhängiger Journalismus existiert nicht mehr. Der Meinungsaustausch im Internet wurde eingeschränkt und durch inszenierte Unterwürfigkeit ersetzt. Ethnische und religiöse Minderheiten werden verfolgt. An die Stelle der bescheidenen Schritte in Richtung einer Herrschaft des Rechts ist die Tradition der Kommunistischen Partei getreten, das Recht lediglich als Instrument ihrer Herrschaft zu betrachten. So steht Hongkongs begrenzte Freiheit im Rahmen der „Ein Land zwei Systeme“-Politik aktuell massiv unter Beschuss.
Präsident Xi hat sich zum mächtigsten Herrscher in China seit Mao Zedong entwickelt. Er hat einen schamlosen Personenkult aufgebaut, die Beschränkung seiner Amtszeit aufgehoben, propagiert die Doktrin „Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter“ und wirbt für die hochtrabende Vision einer starken autokratischen Nation. Um ihrem Machterhalt weiterhin den Vorrang gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen der chinesischen Bevölkerung geben zu können, geht die Kommunistische Partei mit großer Entschlossenheit gegen politische Freiheiten vor. Damit riskiert sie jedoch, dass die Bevölkerung zeigt, dass sie ihrer Herrschaft alles andere als zustimmend gegenübersteht.
Der uneingeschränkte Überwachungsstaat
Mehr als jede andere Regierung nutzt Peking Technologie als zentrales Instrument ihrer Repression. In Xinjiang, einer Region im Nordwesten Chinas, in der rund 13 Millionen Muslime leben, darunter Uiguren, Kasachen und andere turkstämmige Minderheiten, wurde ein beklemmendes Kontrollsystem geschaffen. Es ist der durchdringendste Überwachungsstaat, den die Welt je gesehen hat. Die Kommunistische Partei strebt seit Längerem danach, die Bevölkerung auf Anzeichen für abweichende Meinungen zu überwachen. Das Zusammentreffen wirtschaftlicher Mittel und technischer Fähigkeiten hat nun ein beispielloses System der Massenüberwachung hervorgebracht.
Dieses soll angeblich verhindern, dass sich Vorfälle wie vor einigen Jahren wiederholen, als es zu einer Handvoll gewaltsamer Vorfälle durch mutmaßliche Separatisten kam. Doch das Projekt geht weit über jedes wahrnehmbare Sicherheitsrisiko hinaus: Eine Million Funktionäre und Parteikader wurden mobilisiert, um muslimischen Familien regelmäßig „Besuche“ als uneingeladene „Gäste“ abzustatten, also bei ihnen einzuziehen und sie zu überwachen. Aufgabe der „Besucher“ ist es, „Probleme“ zu untersuchen und zu melden, etwa wenn Menschen beten, andere Zeichen der aktiven Ausübung des islamischen Glaubens zeigen, Kontakt mit Angehörigen im Ausland aufnehmen oder keine absolute Treue gegenüber der Kommunistischen Partei an den Tag legen.
Die persönliche Überwachung bildet jedoch nur die Spitze des Eisbergs, quasi das analoge Vorspiel einer digitalen Show. In Missachtung des international anerkannten Rechts auf Privatsphäre hat die chinesische Regierung überall in der Region Videokameras installiert, sie mit Technologien zur Gesichtserkennung verknüpft, Beamte mit Handy-Apps zur Erfassung ihrer Beobachtungen ausgestattet, elektronische Checkpoints eingerichtet und die so gesammelten Datenmengen systematisch ausgewertet.
Mithilfe der Daten wird ermittelt, wer zur „Umerziehung“ inhaftiert werden soll. In der größten Welle willkürlicher Inhaftierungen seit Jahrzehnten wurden über eine Million turkstämmiger Muslime festgenommen und auf unbestimmte Zeit zur Zwangsindoktrinierung inhaftiert. Durch die Inhaftierungen sind unzählige Kinder zu „Waisen“ geworden, weil sich ihre Eltern in Haft befinden. Sie werden in staatlichen Schulen und Waisenhäusern untergebracht und dort ebenfalls indoktriniert. Auch in regulären Schulen in Xinjiang erhalten Kinder unter Umständen ideologische Unterweisungen.
Offenkundiges Ziel dieser Maßnahmen ist es, Muslime ihres Glaubens, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer unabhängigen politischen Ansichten zu berauben. Ob die Inhaftierten ihre Freiheit zurückgewinnen können, hängt davon ab, inwieweit sie ihre Aufseher davon überzeugen können, dass sie Mandarin sprechen, dem Islam entsagt haben und Xi und der Kommunistischen Partei huldigen. Dieses unverhohlene Vorgehen spiegelt den totalitären Impuls wider, das Denken der Menschen solange umzuprogrammieren, bis sie sich der Überlegenheit der Parteiherrschaft fügen.
Die chinesische Regierung baut im ganzen Land ähnliche Systeme zur Überwachung und Verhaltenssteuerung auf. Am bemerkenswertesten ist das „soziale Punktesystem“, das laut offizieller Darstellung lediglich schlechtes Verhalten wie die Missachtung einer roten Ampel oder die Säumnis bei einer gerichtlichen Zahlungsanordnung bestrafen und gutes Verhalten belohnen soll. Die „Vertrauenswürdigkeit“ einer Person, so wie sie von der Regierung ermittelt wird, bestimmt ihren Zugang zu erstrebenswerten gesellschaftlichen Gütern, wie das Recht, in einer attraktiven Stadt zu leben, seine Kinder auf eine Privatschule zu schicken oder mit dem Flugzeug oder dem Hochgeschwindigkeitszug zu reisen. Bislang enthält das System keine politischen Kriterien, sie könnten jedoch mit geringem Aufwand hinzugefügt werden.
Bedrohlicherweise lässt sich der Überwachungsstaat auch exportieren. Nur die wenigsten Regierungen sind in der Lage, im gleichen Ausmaß Personal einzusetzen, wie China es in Xinjiang tut. Die technologischen Mittel sind jedoch zunehmend „von der Stange“ erhältlich und damit attraktiv für Staaten wie Kirgisien, die Philippinen oder Zimbabwe, in denen der Schutz der Privatsphäre keine große Rolle spielt. Nicht nur chinesische Firmen verkaufen diese übergriffigen Systeme, sondern auch Unternehmen aus Deutschland, Israel und Großbritannien. Die günstigen Pakete aus China sind attraktiv für Regierungen, die das chinesische Überwachungsmodel nachbilden wollen.
Chinas Schablone einer erfolgreichen Diktatur
Viele Autokraten blicken neidvoll auf Chinas verführerische Mixtur aus wirtschaftlichem Erfolg, rasanter Modernisierung und scheinbar gefestigter politischer Macht. Die chinesische Regierung ist weit davon entfernt, weltweit geschmäht zu werden, sie wird vielmehr in der ganzen Welt hofiert. Man rollt ihrem nicht gewählten Präsidenten den roten Teppich aus, egal wohin er reist. Zudem richtet das Land prestigeträchtige Veranstaltungen wie die Olympischen Winterspiele 2022 aus. China präsentiert sich als offene, einladende und starke Nation, während es immer tiefer in eine skrupellose Autokratie abgleitet.
Es war einst gängige Meinung, dass sich in China im Zuge des Wirtschaftswachstums eine Mittelschicht bilden werde, die ihre Rechte einfordert. Daraus leitete man die wohlfeile Annahme ab, dass sei nicht nötig sei, Peking wegen seiner Repression unter Druck zu setzen, und es vielmehr genüge, Handel mit China zu treiben.
Heute glaubt kaum jemand mehr an diese eigennützige Logik. Dennoch haben die meisten Regierungen neue Wege gefunden, den Status Quo zu rechtfertigen. Sie geben den wirtschaftlichen Möglichkeiten in China weiterhin Priorität, allerdings ohne vorzutäuschen, sie verfolgten eine Strategie zur Verbesserung der Menschenrechtslage vor Ort.
Tatsächlich hat die Kommunistische Partei gezeigt, dass wirtschaftliches Wachstum eine Diktatur stärken kann, indem es ihr die nötigen Mittel zur Durchsetzung ihrer Herrschaft bereitstellt und sie in die Lage versetzt, die Kosten des Machterhalts zu bezahlen – von den Legionen an Sicherheitskräften, über das Zensurregime bis hin zum alles durchdringenden Überwachungsstaat. Die gewaltigen Ressourcen, welche die Autokratie untermauern, verhindern, dass Menschen in ganz China ein Mitspracherecht in der Frage erhalten, wie sie regiert werden möchten.
Diese Entwicklungen sind Musik in den Ohren der Diktatoren dieser Welt. Mit Verweis auf China wollen sie uns glauben machen, ihre Herrschaft führe auf direktem Wege zu mehr Wohlstand, ohne den lästigen Umweg über offene Debatten und umkämpfte Wahlen. Allzu gern würden sie uns vergessen lassen, dass die Geschichte unzählige Beispiele kennt, in denen Regierungen, die niemandem Rechenschaft schuldig waren, ihr Land in den wirtschaftlichen Ruin geführt haben.
Für jeden Staatschef wie Singapurs Lee Kwan Yew, der von Befürwortern der Autokratie gerne als Positivbeispiel angeführt wird, gibt es unzählige andere, die ihr Land zugrunde gerichtet haben wie Robert Mugabe in Zimbabwe, Nicolas Maduro in Venezuela, Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten, Omar al-Bashir im Sudan oder Teodoro Obiang Nguema Mbasogo in Äquatorialguinea. Eine Regierung, die niemandem zu Rechenschaft verpflichtet ist, neigt dazu, ihre eigenen Interessen vor die ihrer Bevölkerung zu stellen. Ihre Gunst gilt zuallererst der Familie, den Kumpanen und der eigenen Macht. Die Folge sind Vernachlässigung, Stillstand, anhaltende Armut, Hyperinflation, der Notstand im staatlichen Gesundheitswesen und der Niedergang der Wirtschaft.
Das rechenschaftsfreie Staatsgefüge in China verwehrt all jenen eine eigene Stimme, die nicht am Wirtschaftswachstum teilhaben. Die Behörden rühmen den ökonomischen Fortschritt und zensieren gleichzeitig Informationen über die zunehmend ungleiche Einkommensverteilung, die Diskriminierung beim Zugang zu staatlichen Leistungen, die selektive Strafverfolgung von Korruption und die Tatsache, dass in ländlichen Regionen jedes fünfte Kind zurückbleibt, wenn seine Eltern Arbeit in anderen Landesteilen suchen. Sie vertuschen die Zwangsumsiedlungen, den Abriss von Häusern, die Verletzungen und die Todesfälle im Zuge großer Infrastrukturprojekte. Sie verheimlichen Fälle, in denen Menschen aufgrund unsicherer und nicht regulierter Lebensmittel oder Medikamente bleibende Behinderungen erleiden. Und sie setzen die offizielle Zahl der Menschen mit Behinderungen absichtlich zu niedrig an.
Man muss nicht weit in Chinas Geschichte zurückblicken, um auf Bespiele dafür zu stoßen, welchen enormen menschlichen Preis eine Regierung ohne Rechenschaftspflicht fordern kann. Dieselbe Kommunistische Partei, die heute das chinesische Wirtschaftswunder proklamiert, bürdete dem Land noch vor kurzem die Verheerungen der Kulturrevolution und des Großen Sprungs nach Vorne auf, mit Todesopfern im zweistelligen Millionenbereich.
Chinas Kampagne gegen globale Standards
Um eine internationale Gegenreaktion auf die Unterdrückung im eigenen Land zu verhindern, versucht die chinesische Regierung, die Institutionen zum Schutz der Menschenrechte zu schwächen. Kritik aus dem Ausland weist die chinesische Regierung seit jeher als Verletzung ihrer Souveränität zurück. Zur Abwehr solcher Vorwürfe unternahm sie jedoch bis jetzt relativ bescheidene Anstrengungen. Heute schüchtert Peking jedoch gezielt andere Regierungen ein und drängt sie, ihr in internationalen Foren Beifall zu klatschen und an ihren Angriffen auf das System der internationalen Menschenrechte teilzunehmen.
Die chinesische Regierung scheint systematisch ein Netzwerk aus Beifallspendern aufzubauen, die auf ihre Hilfen oder Handelsbeziehungen angewiesen sind. Wer diese Pläne durchkreuzt, musst mit Vergeltung rechnen, so wie Schweden, das Drohungen erhielt, nachdem eine unabhängige schwedische Organisation eine Auszeichnung an einen Hongkonger Verleger mit schwedischem Pass verliehen hatte. Dieser war von den chinesischen Behörden verhaftet und verschleppt worden, nachdem in seinem Verlag regimekritische Bücher erschienen waren.
Mit dieser Vorgehensweise greift Peking den eigentlichen Zweck der internationalen Menschenrechte an. Wo andere Regierungen Menschen sehen, deren Rechte verteidigt werden müssen, sehen Chinas Machthaber mögliche Präzedenzfälle für die Durchsetzung der Menschenrechte, die ihnen selbst zum Problem werden könnten. China setzt seine Stimme, seinen Einfluss und mitunter auch sein Veto im UN-Sicherheitsrat dazu ein, Maßnahmen der Vereinten Nationen zum Schutz der am schwersten verfolgten Menschen weltweit zu blockieren. Die Leidtragenden sind syrische Zivilisten, die von russischen und syrischen Kampfflugzeugen wahllos bombardiert werden, Rohingya-Muslime, die von der myanmarischen Armee durch ethnische Säuberungen, Morde, Vergewaltigungen und Brandschatzungen aus ihren Häusern vertrieben werden, jemenitische Zivilisten, die unter den Bombardements und der Blockade durch Saudi-Arabien und seine Bündnispartner leiden, und die Bevölkerung Venezuelas, die infolge der Korruption und des Missmanagements unter Nicolas Maduro den Niedergang ihrer Wirtschaft erleben. In all diesen Fällen überlässt Peking die Menschen bewusst ihrem Schicksal, um nicht ein Beispiel für den Schutz der Menschenrechte zu setzen, dass später auch auf die Repression im eigenen Land angewendet werden könnte.
Die Methoden der Pekinger Führung zeichnen sich oft durch eine gewisse Subtilität aus. So tritt die chinesische Regierung internationalen Menschenrechtsabkommen zwar bei, versucht jedoch anschließend, sie umzudeuten oder ihre Durchsetzung zu sabotieren. Es gelingt ihr geschickt, den Schein einer Zusammenarbeit mit der UNO zu wahren, wenn diese Chinas Menschenrechtsbilanz untersucht. Gleichzeitig scheut sie keine Mühen, um jede ehrliche Diskussion zu verhindern. Sie hindert Regimekritiker daran, ins Ausland zu reisen, verweigert wichtigen internationalen Experten die Einreise, orchestriert die Lobgesänge ihrer Verbündeten, von denen viele selbst notorische Unterdrücker sind, und präsentiert oft unverfroren irreführende Informationen.
Selbst im Hinblick auf wirtschaftliche Rechte duldet Peking keine unabhängige Prüfung seiner Fortschritte, denn dies würde bedeuten, dass nicht ihr Lieblingsindikator untersucht wird, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, sondern auch andere Kriterien wie die Lage der ärmsten Bevölkerungsteile, einschließlich der verfolgten Minderheiten und der abgehängten Menschen im ländlichen Raum. Auf keinen Fall erwünscht sind auch unabhängige Evaluationen der bürgerlichen und politischen Rechte. Diese zu achten würde bedeuten, freie Wahlen zuzulassen und eine Rechenschaftspflicht gegenüber Bürgerrechtlern, unabhängigen Journalisten, politischen Parteien und unabhängigen Richtern zu etablieren. Dies will Peking jedoch um jeden Preis verhindern.
Die Komplizen
China ist die treibende Kraft hinter dem weltweiten Feldzug gegen die Menschenrechte, doch es hat willige Komplizen. Zu ihnen gehören Diktatoren, Autokraten und Monarchen, die selbst ein nachhaltiges Interesse daran haben, das Menschenrechtssystem zu untergraben, das sie eines Tages zur Verantwortung ziehen könnte. Weitere Komplizen sind Regierungen, Unternehmen und sogar wissenschaftliche Institutionen, die vorgeblich den Menschenrechten verpflichtet sind, jedoch dem Zugang zu Chinas Reichtum den Vorrang geben.
Zu dieser Situation kommt erschwerend hinzu, dass zahlreiche Staaten, auf die bislang in Menschenrechtsfragen meist Verlass war, von der Bildfläche verschwunden sind. US-Präsident Trump umarmt lieber verbündete Autokraten, als sich schützend vor die Menschenrechte zu stellen, die diese verletzen. Die Europäische Union fand – abgelenkt durch den Brexit, behindert durch nationalistische Mitgliedstaaten und gespalten beim Thema Migration – kaum zu einer starken gemeinsame Stimme in Menschenrechtsfragen. Trotz einer beeindruckenden weltweiten Protestwelle, die Menschen in Algerien, dem Sudan, dem Libanon, dem Irak, Bolivien, Russland und Hongkong für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auf die Straße brachte, reagierten viele demokratische Regierungen nur mit verhaltener und selektiver Unterstützung. Angesichts dieses inkonsequenten Verhaltens war es für China einfach, Kritik an seiner Menschenrechtsbilanz als Frage des politischen Standpunkts und nicht als Frage des Prinzips darzustellen.
Von diesem Stillschweigen zu Chinas Unterdrückung gab es seltene Ausnahmen. So verabschiedeten 25 Regierungen im UN-Menschenrechtsrat im Juli eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Besorgnis über das außergewöhnlich harte Vorgehen Chinas in Xinjiang zum Ausdruck brachten. Dies war das erste Mal, dass ausländische Regierungen in derart großer Zahl Stellung zur Lage in Xinjiang bezogen. Die Furcht vor dem Zorn der chinesischen Regierung war jedoch offenbar so groß, dass keine der Delegationen bereit war, die Erklärung, wie sonst üblich, vor dem Rat zu verlesen. Stattdessen suchten sie den Schutz der Gruppe und gaben die Erklärung nur schriftlich ab. Dies änderte sich im Oktober, als Großbritannien in der UN-Vollversammlung die parallel erarbeitete Erklärung einer ähnlichen Koalition verlas. Die anfängliche Zurückhaltung zeigt, wie groß der Widerwille ist, China die Stirn zu bieten, selbst auf Seiten der engagiertesten Staaten. Diese Furcht bildet die Grundlage dafür, dass China auf internationaler Ebene trotz der weitreichenden Natur seiner Menschenrechtsverletzungen mittlerweile Straflosigkeit genießt.
Andere Regierungen suchten bereitwillig die Nähe zu Peking. Als Reaktion auf die beiden Fälle kollektiver Kritik an China organisierte die chinesische Regierung ihrerseits gemeinsame Erklärungen, die schamlos Chinas „Anti-Terror- und Deradikalisierungsmaßnahmen in Xinjiang“ lobten. Die Maßnahmen hätten „ein stärkeres Gefühl von Glück, Erfüllung und Sicherheit“ herbeigeführt, so die Erklärungen. Bis zu 54 Regierungen schlossen sich an, darunter so berüchtigte Menschenrechtsverletzer wie Russland, Syrien, Nordkorea, Myanmar, Weißrussland, Venezuela und Saudi-Arabien. Diese Galerie repressiver Regierungen mag wenig glaubwürdig sein, doch ihre bloße Anzahl verdeutlicht vor welch hartem Kampf die wenigen Länder stehen, die bereit sind, China mit seinen Menschenrechtsverletzungen zu konfrontieren.
Es wäre zu wünschen gewesen, dass die Organisation für Islamische Kooperation (OIC), ein Zusammenschluss aus 57 mehrheitlich muslimischen Staaten, sich für den Schutz der verfolgten Muslime in Xinjiang einsetzt, wie sie es im Falle der ethnischen Säuberungen gegen die Rohingya getan hatte. Stattdessen veröffentlichte die OIC eine anbiedernde Lobrede, in der Chinas „Fürsorge für seine muslimischen Bürger“ gelobt wird. Pakistan unterstützte diese Bemühungen, obwohl es als OIC-Koordinator dafür verantwortlich ist, Verbrechen gegen Muslime offen anzusprechen.
Die OIC-Mitgliedstaaten Türkei und Albanien schlossen sich hingegen dem Ruf nach einer unabhängigen UN-Untersuchung der Lage in Xinjiang an. Katar zog seine Unterstützung für Chinas Gegen-Erklärung zurück. Insgesamt lehnten rund die Hälfte der OIC-Staaten es ab, Chinas beschönigende Erklärung zu Xinjiang zu unterzeichnen. Dies ist ein wichtiger erster Schritt. Angesichts des gewaltigen Unrechts ist es aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Für OIC-Mitgliedstaaten und andere Regierungen, die kein Interesse an einer Konfrontation mit Peking zeigten, organisierten die chinesischen Behörden Propagandareisen nach Xinjiang. Die Rundreisen sollten der Kritik an der Inhaftierung von Muslimen entgegenwirken. Die chinesischen Behörden errichteten eine „Große Mauer“ aus Falschinformationen wie der absurden Behauptung, der massenhafte Freiheitsentzug diene der „beruflichen Weiterbildung“. Für die Delegationen aus Diplomaten und Journalisten arrangierten sie Besuche bei den „Auszubildenden“. Die wenigen Gelegenheiten, in denen es möglich war, offen mit den muslimischen Häftlingen zu sprechen, entlarvten die offizielle Darstellung jedoch als irreführend. Die Inszenierung war oft derart grotesk, dass sie sich selbst bloßstellte, etwa als eine Gruppe von Häftlingen gezwungen wurde, das englische Kinderlied „If you’re happy and you know it, clap your hands!“ zu singen. Tatsächlich war es nicht etwa das Ziel dieser inszenierten Führungen, die ausländischen Regierungen zu überzeugen, sondern vielmehr, ihnen eine Rechtfertigung dafür zu liefern, warum sie Peking nicht kritisieren. Die Visiten sollten als Feigenblatt dienen und der Gleichgültigkeit ein Alibi geben.
Wenig überzeugender waren die Auftritte ausländischer Staatschefs, die nach Peking reisten, auch solcher, die sich als Verfechter der Menschenrechte verstehen. So reiste Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im November nach China ohne die Menschenrechtslage öffentlich anzusprechen. Staatsgäste rechtfertigen ihr öffentliches Schweigen üblicherweise mit dem Hinweis, sie brächten Menschenrechtsfragen in privaten Unterredungen zur Sprache. Es gibt jedoch praktisch keine Anzeichen dafür, dass dieser Ansatz irgendwelche Fortschritte liefert.
Stille Diplomatie alleine genügt nicht, um eine Regierung bloßzustellen, die danach strebt, als legitimes und geschätztes Mitglied der internationalen Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Die Fototermine lächelnder Funktionäre und das offizielle Schweigen zu den Menschenrechtsverletzungen signalisieren der Welt – und vor allem der chinesischen Bevölkerung, dem wichtigsten potentiellen Motor des Wandels –, dass die prominenten Besucher der Unterdrückung in China gleichgültig gegenüber stehen.
Elemente chinesischer Macht
Die chinesischen Behörden steuern ihr Vorgehen gegen Kritik in Menschenrechtsfragen, indem sie ihren wirtschaftlichen Einfluss von zentraler Stelle aus einsetzen. Kein chinesisches Unternehmen kann es sich leisten, die Diktate der Kommunistischen Partei zu ignorieren. Erfährt eine Firma, dass ein bestimmtes Land wegen seiner Kritik an China abgestraft werden soll – etwa durch einen Boykott seiner Güter – so bleibt ihr keine andere Wahl, als sich zu fügen. Ausländische Regierungen oder Firmen, die am Handel mit China interessiert sind, stehen deshalb, wenn sie die Repression der Pekinger Führung öffentlich kritisieren, nicht etwa einer Reihe einzeln entscheidender Unternehmen gegenüber, sondern einer einzigen zentralen Befehlsgewalt. Damit setzen sie den Zugang zum gesamten chinesischen Markt aufs Spiel, der 16 Prozent der Weltwirtschaft ausmacht. Als der Manager der US-amerikanischen Basketballmannschaft Houston Rockets die chinesische Regierung verärgerte, indem er bei Twitter Sympathien für die Demokratiebewegung in Hongkong äußerte, legten alle elf offiziellen chinesischen Geschäftspartner der Basketballliga ihre Zusammenarbeit auf Eis, darunter ein Reiseportal, ein Milchproduzent und eine Fastfoodkette.
Die US-Regierung unter Donald Trump war eine der wenigen, die bereit war, China die Stirn zu bieten. Den deutlichsten Beleg hierfür lieferte sie im Oktober, als sie gegen das Büro für Öffentliche Sicherheit von Xinjiang und gegen acht chinesische Technologieunternehmen Sanktionen wegen der Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen verhängte. Die deutlichen Worte einiger US-Funktionäre zu den Menschenrechtsverletzungen wurden jedoch entkräftet durch Trumps Lob für Xi Jinping und andere verbündete Autokraten wie Wladimir Putin in Russland, Recep Tayyip Erdogan in der Türkei, Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten und Mahammad bin Salman in Saudi-Arabien, ganz zu schweigen von Trumps rechtswidrigen Maßnahmen im Innern wie der grausamen und unmenschlichen Praxis, Kinder an der mexikanischen Grenze von ihren Eltern zu trennen.
Diese Unbeständigkeit liefert China eine Steilvorlage, um die Washingtoner Kritik an seiner Menschenrechtsbilanz zu diskreditieren. Trumps fehlgeleiteter Rückzug aus dem UN-Menschenrechtsrat gab China zudem Gelegenheit, verstärkt Einfluss auf diese zentrale Institution zum Schutz der Menschenrechte zu nehmen. Die USA waren wegen Bedenken im Hinblick auf Israel aus dem Rat ausgetreten.
Ein wichtiges Instrument der chinesischen Einflussnahme war auch Xi Jinpings „Neue Seidenstraße“ oder „Belt and Road Initiative” (BRI), ein billionenschweres Investitions- und Infrastrukturprogramm, das China besseren Zugang zu Märkten und Rohstoffen in 70 Staaten verschaffen soll. Oft begünstigt durch das fehlen alternativer Investoren hat das Projekt der chinesischen Regierung erhebliche Sympathien in Entwicklungsländern verschafft. Zugleich gelang es Peking, einen Großteil der Kosten auf die vermeintlichen Nutznießer seiner Unterstützung abzuwälzen.
Chinas Vorgehen stärkt meist autoritäre Tendenzen in den vermeintlich begünstigten Staaten. Die Projekte, die für ihre Kreditvergabe ohne Vorbedingungen bekannt sind, ignorieren Menschenrechts- und Umweltschutznormen weitestgehend. Menschen, denen dadurch Nachteile drohen, erhalten praktisch kein Mitspracherecht. Viele Vorhaben werden hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und sind damit anfällig für Korruption. Mitunter verschaffen sie den herrschenden Eliten Vorteile und verfestigen ihre Macht, während sie der Bevölkerung riesige Schuldenberge aufbürden.
Einige Seidenstraßen-Projekte sind geradezu berüchtigt, etwa der sri-lankische Hafen Hambantota, der nach Schwierigkeiten bei der Schuldentilgung für 99 Jahre an China zurückfiel, oder die Eisenbahnstrecke Mombasa-Nairobi in Kenia, wo die Regierung versuchte, den Güterverkehr trotz günstigerer Alternativen zur Nutzung der Schiene zu zwingen, um die chinesischen Kredite tilgen zu können. In Bangladesch, Malaysia, Myanmar, Pakistan und Sierra Leone haben die Regierungen begonnen, sich aus voraussichtlich unwirtschaftlichen Projekten zurückzuziehen. In den meisten Fällen versuchten die bedrängten Schuldner dennoch, weiter in Pekings Gunst zu stehen.
Die Seidenstraßen-Kredite erweisen sich damit keinesfalls als bedingungslos, sondern schufen in der Praxis eine Reihe politischer Abhängigkeiten und verpflichteten die Kreditnehmer, Chinas menschenrechtsfeindliche Agenda zu unterstützen. Damit sicherte sich China bestenfalls das Stillschweigen, schlimmstenfalls den Applaus der betroffenen Regierungen sowie ihr Mitwirken bei der Unterminierung internationaler Institutionen zum Schutz der Menschenrechte.
Pakistans Premierminister Imran Khan, dessen Regierung zu den wichtigsten Empfängern von Mitteln aus dem Seidenstraßen-Programm gehört, ging bei seinem Besuch in Peking mit keinem Wort auf die Lage seiner muslimischen Glaubensgenossen in Xinjiang ein. Gleichzeitig überhäuften seine Diplomaten China mit Lob für seine „Fürsorge für muslimische Bürger“. Kamerun äußerte ähnlich schmeichelhafte Lobesbekundungen, nachdem China dem Land Schulden in Millionenhöhe erlassen hatte. Mit Blick auf Xinjiang lobte Kamerum die chinesische Regierung für den „vollumfänglichen Schutz der Ausübung gesetzmäßiger Rechte durch ethnische Minderheiten“ einschließlich „normaler religiöser Aktivitäten und Überzeugungen“.
Chinas Entwicklungsbanken, etwa die China Development Bank und die Ex-Im Bank of China, haben eine immer größere globale Reichweite, ihnen fehlen jedoch wichtige Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte. Wenig besser schneidet die von China gegründete Asian Infrastructure Investment Bank ab, deren Richtlinien zwar soziale und ökologische Standards enthalten und von den finanzierten Projekten Transparenz und Rechenschaft fordern. Sie verpflichten die Bank jedoch nicht, Gefahren für die Menschenrechte zu identifizieren und anzusprechen. Von den 74 Mitgliedstaaten der Bank behaupten viele, sie achteten die Menschenrechte, darunter Kanada, Australien und Neuseeland sowie weite Teile der EU, einschließlich Frankreichs, Deutschlands, der Niederlande, Schwedens und Großbritanniens.
Zersetzung der Vereinten Nationen
Wir dachten, diese Institution könnte unsere Rechte schützen, wenn die Regierung sie verletzt. Doch sie ist nicht anders.
– Chinesischer Menschenrechtler über die UN, Genf, Juni 2016
Die chinesische Regierung reagiert allergisch auf ausländischen Druck wegen ihrer Menschenrechtsprobleme im eigenen Land. Sie zögert nicht, Druckmittel einzusetzen, um ihr Image in internationalen Foren zu schützen. Da der Schutz der Menschenrechte zu den zentralen Aufgaben der UN gehört, ist diese zu einem Schlüsselziel geworden. Der chinesische Druck ist bis in die höchsten Ebenen spürbar. So vermied UN-Generalsekretär Antonio Guterres es, öffentlich ein Ende der massenhaften Inhaftierung turkstämmiger Muslime zu fordern, während er Peking für sein wirtschaftspolitisches Geschick und das Projekt Neue Seidenstraße lobte.
Beim UN-Menschenrechtsrat stimmt China regelmäßig gegen jede Initiative, die ein einzelnes Land kritisiert, es sei dann, der Text wird so weit verwässert, dass auch die betroffene Regierung zustimmt. In den vergangenen Jahren opponierte China gegen Resolutionen zur Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in Myanmar, Syrien, dem Iran, den Philippinen, Burundi, Venezuela, Nicaragua, dem Jemen, Eritrea und Weißrussland. China versucht zudem, den internationalen Rechtsrahmen dahingehend zu beeinflussen, dass wirtschaftlichem Fortschritt stets Priorität gegenüber der Achtung der Menschenrechte gegeben wird. Peking macht sich außerdem für „beiderseitig vorteilhafte Kooperationen“ (vormals „Win-Win-Kooperationen“) stark, welche die Menschenrechte als Gegenstand freiwilliger Kooperation darstellen, nicht als rechtsverbindliche Verpflichtungen.
Als Chinas Menschenrechtsbilanz in den Jahren 2018 und 2019 der routinemäßigen Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat unterzogen werden sollte, bedrohten chinesische Funktionäre kritische Delegationen und ermunterten ihre Verbündeten, Lob zu äußern. Peking überflutete die für Bürgerrechtsgruppen reservierte Rednerliste mit staatlich geförderten Organisationen, die beauftragt waren, die Arbeit der Regierung zu loben. Indes lieferten chinesische Diplomaten dem Prüforgan unverhohlen Falschinformationen, drohten den Delegationen mit Konsequenzen, sollten sie an einer Podiumsdiskussion zu den Verbrechen in Xinjiang teilnehmen, und versuchten eine unabhängige Organisation, die zu Xinjiang arbeitet, an ihrem Auftritt vor dem Rat zu hindern. Die Einflussnahme gipfelte darin, dass die chinesischen Behörden vor den UN-Tagungsräumen großflächig Fotos ausstellten, die glückliche und der Regierung dankbare Uiguren zeigten.
Auch am UN-Hauptsitz in New York gehörte es zu den obersten Prioritäten der chinesischen Regierung, jede Diskussion über ihr Vorgehen in Xinjiang zu unterbinden. Im UN-Sicherheitsrat, wo China über ein Veto verfügt, verfolgte Peking eine zunehmend rückwärtsgewandte Strategie, häufig Seite an Seite mit Russland. So machte Peking deutlich, man werde keine Druckmittel gegen Myanmar billigen. Eine UN-Untersuchungsmission war zuvor zu dem Schluss gekommen, dass gegen Myanmars oberste Militärs wegen Genozids ermittelt werden sollte. Gemeinsam mit Russland wollte China – wenn auch vergeblich – verhindern, dass der Sicherheitsrat sich mit der humanitären Krise in Venezuela befasst. Im September, als 3 Millionen Zivilisten wahllosen Bombardements durch russische und syrische Kampfjets ausgeliefert waren, schloss sich China dem russischen Veto gegen die Forderung des Sicherheitsrats nach einem Waffenstillstand an.
Globale Zensur
Wir überwachen uns selbst... Jeder [der an dem Studenten-Salon teilnimmt] hat Angst. Die bloße Angst, also uns Angst zu machen, funktioniert tatsächlich.
—Universitätsstudent, Vancouver, Juni 2018
Jenseits der althergebrachten Praktiken wie der Zensur ausländischer Medien, der Einschränkung ausländischer Spenden an Bürgerrechtsorganisationen in China und Visasperren gegen Akademiker und andere Personen machte Peking sich das Profitstreben der Konzerne zunutze, um seine Zensur auf Kritiker im Ausland auszudehnen. In den vergangenen Jahren fügte sich eine beunruhigende Anzahl von Unternehmen dem Druck aus Peking, wenn sie wegen vermeintlichen Vergehen beschuldigt oder wegen chinakritischer Äußerungen ihrer Mitarbeiter attackiert wurden.
Die Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific drohte Mitarbeitern, die sich an den pro-demokratischen Protesten des vergangenen Jahres beteiligt oder diese unterstützt hatten, mit ihrer Entlassung. VW-Chef Herbert Diess erklärte gegenüber der BBC, er habe „keine Kenntnis“ von Berichten über Internierungslager in Xinjiang, in denen Tausende Muslime festgehalten werden, obwohl VW dort seit 2012 eine Fabrik betreibt. Das Hotelunternehmen Marriott entließ einen Social-Media-Manager, der einen Tweet geliked hatte, in dem das Unternehmen dafür gelobt wird, Tibet als Staat zu bezeichnen. Das Unternehmen versprach, „dafür [zu] sorgen, dass sich derartige Fehler nicht wiederholen“. Die Unternehmensberatung PwC distanzierte sich von einer Anzeige zur Unterstützung der Demokratiebewegung, die mutmaßlich von Mitarbeitern der sogenannten Big Four (Deloitte, Ernst & Young, KPMG, PwC) in einer Hongkonger Zeitung geschaltet worden war. Hollywood zensiert in zunehmendem Maße seine Filme, um den Empfindlichkeiten Pekings entgegenzukommen. So wurde in der jüngsten Fortsetzung des 1986 veröffentlichten Films „Top Gun“ die taiwanesische Flagge von Tom Cruises Bomberjacke wegretuschiert.
Diese Vorfälle sind vielsagend. Zum einen zeigen sie, wie klein und unbedeutend die vermeintlichen Kränkungen sind, die den Zorn verschiedenster Stimmen in China auf sich ziehen. Obwohl die „Große Firewall“ verhindert, dass der Großteil der chinesischen Bevölkerung davon erfährt, und obwohl die Kommunistische Partei enorme Ressourcen aufbringt, um die sozialen Medien im Inland zu zensieren und ihre Propaganda dort zu verbreiten, löst die im Ausland vorgebrachte Kritik bei einflussreichen Akteuren in China Empörung aus. Angesichts dieser Befindlichkeiten unterwerfen Unternehmen, die Geschäfte mit China machen wollen, sich und ihre Mitarbeiter einer Selbstzensur, auch ohne Weisung aus Peking.
Das Einknicken vieler Unternehmen zeigt außerdem, dass sich die chinesische Zensur zu einer globalen Gefahr entwickelt hat. Es ist schlimm genug, dass Unternehmen sich bei ihren Geschäften innerhalb Chinas an die Vorgaben der Zensur halten. Doch es ist noch weitaus schlimmer, wenn sie diese Zensur auch ihren Mitarbeitern und Kunden im Rest der Welt auferlegen. Die Vorstellung, die Unterdrückung unabhängiger Stimmen ende an Chinas Grenzen, ist obsolet.
Auch an Universitäten in der ganzen Welt kam es zu Problemen bei der Meinungsfreiheit. Viele Universitäten waren allzu gerne bereit, unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen, um den Zustrom chinesischer Studenten zu sichern, die häufig die vollen Studiengebühren bezahlen. In Australien, Kanada, Großbritannien und den USA wollten regierungstreue chinesische Studenten verhindern, dass auf dem Campus über die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong, Xinjiang und Tibet diskutiert wird. In anderen Fällen vermieden chinesische Studenten es, an Debatten über Ideen teilzunehmen, die in China Tabu sind, weil sie fürchteten, bei den chinesischen Behörden gemeldet zu werden. Die Universitäten unternahmen in diesen Fällen kaum öffentliche Bemühungen, um das Recht auf freie Meinungsäußerung hochzuhalten.
Diese Tendenz wird noch verstärkt durch die gezielten Versuche Chinas, chinesische Staatsbürger im Ausland dafür anzuwerben, die offizielle Linie zu propagieren, einander zu überwachen und jegliche Kritik an Xi Jinpings Regierungsführung zu melden. So luden Mitarbeiter der chinesischen Botschaft in Washington eine Studentengruppe zu einem Treffen ein und lobten sie für ihre Rüge einer Studentin der Universität Maryland, die in einer Rede vor Absolventen die chinesische Regierung kritisiert hatte.
Um im Ausland lebende Dissidenten zum Schweigen zu bringen, bedrohen die chinesischen Behörden routinemäßig ihre Angehörigen in China. Ein Technologieberater in Vancouver erklärte: „Wenn ich die [Kommunistische Partei Chinas] öffentlich kritisiere, kann meinen Eltern die Krankenversicherung und Altersversorgung weggenommen werden.“ Eine in Toronto ansässige Journalistin einer chinesischsprachigen Zeitung, deren Eltern in China wegen ihrer Arbeit schikaniert wurden, erklärte: „Ich habe nicht dass Gefühl, dass hier Redefreiheit herrscht. Ich kann nicht frei berichten.“
Die Zensur wird auch zum Problem, wenn chinesische Technologie im Ausland Verbreitung findet. WeChat, eine in China weit verbreitete Social-Media-Plattform und Nachtrichten-App zensiert politische Nachrichten und sperrt Nutzerkonten aus politischen Gründen, selbst wenn die Nutzer außerhalb Chinas leben.
Wie wir die Herausforderung meistern können.
Eine außergewöhnliche Bedrohung erfordert eine angemessene Reaktion. Noch kann viel getan werden, um die Menschenrechte weltweit gegen Pekings Frontalangriff zu verteidigen. Auch wenn die chinesische Regierung mächtig ist und den Menschenrechten feindlich gegenübersteht, ist ihr Aufstieg zu einer globalen Bedrohung nicht unaufhaltsam. Dieser Herausforderung gerecht zu werden, erfordert einen radikalen Bruch mit der herrschenden Selbstgefälligkeit und dem Ansatz des „buisness-as-usual“. Es verlangt nach einer beispiellosen Antwort von all jenen, die noch immer an eine Weltordnung glauben, in der die Menschenrechte etwas bedeuten.
Regierungen, Unternehmen, Universitäten, internationale Institutionen und andere Akteure sollten den Menschen in China und aus China zur Seite stehen, die für die Wahrung ihrer Rechte kämpfen. Dabei sollte der erste Grundsatz sein, niemals die chinesische Regierung mit der Bevölkerung gleichzusetzen. Denn so beschuldigt man ein ganzes Volk für die Vergehen einer Regierung, bei deren Ernennung das Volk kein Mitspracherecht hatte. Stattdessen sollten ausländische Regierungen kritischen Stimmen in China den Rücken stärken und öffentlich betonen, dass Peking, solange es keine echten Wahlen gibt, nicht das chinesische Volk vertritt.
Genauso wie viele Regierungen sich von der wohlfeilen Vorstellung verabschiedet haben, Handel alleine könne die Menschenrechtslage in China verbessern, sollten sie auch die beruhigende aber falsche Ansicht aufgeben, stille Diplomatie alleine genüge. Würdenträgern, die nach Peking reisen und behaupten, sie brächten dort Chinas Menschenrechtsbilanz zur Sprache, sollte man die Frage stellen, inwieweit das chinesische Volk – der wichtigste Motor des Wandels – sie überhaupt hören kann. Fühlen sich die Menschen durch ihren Besuch bestärkt oder desillusioniert? Hören sie eine Stimme des Mitgefühls und der Fürsorge oder sehen sie nur einen Fototermin zur Unterzeichnung weiterer Wirtschaftsabkommen? Indem man Peking regelmäßig und öffentlich für seine Unterdrückung zur Rede stellt, erhöht man den Preis des Unrechts und bestärkt seine Opfer.
Das chinesische Model von Repression und Wirtschaftswachstum lässt sich als Irrweg bloßstellen, wenn man die Gefahren einer nicht rechenschaftspflichtigen Regierung aufzeigt: Von den Millionen Chinesen, die auf der Strecke geblieben sind, bis hin zu den Verheerungen, die Herrscher wie Mugabe in Zimabwe oder Maduro in Venezuela verursacht haben. Ferner sollte man darauf aufmerksam machen, wie Diktatoren in der ganzen Welt behaupten, sie dienten ihrem Volk - und sich in Wahrheit selbst bedienen.
Regierungen und internationale Finanzinstitutionen sollten schlüssige und rechtskonforme Alternativen zu Chinas „bedingungslosen“ Krediten und Entwicklungshilfen anbieten. Sie sollten ihre Mitgliedschaft in Organisationen wie der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank nutzen, um auf die höchstmöglichen Menschenrechtsstandards zu dringen, statt an einem weltweiten Abwärtswettlauf teilzunehmen.
Regierungen, denen die Menschenrechte ein Anliegen sind, sollten achtsam sein, wenn sich die doppelten Standards des „chinesischen Exzeptionalismus“ in ihr Handeln einschleichen und ermöglichen, dass China mit Vergehen davonkommt, für die ärmere und weniger mächtige Regierungen mit Konsequenzen rechnen müssten. Wenn sie versuchen, myanmarische Funktionäre für ihr unmenschliches Vorgehen gegen Muslime zur Rechenschaft zu ziehen, warum nicht auch chinesische Amtsträger? Wenn sie wachsam für die Bemühungen Saudi-Arabiens und Russlands sind, sich Legitimität zu erkaufen, warum nicht auch mit Blick auf China? Wenn sie Debatten über Menschenrechtsverletzugnen durch Israel, Ägypten oder Venezuela anregen, warum dann nicht auch zu China? Viele Regierungen haben die Trump-Regierung völlig zurecht für die Trennung von Familien an der mexikanischen Grenze verurteilt. Warum kritisieren sie nicht auch, dass die chinesische Regierung in Xinjiang Kinder von ihren Eltern trennt?
Regierungen in aller Welt sollten gezielt gegen die Strategie des „divide-and-conquer“ ankämpfen, mit der China dafür sorgt, dass seine Unterdrückung oft totgeschwiegen wird. Solange jede Regierung alleine vor der Entscheidung zwischen den wirtschaftlichen Chancen in China und offener Kritik an Chinas Unterdrückung steht, werden viele entscheiden zu schweigen. Doch wenn viele Staaten sich zusammentun, um Chinas Missachtung der Menschenrechte entgegenzutreten, dann verschiebt sich das Gleichgewicht. Würde etwa die OIC geschlossen gegen Chinas Unterdrückung der turkstämmigen Muslime In Xinjiang protestieren, müsste Peking gegen 57 Staaten zurückschlagen. Doch selbst die chinesische Wirtschaft kann es nicht mit dem gesamten Rest der Welt aufnehmen.
Unternehmen und Universitäten sollten für den Umgang mit China Verhaltenskodizes entwerfen und fördern. Starke gemeinsame Standards würden es Peking erschweren, all jene auszuschließen, die für grundlegende Rechte und Freiheiten eintreten. Solche Standards würden prinzipielle Fragen auch stärker im öffentlichen Bild der Institutionen verankern. So könnten Kunden leichter darauf pochen, dass diese Einrichtungen nicht den chinesischen Zensurwünschen nachgeben, um sich den Zugang zum chinesischen Markt zu erkaufen, und dass sie niemals von Chinas Menschenrechtsverletzungen profitieren oder zu ihnen beitragen. Ausländische Regierungen sollten die Technologien, welche die Massenüberwachung und Unterdrückung in China beflügeln, streng regulieren und den Schutz der Privatsphäre stärken, um die Verbreitung solcher Bespitzelungssysteme aufzuhalten.
Universitäten müssen einen Raum bieten, in dem Studenten und Wissenschaftler aus China den chinesischen Staat studieren und kritisieren können, ohne Angst vor Überwachung oder einer Anzeige. Sie dürfen nicht dulden, dass Peking die akademische Freiheit ihrer Studenten und Lehrkräfte einschränkt.
Regierungen, die sich als Verfechter der Menschenrechte betrachten, sollten nicht nur Erklärungen veröffentlichen, sondern noch stärker als bisher auf Staaten aus allen Weltregionen zugehen und dem UN-Menschenrechtsrat gemeinsam eine Resolution für die Schaffung einer Untersuchungsmission zu Xinjiang vorlegen, damit die Welt erfährt was dort wirklich geschieht. Auch im UN-Sicherheitsrat sollten sie eine Debatte über Xinjiang erzwingen und Chinas Funktionären damit zu verstehen geben, dass sie sich für ihr Handeln verantworten müssen.
Noch essentieller ist es, dass die Mitgliedstaaten und Amtsträger der UN dafür eintreten, die UN als unabhängige Stimme für die Menschenrechte zu erhalten. Bis zur Einrichtung einer UN-Untersuchungsmission sind die Berichte der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und der Experten des Menschenrechtsrats unverzichtbar. Sollte es China gelingen, die UN zu einem zahnlosen Tiger zu machen, betrifft dies uns alle.
Die Verfechter der Menschenrechte sollten zudem aufhören, China als ehrenwerten Partner zu behandeln. Ob chinesischen Beamten der rote Teppich ausgerollt wird, sollte davon abhängen, inwieweit es echte Fortschritte bei den Menschenrechten gibt. Staatsbesuche sollten mit der offiziellen Aufforderung verbunden werden, unabhängigen UN-Ermittlern Zugang zu Xinjiang zu gewähren. Die chinesischen Amtsträger sollten zu spüren bekommen, dass sie niemals zu Ansehen gelangen werden, solange sie ihre Bevölkerung verfolgen.
Was gezieltere Maßnahmen betrifft, so sollten chinesische Beamte, die direkt an der massenhaften Internierung von Uiguren beteiligt sind, zu Personae non gratae erklärt und ihre Bankkonten im Ausland eingefroren werden. Sie sollten eine Strafverfolgung für ihre Vergehen fürchten müssen. Chinesische Unternehmen, die Internierungslager in Xinjiang bauen und betreiben, und alle Firmen, welche die Häftlinge als Arbeitskräfte ausbeuten oder den Überwachungsstaat mit Infrastruktur und Datenverarbeitung versorgen, sollten bloßgestellt und zur Beendigung dieser Aktivitäten gedrängt werden.
Zu guter Letzt sollte die Welt erkennen, dass Xi Jinpings hochtrabende Rhetorik über die Schaffung einer „Gemeinschaft der geteilten Zukunft für die Menschheit“ in Wahrheit eine Drohung ist, eine Vision der Menschenrechte in der ganzen Welt, in der diese von Peking definiert und geduldet werden. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass die chinesische Regierung darauf hinarbeitet, dass System der internationalen Menschenrechte zu verwerfen und neu zu gestalten. Dieses beruht bislang auf der Überzeugung, dass die Würde jedes einzelnen Menschen Achtung verdient und es – egal welche staatlichen Interessen auf dem Spiel stehen – Grenzen dafür gibt, was ein Staat mit Menschen machen darf.
Wenn wir nicht in eine Zeit zurückkehren wollen, in der Menschen wie Schachfiguren herumgeschoben oder aus dem Spiel genommen werden, so wie es die Herrscher wünschen, dann müssen wir Widerstand dagegen leisten, dass die chinesische Regierung internationale Menschenrechtsstandards attackiert. Es ist Zeit, dass wir klar Position beziehen. Jahrzehnte des Fortschritts bei den Menschenrechten stehen auf dem Spiel.
Wenn wir nicht in eine Ära zurückfallen möchten, in der Menschen entsprechend der Launen ihrer Herrscher wie Spielfiguren manipuliert werden, müssen wir dem Angriff der chinesischen Regierung auf das System der internationalen Menschenrechte abwehren. Es ist Zeit, Haltung zu zeigen, denn Jahrzehnte des Fortschritts bei den Menschenrechte sind in Gefahr.